Oktett E-Dur für Klarinette, zwei Hörner, Violine, zwei Violen, Violoncello und Kontrabass, op. 32
Werkverzeichnisnummer: 1860
1. Adagio – Allegro
2. Menuetto. Allegro -Trio
3. Andante con Variazioni (Tema di Händel)
4. Finale. Allegretto
Der in Braunschweig geborene Geiger und Komponist Louis Spohr drückte durch seine Kammermusik und seine Opern der frühen Romantik seinen Stempel auf. Selbst Komponisten wie Mendelssohn oder Brahms haben sich noch an den von ihm „erfundenen“ Formen und Besetzungen orientiert, so etwa Brahms in der Gattung des Streichsextetts. Sein bekanntestes Bühnenwerk, der Faust (1813), gilt neben E. T. A. Hoffmanns Undine als erste romantische Oper.
Als Geiger war der fast zwei Meter große, hühnenhafte Spohr der deutsche Antipode Paganinis. Der Italiener nannte ihn respektvoll den „vorzüglichsten Sänger“ auf seinem Instrument. Als Dirigent nahm Spohr als einer der ersten den Taktstock in die Hand, um Orchester in ganz Europa zu leiten, vorzüglich aber an der Donau, am Main und in Hessen. Er war Opernkapellmeister am Theater an der Wien und in Frankfurt sowie für mehr als 30 Jahre Hofkapellmeister in Kassel.
In Wien komponierte Spohr für den Mäzen Johann Tost 1813 sein berühmtestes Kammermusikstück, das Nonett, op. 31, sowie unmittelbar danach das Oktett, op. 32. Die beiden Werke gehörten zu einer Serie von Stücken, die sich Tost wie damals üblich zum exklusiven Gebrauch für ein paar Jahre sicherte, bevor Spohr sie an einen Verleger zum Druck geben durfte. War dieses Exklusivrecht in der Wiener Klassik gewöhnlich eher Ausdruck einer gewissen aristokratischen Noblesse, so war sie im Falle des Fabrikbesitzers Tost mit handfesten Geschäftsinteressen verbunden, wie dieser dem verdutzten Spohr selbst darlegte:
„Ich beabsichtige zweierlei. Erstlich will ich zu den Musikpartien [d. h. Konzerten], in welchen Sie ihre Compositionen vortragen werden, eingeladen sein, deshalb muß ich diese in meinem Verschlusse haben; und zweitens hoffe ich auf Geschäftsreisen im Besitze solcher Kunstschätze ausgebreitete Bekanntschaften unter den Musikfreunden zu machen, die mir dann für mein Fabrikgeschäft wieder von Nutzen sein werden.“ Diese Vorform modernen Sponsorings schlug sich im Falle des Oktetts sogar in der Anlage des Werkes nieder. Spohr erzählt, dass er in dieses Stück „auf den Wunsch des Herrn von Tost, der damals eine Reise nach England vorhatte, ein Händelsches Thema aufnahm, variierte und thematisch bearbeitete, weil derselbe glaubte, es werde dadurch für jenes Land an Interesse gewinnen.“
Das Händel-Zitat sollte Tost die Türen der englischen Salons öffnen. Spohr trug das Werk auch in Wien „wiederholt vor, wobei außer mir hauptsächlich die drei Bläser … Gelegenheit hatten, sich auszuzeichnen“.
Das von Spohr verwendete Händel-Thema ist das der berühmten „Grobschmied-Variationen“. Der seltsame Name – auf Englisch The harmonious Blacksmith – geht auf eine Anekdote zurück, nach der Händel das Thema mit seinem „hämmernden“ Rhythmus einem Schmied bei der Arbeit abgelauscht haben soll. Händel schrieb darüber fünf Variationen, Spohr sogar sechs, wobei seine Variationstechnik natürlich eine völlig andere, romantisch-sinfonische ist. Der Klang dieses Satzes nimmt bereits den des Schubert-Oktetts vorweg, das zehn Jahre später in Wien entstand.
Die ersten beiden Sätze spielen mit dem Gegensatz zwischen Moll und Dur: Im Kopfsatz folgt auf eine langsame Einleitung in e-Moll ein Allegro in E-Dur. Das Menuett (eigentlich ein Scherzo) steht wieder in e-Moll und erst sein Trio in E-Dur.
Das Finale dürfte durch seine
robusten Tanzrhythmen bei den englischen Kunden des Herrn von Tost besonderen Anklang gefunden haben.
Nichtsdestotrotz geriet der Industrielle wenige Monate später an den Rand der Insolvenz, weshalb er Spohr nicht mehr die versprochenen Honorare zahlen konnte und die Stücke früher zum Druck freigab, als erwartet. So konnte der Komponist auf dem Notenmarkt jenen Verlust ausgleichen.