Trio c-Moll für Violine, Viola und Violoncello, op. 9,3
Werkverzeichnisnummer: 206
1. Allegro con spirito
2. Adagio con espressione
3. Scherzo. Allegro molto e vivace
4. Finale. Presto
Im Frühwerk Ludwig van Beethovens nehmen Streichtrios einen prominenten Platz ein. Unter den Opera 1 bis 10 sind allein drei (op. 3, 8 und 9) dieser Gattung vorbehalten. Während das Es-Dur-Trio, op. 3, und die Serenade, op. 8, in der Nachfolge des österreichischen Divertimentos stehen, sprengen die drei Streichtrios des Opus 9 diesen traditionellen Gattungsrahmen. An ihnen wird in besonderer Weise deutlich, wie sehr Beethovens Jugendwerke eine Musik des Übergangs waren, nicht nur stilistisch zwischen 18. und 19. Jahrhundert, sondern auch soziologisch als Kammermusik, die die privaten Zirkel sprengte und dem Konzertsaal zustrebte.
Anders als Bach oder Mozart, die in einer fest gefügten städtischen bzw. ständischen Ordnung aufwuchsen, veröffentlichte Beethoven seine ersten Opera in der Epoche der Revolutionskriege, einer Zeit der Umwälzungen. Die Musikkultur verlagerte sich allmählich vom aristokratischen Salon in den öffentlichen Konzertsaal. Besonders für die Kammermusik bedeutete dies eine Ausweitung ihrer Formen und Klangmittel. An den drei Streichtrios seines Opus 9 ist dies deutlich abzulesen. Beethoven griff hier eine Gattung auf, der in der Frühklassik, etwa bei Joseph und Michael Haydn, ein unterhaltender Charakter an der Grenze zum Divertimento eigen war. Noch Mozart fühlte sich dieser Tradition verpflichtet, als er sein grandioses Es-Dur-Trio KV 563 „Divertimento“ nannte und in ihm die ältere Tradition zugleich überhöhte und ironisierte. Während Beethoven diesem Modell in seinen Trios Opus 3 und Opus 8 sozusagen den letzten Tribut entrichtete, schwebte ihm im Opus 9 gänzlich anderes vor.
Die drei Werke, 1796-98 komponiert und im Juli 1798 veröffentlicht, zählen zu den bedeutendsten Frühwerken des Komponisten, wie schon die Beethoven-Biographie von Thayer/Riemann vermerkt. „Keins von den bisherigen Werken kann sich an Schönheit und Neuheit der Erfindung, Geschmack der Ausführung, Behandlung der Instrumente usw. mit diesen Trios messen; sie überragen im ganzen sogar auch die bald nachher erschienenen Quartette (op. 18).“ Die Überzeugung, auf einem neuen Niveau des eigenen kompositorischen Vermögens angelangt zu sein, spricht sowohl aus der Musik der Trios – gleichsam in jedem Takt mit der schon dem jungen Beethoven eigenen Emphase – als auch aus der Widmung an den irischen Grafen von Browne.
Trotz ihrer Devotionsformeln kann diese Dedikation nicht verhehlen, dass der Komponist diese Stücke kaum mehr als aristokratische Unterhaltungsmusik zur Verherrlichung seines Mäzens verstand: „Wenn die Kunstprodukte, denen Ihr als Kenner die Ehre Eurer Protektion erweist, weniger nach der genialen Inspiration als vielmehr nach dem guten Willen, sein bestes zu geben, beurteilt würden; so hätte der Autor die ersehnte Genugtuung, dem ersten Mäzen seiner Muse das beste seiner Werke zu präsentieren.“ Der selbstbewussten Formulierung „das beste meiner Werke“ werden die Trios nicht nur durch die souveräne Stimmführung und die kontrapunktische Meisterschaft gerecht. Auch die quasi-sinfonische Viersätzigkeit und die geweiteten Dimensionen der einzelnen Sätze, der pathetische Tonfall und die in allen drei Stimmen auf professionelle Spieler ausgerichteten technischen Anforderungen weisen weit über den Kammermusik-Zirkel des Grafen Browne hinaus. Paul Bekker bemerkte in seiner Beethoven-Biographie zu Recht, dass aus diesen Trios „ein stark symphonisches Element“ spreche, ja geradezu Beethovens „Hang zur symphonischen gedanklichen Gestaltung“.
