Trio Es-Dur für Klavier, Violine und Violoncello, op. 70,2
Werkverzeichnisnummer: 205
1. Poco sostenuto – Allegro ma non troppo
2. Allegretto
3. Allegretto ma non troppo
4. Finale. Allegro
„Denkt Euch eine sehr hübsche, kleine, feine 25jährige Frau, die im 15. Jahre verheiratet wurde, gleich vom ersten Wochenbett ein unheilbares Übel behielt, seit den 10 Jahren nicht zwei, drei Monate außer dem Bette hat sein können, dabei doch drei gesunde liebe Kinder geboren hat, die wie die Kletten an ihr hängen; der allein der Genuß der Musik blieb, die selbst Beethovensche Sachen recht brav spielt, und mit noch immer dick geschwollenen Füßen von einem Fortepiano zum andern hinkt, dabei doch so heiter, so freundlich und gut.“
So beschrieb der Berliner Komponist und Publizist Johann Friedrich Reichardt die ungarische Gräfin Marie Erdödy, der Beethoven seine beiden Klaviertrios, op. 70, widmete. Im Winter 1808/09 stellte Beethoven die beiden neuen Werke im Hause der Gräfin, wo er damals wohnte, der Öffentlichkeit vor. Reichhardt hörte sie am Silvestertag 1808 mit dem Komponisten selbst am Flügel und geriet über das Es-Dur-Trio, op. 70, 2, ins Schwärmen, „worin ein so himmlischer kantabler Satz (im Dreivierteltakt und in As-Dur) vorkam, wie ich von ihm noch nie gehört, und der das Lieblichste, Graziöseste ist, das ich je gehört; er hebt und schmilzt mir die Seele, so oft ich daran denke.“ (Gemeint ist der 3. Satz, Allegretto ma non troppo.)
Die Äußerung zeigt, wie sehr Beethovens Werke jener Zeit – es waren neben den Trios die 5. und 6. Symphonie, die Coriolan-Ouvertüre und wenig später das 5. Klavierkonzert – bei den Musikfreunden Wiens auf Zustimmung, ja Begeisterung stießen. Dennoch blieb das Verhältnis des Komponisten zu seiner Wiener Umgebung gespannt. Nur wenige Wochen nach der glanzvollen Uraufführung der Trios wollte sie Beethoven nicht mehr der Gräfin Erdödy, sondern Erzherzog Rudolph widmen, denn in der Zwischenzeit war es zu einer fürchterlichen Auseinandersetzung mit seiner Gastgeberin gekommen. Die Gräfin hatte gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Joseph Brauxle Beethovens Diener bestochen – für sexuelle Gefälligkeiten, wie der Komponist vermutete, der ihr Haus sofort verließ, während die Gräfin beteuerte, sie habe den Diener bezahlt, um seinen Herrn an sich zu binden. Wie auch Reichardt bemerkte, war es das größte Problem von Beethovens Mäzenen, „dem zarten, reizbaren und mißtrauischen Künstler die Mittel zur Annehmlichkeit des Lebens so anzubringen, daß er sie gerne empfänge und auch seine Künstlerbefriedigung darin fände.“
Neben Reichardt hat noch ein zweiter prominenter Zeitgenosse die Trios op. 70 gewürdigt: E. T. A. Hoffmann, der ihnen eine ausführliche Kritik in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung widmete. Seine Deutung des Es-Dur-Trios ist aufschlußreich, denn er erkannte im Allegrothema des 1. Satzes und im 3. Satz Anklänge an Mozart (große Es-Dur-Sinfonie, KV 543), freilich nur, wie er ausdrücklich vermerkte, im Thema und nicht in der „weiteren Ausführung und der Structur des Satzes, in der wieder der Beethovensche Genius auf die originellste Weise hervortritt.“
Typisch für Beethoven ist gleich zu Beginn die langsame Einleitung des ersten Satzes, wo alle drei Instrumente ein Thema im freien Kanon aufgreifen. Darauf folgt das Mozart-nahe Sonatenallegro, in dem die Einleitung kurz vor Ende noch einmal anklingt.
Als langsamer Satz folgt kein Adagio, sondern – wie in Beethovens 7. und 8. Symphonie – ein bewegtes Allegretto, das nach der Form von Doppelvariationen mehrmals zwischen C-Dur und c-Moll wechselt.
Der 3. Satz hat zwar die Beethovensche fünfteilige Scherzoform (mit zweimaligem Trio), ist aber im Charakter einem Menuett verwandt. „Das Trio hat eine ganz originelle Structur, indem es aus abgebrochenen Sätzen, in denen Violoncell und Violine mit dem Flügel wechseln, besteht“ (Hoffmann). Das Finale hat Hoffmann als „ein freyes Spiel der aufgeregtesten Phantasie“ gedeutet: Es ist ein „fortdauerndes, immer steigendes Treiben und Drängen“. Als zweites Thema hat Beethoven hier einen kroatischen Tanz verwendet.
