Streichquintett C-Dur, op. 29 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ludwig van Beethoven

Streichquintett C-Dur, op. 29

Quintett C-Dur für zwei Violinen, zwei Violen und Violoncello, op. 29

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 182

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Adagio molto e espressivo

3. Scherzo. Allegro – Trio

4. Presto

Erläuterungen

In der Wiener Finanzwelt des frühen 19. Jahrhunderts hatte der Name Moritz Graf von Fries einen guten Klang – und nicht nur dort. Der Mitinhaber des Bankhauses Fries & Co. zählte zu den wichtigsten Kunstsammlern und Musikmäzenen der Donaumetropole. Haydn widmete ihm sein letztes Streichquartett, Beethoven seine „Frühlingssonate“, Jahre später sollte er noch den jungen Schubert fördern. Auch Beethovens einziges Streichquintett trägt eine Widmung an den Grafen, dem schließlich auch die ehrenvolle Dedikation der 7. Sinfonie des Meisters zu Teil wurde.

Mit dem Quintett Opus 29 hat Beethoven dem Grafen sicher eine Freude gemacht. Ein zeitgenössischer Rezensent brachte es auf den Punkt, wenn er schrieb, dass dieses Werk „seinen Ursprung nicht in einer höhern, den Bau wie ein Gottesbefehl hervorrufenden Idee hat, sondern in der allgemeinen künstlerischen Lust am Schaffen: in dem Vorsatz, Musik zu machen. So viel, und nicht mehr, sagt uns das erste Thema.“ In diesem Duktus eines gut gelaunten Musizierens um seiner selbst Willen ist das ganze viersätzige Werk angelegt. Komponiert in den Jahren 1800-1801 war es Beethovens einziger originärer Beitrag zur Gattung Streichquintett. Es weist die Wiener Besetzung mit zwei Bratschen auf, die auch Mozart und Brahms für ihre Quintette wählten. Zwar erschienen in dieser Besetzung unter Beethovens Namen noch zahlreiche andere Werke, bei ihnen handelt es sich jedoch teils um Bearbeitungen (z. B. Grand Quintetto op. 4), teils um Einzelsätze (Fuge für Streichquintett, op. 137).

Beethovens reservierte Haltung gegenüber der Gattung lässt sich unterschiedlich deuten. Sein Biograph Thayer meinte, der Meister sei durch Opus 29 zu der „Überzeugung gelangt, dass er alles, was er mit dem Quintett machte, ohne wesentliche Einbuße irgendwelcher Art auch mit Verzicht auf die zweite Bratsche hätte zuwege bringen können.“ Wahrscheinlicher ist, dass Beethoven nicht mit den großen Streichquintetten Mozarts konkurrieren wollte, die bis heute als das Nonplusultra der Gattung gelten. Im Gegensatz zum Streichquartett ging Beethovens Lösung im Bereich des Quintetts nicht grundsätzlich über Mozart hinaus. Der lyrische Duktus des Werkes, verbunden mit frühromantisch geweiteter Harmonik, nimmt allerdings deutlich Franz Schubert vorweg und zeigt, wie sehr gerade der frühe Beethoven die Romantiker beeinflusst hat.

So wird gleich das Hauptthema des ersten Satzes (Allegro moderato) in einer später von Schubert aufgegriffenen Manier wechselnd harmonisch beleuchtet. Nicht zufällig griff der Berliner Kritiker von 1828 zu romantischen Metaphern, um die Wirkung dieser Modulationen zu beschreiben: „Schon wehen hin und wieder ahnungsvollere Klänge, in die die Seele sich zu versenken meint, wie der Blick in einen stillen Gebirgssee.“ Als Kontrast zu diesem breit ausgesungenen Hauptthema mit seinen frühromantischen Stimmungsvaleurs fungiert ein Triolenmotiv, das den ganzen Satz durchzieht. Das Seitenthema, das zu Beginn in der Terzverwandten A-Dur eingeführt wird, erinnert in seiner kanonischen Führung an das Seitenthema aus dem Kopfsatz von Mozarts Klarinettenkonzert.

Auch das Adagio molto espressivo folgt in seinem Aufbau einem Vorbild bei Mozart: dem Adagio aus dem Streichquintett KV 593. Hier wie dort wird ein Cantabile im langsamen Dreiertakt zweimal von einem Geigensolo über rhythmisch aufgerautem Klanggrund abgelöst. Beethoven scheint hier sogar die Melodik bewusst mozartisch angelegt zu haben – einer von vielen Tributen an den bewunderten Meister, die sich in seinem Frühwerk finden.

Der dritte Satz (Scherzo. Allegro) zeigt Beethovens schon früh entwickelte Neigung zum sinfonischen Scherzo. Der drängende, nervöse Zug dieses Satzes beherrscht auch das Presto-Finale, das mit Überraschungen aufwartet: Einem harmonisch unstabilen Hauptsatz tritt ein pastoraler Seitensatz gegenüber; in der Durchführung wird der Sechsachteltakt mit einem Zweivierteltakt überblendet; vor der Reprise und Coda wird jeweils ein Andante con moto e scherzoso eingeschoben.