"Das Spiel für zehn" | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Lepo Sumera

"Das Spiel für zehn"

“Das Spiel für zehn” (“Canone terrible, alla diavola”)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1918

Satzbezeichnungen

Deciso – Tempo rubato – Tempo I

Erläuterungen

Zur Eröffnung ihrer Kammermusik-Akademie in Schloß Engers im Mai 1995 gab Villa Musica bei dem estnischen Komponisten Lepo Sumera ein groß besetztes Kammerstück in Auftrag. Gedacht war an ein Nonett, doch Sumera entschied sich für ein Dezett für vier Holzbläser, vier Streicher, Horn und Klavier.Die Uraufführung am 21. Mai 1995 in Schloß Engers löste beim Publikum stürmische Begeisterung aus. Sumeras sich steigerende Mikro-Kanons hatten die Zuhörer in ihren minimalistischen Bann gezogen, und die theatralische Besetzungs-Regie tat ein übriges. Schon im Titel des Stückes beschwört Sumera diabolische Kräfte. Er nannte es Spiel für 10, wobei man durchaus “Schau-Spiel” assoziieren soll, und gab ihm den verheißungsvollen Untertitel Canone terribile, alla diavola, was zunächst auf teuflische Komplikationen im Zusammenspiel hindeutet. Einen gehetzten minimalistischen Kanon der vier Holzbläser (Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott) nehmen die vier Streicher (Violine, Viola, Cello, Kotrabaß) auf, bevor der Pianist auf die Bühne kommt und die erste Phase des Spiels auf brutale Weise beendet. Das Horn – ebenfalls ein Spät-Ankömmling – eröffnet die zweite Phase “quasi solo”; erst jetzt zeigt sich die ganze diabolische Qualität des Kanons, den die verträumten Kadenzen des Pianisten nicht mehr aufzuhalten vermögen. So entfaltet sich ein hitziges Musik-Spiel von unwiderstehlicher Anziehungskraft.

Der Komponist dieser dramatisch-prallen Neuen Musik wirkte lange Jahre als Toningenieur beim Estnischen Rundfunk und als Kompositionslehrer. “Wie viele andere Vertreter der estnischen schöpferischen Intelligenz – Schriftsteller, Künstler, Theaterregisseure u. a. – hielt sich Sumera bis zur 2. Hälfte der 80er Jahre von Politik und von leitenden Posten fern. Nach der Liberalisierung der geistigen Atmosphäre begann aber auch er, sich am Freiheitskampf zu beteiligen. 1988-92 war Sumera Kulturminister (1988 als der erste Minister Estlands, der nicht der KP angehörte). Lepo Sumera ist in erster Linie ein Komponist von Instrumentalmusik. Seine Werke haben keine programmatischen Titel. Wichtig ist es ihm, den zeitlichen, dramaturgischen Verlauf der Musik jedes Mal neu und originell zu gestalten, so daß jedes Werk sein eigenes – inneres oder psychologisches – Programm hat. Der offenen Dramatik und dem Pathos zieht er eine eher distanzierte philosophische Behandlung vor, obwohl die Kollisionen der kontrastierenden Ausdruckssphären mit tragischer Spannung erfüllt sein können.” (Merike Vaitmaa) In Spiel für 10 schlägt diese “tragische Spannung” um in wilde Spiellust.