Übrigens gehörten Beethovens Streichtrios – er hat immerhin fünf Werke dieses Genres veröffentlicht – zu den frühesten seiner Opera, die auch international Beachtung fanden. Bereits 1792 nahm der kurfürstlich-kölnische Kaplan Abbé Dobbeler Noten des Streichtrios Opus 3 mit nach London. Von dort aus gelangten sie in einen Kreis von Musikliebhabern, die sich in Leicester daran delektierten – einer der frühesten Belege für eine Beethoven-Rezeption außerhalb Deutschlands. Die Streichtrios Opus 9 wurden in gleicher Weise von Musikzirkeln in England und Frankreich mit größter Begeisterung aufgegriffen – ihrer deutlich fortgeschritten Schwierigkeiten zum Trotz.
Trio c-Moll, op. 9,3
Das Trio c-Moll beginnt mit einem Abstieg in die Tiefe: vom Grundton c über Leitton und übermäßige Sekund h-as zur Quint g, auf der sich der Klang akkordisch auffächert. Das Vierton-Motiv c-h-as-g ist Motto des Satzes. Zerfahrene Sechzehntel-Linien umlagern es, abgerissene Coups d’archet beenden die zerklüftete Hauptthemengruppe. Ein singendes Überleitungsthema, zunächst in Dur eingeführt, wird bald nach Moll abgedunkelt. Auch der eigentliche, kontrapunktische Seitensatz in Es kann sich gegen den melancholischen Grundzug nicht behaupten, und noch die Schlussgruppe verharrt in vielsagenden Dur-Moll-Wechseln. Das Viertonmotiv bleibt als Motto in allen Satzteilen präsent: Zu Beginn der Durchführung rennt es sich fest, seine Sechzehntel werden kontrapunktisch aufgespalten. Im Moment der Reprise wird es von einem Kontrapunkt überlagert, in der Coda zunächst pathetisch gesteigert. Dann entfaltet sich über den absteigenden chromatischen Linien des Motivs ein gespenstisches Spiel mit schattenhaften Klängen.
Der Beginn des Adagio zeugt von Beethovens Interesse an zyklischen Zusammenhängen zwischen den Sätzen: Auch dieser Satz beginnt mit einem absteigenden Viertonmotiv im Bass, allerdings in Dur. Darüber erblüht – kurzatmig und stockend – ein Es-Dur-Thema, dessen heikles Espressivo immer wieder in die Mollregionen des ersten Satzes abschweift. Raumgreifende Violinsoli über abermals absteigenden Bässen eröffnen eine Episode, die von gesanglichem Dialog geprägt ist. Stark verziert wird das erste Thema wieder aufgegriffen und zum Gegenstand einer dramatischen Moll-Durchführung, bevor nach zwei abgerissenen Akkorden und Generalpause die Ruhe wiederkehrt. Die kantable Episode sorgt noch einmal für melodisch freies Wechselspiel der Kräfte, bevor der Satz mit der letzten Wiederkehr des Hauptthemas in vollkommener Ruhe ausklingt.
Umso unruhiger beginnt das Scherzo: ein skurriler Totentanz in widerborstigen Rhythmen und pentrant wiederholten Sforzato-Akkorden; friedlich dagegen wieder das schöne Trio mit seiner schlichten, auf alle drei Spieler verteilten Melodie. Das Finale lebt vom Frage-Antwort-Spiel zwischen einer nervösen Triolen-Arabeske und einem misantropischen Tanzthema in Vierteln. Die Spannung zwischen diesen beiden Elementen bleibt bis zum Schluss unaufgelöst. In der Durchführung werden die Triolen zu einer rasenden Fahrt in die Tiefe gesteigert, am Ende in eine scheinbar unbekümmerte Dur-Pointe umgedeutet – es bleibt letztlich ein offener Schluss.