Streichtrio D-Dur, op. 9,2 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ludwig van Beethoven

Streichtrio D-Dur, op. 9,2

Trio D-Dur für Violine, Viola und Violoncello, op. 9,2

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 207

Satzbezeichnungen

1. Allegretto

2. Andante quasi Allegretto

3. Menuetto. Allegro

4. Rondo. Allegro

Erläuterungen

Im Frühwerk Ludwig van Beethovens nehmen Streichtrios einen prominenten Platz ein. Unter den Opera 1 bis 10 sind allein drei (op. 3, 8 und 9) dieser Gattung vorbehalten. Während das Es-Dur-Trio, op. 3, und die Serenade, op. 8, in der Nachfolge des österreichischen Divertimentos stehen, sprengen die drei Streichtrios des Opus 9 diesen traditionellen Gattungsrahmen. An ihnen wird in besonderer Weise deutlich, wie sehr Beethovens Jugendwerke eine Musik des Übergangs waren, nicht nur stilistisch zwischen 18. und 19. Jahrhundert, sondern auch soziologisch als Kammermusik, die die privaten Zirkel sprengte und dem Konzertsaal zustrebte.

Anders als Bach oder Mozart, die in einer fest gefügten städtischen bzw. ständischen Ordnung aufwuchsen, veröffentlichte Beethoven seine ersten Opera in der Epoche der Revolutionskriege, einer Zeit der Umwälzungen. Die Musikkultur verlagerte sich allmählich vom aristokratischen Salon in den öffentlichen Konzertsaal. Besonders für die Kammermusik bedeutete dies eine Ausweitung ihrer Formen und Klangmittel. An den drei Streichtrios seines Opus 9 ist dies deutlich abzulesen. Beethoven griff hier eine Gattung auf, der in der Frühklassik, etwa bei Joseph und Michael Haydn, ein unterhaltender Charakter an der Grenze zum Divertimento eigen war. Noch Mozart fühlte sich dieser Tradition verpflichtet, als er sein grandioses Es-Dur-Trio KV 563 „Divertimento“ nannte und in ihm die ältere Tradition zugleich überhöhte und ironisierte. Während Beethoven diesem Modell in seinen Trios Opus 3 und Opus 8 sozusagen den letzten Tribut entrichtete, schwebte ihm im Opus 9 gänzlich anderes vor.

Die drei Werke, 1796-98 komponiert und im Juli 1798 veröffentlicht, zählen zu den bedeutendsten Frühwerken des Komponisten, wie schon die Beethoven-Biographie von Thayer/Riemann vermerkt. „Keins von den bisherigen Werken kann sich an Schönheit und Neuheit der Erfindung, Geschmack der Ausführung, Behandlung der Instrumente usw. mit diesen Trios messen; sie überragen im ganzen sogar auch die bald nachher erschienenen Quartette (op. 18).“ Die Überzeugung, auf einem neuen Niveau des eigenen kompositorischen Vermögens angelangt zu sein, spricht sowohl aus der Musik der Trios – gleichsam in jedem Takt mit der schon dem jungen Beethoven eigenen Emphase – als auch aus der Widmung an den irischen Grafen von Browne.

Trotz ihrer Devotionsformeln kann diese Dedikation nicht verhehlen, dass der Komponist diese Stücke kaum mehr als aristokratische Unterhaltungsmusik zur Verherrlichung seines Mäzens verstand: „Wenn die Kunstprodukte, denen Ihr als Kenner die Ehre Eurer Protektion erweist, weniger nach der genialen Inspiration als vielmehr nach dem guten Willen, sein bestes zu geben, beurteilt würden; so hätte der Autor die ersehnte Genugtuung, dem ersten Mäzen seiner Muse das beste seiner Werke zu präsentieren.“ Der selbstbewussten Formulierung „das beste meiner Werke“ werden die Trios nicht nur durch die souveräne Stimmführung und die kontrapunktische Meisterschaft gerecht. Auch die quasi-sinfonische Viersätzigkeit und die geweiteten Dimensionen der einzelnen Sätze, der pathetische Tonfall und die in allen drei Stimmen auf professionelle Spieler ausgerichteten technischen Anforderungen weisen weit über den Kammermusik-Zirkel des Grafen Browne hinaus. Paul Bekker bemerkte in seiner Beethoven-Biographie zu Recht, dass aus diesen Trios „ein stark symphonisches Element“ spreche, ja geradezu Beethovens „Hang zur symphonischen gedanklichen Gestaltung“.

Übrigens gehörten Beethovens Streichtrios zu den frühesten seiner Opera, die auch international Beachtung fanden. Bereits 1792 nahm der kurfürstlich-kölnische Kaplan Abbé Dobbeler Noten des Streichtrios Opus 3 mit nach London. Von dort aus gelangten sie in einen Kreis von Musikliebhabern, die sich in Leicester daran delektierten – einer der frühesten Belege für eine Beethoven-Rezeption außerhalb Deutschlands. Die Streichtrios Opus 9 wurden in gleicher Weise von Musikzirkeln in England und Frankreich mit größter Begeisterung aufgegriffen – ihrer deutlich fortgeschritten Schwierigkeiten zum Trotz.

Trio D-Dur, op. 9,2

Im D-Dur-Trio Opus 9 Nr. 2 hat Beethoven eher die lyrischen Facetten als den majestätischen Glanz der Tonart betont. So stehen die ersten beiden Sätze in halbschnellem Tempo. Der Kopfsatz wirkt im Vergleich zu den Kopfsätzen der beiden Schwesterwerke betont lyrisch und scheinbar klassisch konventionell: ein Allegretto im Zweivierteltakt mit sanft strömender, heiter gelöster Melodik, wie man es bei Haydn und Mozart häufig finden kann. Freilich offenbart sich auch hier der neue, expansive Kunstanspruch des jungen Beethoven: Aus der Allerwelts-Floskel der ersten vier Takte hat er einen Sonatensatz von mehr als 300 Takten Länge hervorgezaubert und besonders in der Durchführung seine geniale Kombinationskunst im Umgang mit den Motiven offenbart.

Der zweite Satz steht zwar in d-Moll, wie einige der tiefgründigsten Adagios in Beethovens Frühwerk, ist aber ein bis zum Allegretto beschleunigtes Andante im Sechsachteltakt. Auch in diesem serenadenhaften Duktus spiegelt sich ein Lieblingstypus der früheren Klassiker wider. Man vergleiche etwa die Andantesätze in Mozarts d-Moll-Streichquartett, KV 421, oder der c-Moll-Serenade, KV 388. Bei Beethoven verbindet sich der rhythmisch beschwingte Duktus freilich gleich mit einem Frage-Antwort-Spiel im Thema, das im weiteren Verlauf des Satzes denn auch immer wieder für harmonische und melodische Überraschungen sorgt.

Das so genannte „Menuett“ an dritter Stelle ist in Wahrheit ein Scherzo, wie sein Allegro-Tempo und der pointierte kurze Vorschlag vor dem langen A in der Geige verraten. Dem Finalthema hat Beethoven die rhythmischen Widerhaken von vornherein eingeschrieben: als Synkope mit Sforzato in der Bratsche. Darüber stimmt das Cello das Rondothema an, während die Geige gleichsam ein Hörnerpedal andeutet. Wieder erscheint der Triosatz als Substrat oder Reduktion eines eigentlich orchestral gehörten Satzes von weitesten Dimensionen.