“Fünf Epigramme” für Streichquartett (1991)
Werkverzeichnisnummer: 2059
1. (Come un scherzo scurille)
2. ohne Bezeichnung
3. (alla Marcia, grottesca)
4. ohne Bezeichnung
5. (come un vatzero)
Der Komponist Friedrich K. Wanek ging als Verlagslektor für zeitgenössische Musik beim Mainzer Schott-Verlag, wie er selbst sagte, einer “geregelten Doppelexistenz” nach. In seinem Brotberuf betreute er die Werke anderer; für sein eigenes Komponieren fand er nur in der Freizeit Gelegenheit. So blieb sein Oeuvre notgedrungen schmal, und er ist damit kaum vor die breite Öffentlichkeit getreten. Dadurch hat er sich andererseits die Unabhängigkeit bewahrt, seine kompositorische Richtung selbst zu bestimmen. Sie beruht auf einem ungebrochenen Verhältnis zur Tradition der klassischen Moderne. Von Bartók stammen die perkussive Motorik und die unregelmäßigen Metren, die viele Waneksätze prägen, sowie Grundelemente der Harmonik. An den französischen Neoklassizisten faszinierten ihn das Unterhaltsame und Spielerische, die Leichtigkeit und Eleganz einer Musik, die nicht alles mit deutscher Strenge sagen muß, sondern auch den Witz kennt. Bei Webern studierte er die Knappheit der Diktion und Sparsamkeit der Mittel. “Wenn es geschwätzig wird, wird es unerträglich,” lautete einer seiner Grundsätze. Die Angst, das Material zu sehr zu strapazieren, führte ihn zu knappen, meist dreiteiligen Formen, die dennoch einem weit gespannten Ausdrucksspektrum Raum geben; es reicht von tief melancholischer, innerlicher Musik über energische, kraftvolle Entladung bis zum handfesten Gassenhauer. Doch der Ausdruck drängt sich nicht auf; er wird abgefangen durch die knappe, meist dreiteilige Form und durch den Hang zum distanzierenden “Witz” im Haydnschen Sinne.1985 sprach Wanek von dem “belastenden Unterfangen”, angesichts der Meisterwerke der Gattung ein weiteres Streichquartett zu komponieren, aber auch von einer Hürde, die ein Komponist früher oder später nehmen müsse, von einem “spannenden musikalischen Abenteuer”. Waneks Antwort auf die Gattungstradition war hintergründig zweigeteilt. Mit seinem Streichquartett von 1985 erfüllte er sie exemplarisch, mit seinen Fünf Epigrammen von 1987 setzte er eine spielerische und bildhafte Antithese dazu. Die fünf Stücke vereinen exemplarisch typische Satzcharaktere und Gestaltungsweisen des Komponisten: epigrammatische Kürze, ironisch-skurrile Perspektiven, aber auchdie Expressivität tiefgründiger Adagio-Sätze.
Das Come un Scherzo scurrile des ersten Eprigramms wird ergänzt durch die Spielanweisung “sehr rauh und wild, sehr energisch”. Zusammen mit den “hastig sich entfaltenden” Ostinati des Satzes entsteht ein typischer Wanekcharakter – mit einem ebenso typischen legeren Trio für die Bratsche als Ausweichmoment. Gegenpol dazu ist die “Ruhe, nicht aber ohne Irritationen” (Wanek) der langsamen Sätze. Sie kommt im zweiten Epigramm in langen Tenutoakkorden (con sordino und senza vibrato) zum Ausdruck, an die jeweils hastige Schlenker angehängt sind. Im zweiten Teil kehrt sich die Reihenfolge Akkord – Arabeske einfach um. Im vierten Epigramm steigert sich der meditative, aber unterschwellig nervöse Charakter, der Waneks langsame Sätze prägt, zum Espressivoaufschwung. Fast populär wirkt Waneks Musik immer dann, wenn es um ironische Perspektiven geht, wie die Verhöhnung gewisser Klischees der Marschmusik im zentralen dritten Epigramm (alla Marcia, grottesco). Feiner ist die Ironie im fünften Epigramm, einem stilisierten Walzer. Die beiden Sätze zeigen, was Wanek mit Verständlichkeit des Komponierens meinte: konzentrierte, in der Satztechnik solide Gebilde, die sich sich durch ihren spielerischen Zug und ihre Anschaulichkeit dem Hörer unmittelbar mitteilen.