2003
L. VAN BEETHOVEN
Klaviertrio Es-Dur, op. 70,2
„Denkt Euch eine sehr hübsche, kleine, feine 25jährige Frau, die im 15. Jahre verheiratet wurde, gleich vom ersten Wochenbett ein unheilbares Übel behielt, seit den 10 Jahren nicht zwei, drei Monate außer dem Bette hat sein können, dabei doch drei gesunde liebe Kinder geboren hat, die wie die Kletten an ihr hängen; der allein der Genuß der Musik blieb, die selbst Beethovensche Sachen recht brav spielt, und mit noch immer dick geschwollenen Füßen von einem Fortepiano zum andern hinkt, dabei doch so heiter, so freundlich und gut.“
So beschrieb der Berliner Komponist und Publizist Johann Friedrich Reichardt die ungarische Gräfin Marie Erdödy, der Beethoven seine beiden Klaviertrios, op. 70, widmete. Im Winter 1808/09 stellte Beethoven die beiden neuen Werke im Hause der Gräfin, wo er damals wohnte, der Öffentlichkeit vor. Reichhardt hörte sie am Silvestertag 1808 mit dem Komponisten selbst am Flügel und geriet über das Es-Dur-Trio, op. 70, 2, ins Schwärmen, „worin ein so himmlischer kantabler Satz (im Dreivierteltakt und in As-Dur) vorkam, wie ich von ihm noch nie gehört, und der das Lieblichste, Graziöseste ist, das ich je gehört; er hebt und schmilzt mir die Seele, so oft ich daran denke.“ (Gemeint ist der 3. Satz, Allegretto ma non troppo.)
Die Äußerung zeigt, wie sehr Beethovens Werke jener Zeit – es waren neben den Trios die 5. und 6. Symphonie, die Coriolan-Ouvertüre und wenig später das 5. Klavierkonzert – bei den Musikfreunden Wiens auf Zustimmung, ja Begeisterung stießen. Dennoch blieb das Verhältnis des Komponisten zu seiner Wiener Umgebung gespannt. Nur wenige Wochen nach der glanzvollen Uraufführung der Trios wollte sie Beethoven nicht mehr der Gräfin Erdödy, sondern Erzherzog Rudolph widmen, denn in der Zwischenzeit war es zu einer fürchterlichen Auseinandersetzung mit seiner Gastgeberin gekommen. Die Gräfin hatte gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Joseph Brauxle Beethovens Diener bestochen – für sexuelle Gefälligkeiten, wie der Komponist vermutete, der ihr Haus sofort verließ, während die Gräfin beteuerte, sie habe den Diener bezahlt, um seinen Herrn an sich zu binden. Wie auch Reichardt bemerkte, war es das größte Problem von Beethovens Mäzenen, „dem zarten, reizbaren und mißtrauischen Künstler die Mittel zur Annehmlichkeit des Lebens so anzubringen, daß er sie gerne empfänge und auch seine Künstlerbefriedigung darin fände.“
Neben Reichardt hat noch ein zweiter prominenter Zeitgenosse die Trios op. 70 gewürdigt: E. T. A. Hoffmann, der ihnen eine ausführliche Kritik in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung widmete. Seine Deutung des Es-Dur-Trios ist aufschlussreich, denn er erkannte im Allegrothema des 1. Satzes und im 3. Satz Anklänge an Mozarts große Es-Dur-Sinfonie, KV 543, freilich nur, wie er ausdrücklich vermerkte, im Thema und nicht in der „weiteren Ausführung und der Structur des Satzes, in der wieder der Beethovensche Genius auf die originellste Weise hervortritt.“
Typisch für Beethoven ist gleich die langsame Einleitung des ersten Satzes, wo alle drei Instrumente ein Thema im freien Kanon aufgreifen. Darauf folgt ein Sonatenallegro von unbändiger Energie, in dem die Einleitung kurz vor Ende noch einmal anklingt.
Als langsamer Satz folgt kein Adagio, sondern – wie in der 7. und 8. Symphonie – ein bewegtes Allegretto, das nach der Form von Doppelvariationen mehrmals zwischen C-Dur und c-Moll wechselt.
Der 3. Satz – eben jenes von Reichhardt gepriesene liebliche Allegretto – hat zwar die Beethovensche fünfteilige Scherzoform mit zweimaligem Trio, ist aber im Charakter eher einem Menuett verwandt. „Das Trio hat eine ganz originelle Structur, indem es aus abgebrochenen Sätzen, in denen Violoncell und Violine mit dem Flügel wechseln, besteht“ (Hoffmann).
Das Finale hat Hoffmann als „ein freyes Spiel der aufgeregtesten Phantasie“ gedeutet: Es ist ein „fortdauerndes, immer steigendes Treiben und Drängen“, das selbst in Beethovens Kammermusik seinesgleichen sucht. Als zweites Thema hat Beethoven hier einen kroatischen Tanz verwendet.