Klaviertrio Nr. 3 g-Moll, op. 110 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Robert Schumann

Klaviertrio Nr. 3 g-Moll, op. 110

Trio Nr. 3 g-Moll für Klavier, Violine und Violoncello, op. 110

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1799

Satzbezeichnungen

1. Bewegt, doch nicht zu rasch

2. Ziemlich lagnsam

3. Rasch

4. Kräftig, mit Humor

Erläuterungen

2018
Schumann am Rhein

Mit dem Umzug von Dresden nach Düsseldorf Ende 1850 begann das dritte Kapitel im schöpferischen Leben des Robert Schumann. Aus seiner Studententagen in Heidelberg brachte er glückliche Erinnerungen an den Rhein mit: Als Achtzehnjähriger war er im Mai 1829 zum Studium nach Heidelberg aufgebrochen und über Mainz, Worms und Mannheim gereist: „Alle Freudenhimmel des Wonnelebens liegen vor mir ausgebreitet“, ließ er damals einen Freund wissen. Ebenso glücklich war er, als er 21 Jahre später mit Frau und Kindern nach Düsseldorf umzog, um das Amt des städtischen Musikdirektors anzutreten. Er rühmte „das heitere, ungezwungene Wesen“ der Menschen und den „frischen künstlerischen Geist“, von dem er sich „angeweht“ fühlte. Dieser „künstlerische Geist“ des Rheinlands trug in den Düsseldorfer Jahren rasch erste Früchte wie die berühmte „Rheinische Symphonie“ und das ungleich weniger bekannte g-Moll-Klaviertrio.

Erste „Triogedanken“ zu seinem späteren Opus 110 notierte Schumann am 2. Oktober 1851 in sein Tagebuch. Der Eintrag steht zwischen Ausgaben für das vierteljährliche Schulgeld der Kinder, für abonnierte Zeitschriften und das Holz zum Heizen der Wohnung. In gewohnter Schnelligkeit skizzierte er in den folgenden Tagen das neue Trio in g-Moll: „1ster Satz fertig“ am 3. Oktober, „2ter Satz“ am 4., „3ter Satz. Freude“ am 5. Nur am Finale musste er mehrere Tage „fleißig“ sein, bis es am 9. Oktober „ziemlich fertig“ war. Dazwischen besuchte er Mozarts Don Giovanni im Stadttheater, empfing Besuch vom Dordrechter Musikdirektor Böhme und anderen befreundeten Musikern. Darunter war auch sein Düsseldorfer Konzertmeister Wilhelm Josef von Wasielewski, der besonders oft bei den Schumanns vorbei schaute. Denn sein Musikdirektor bescherte ihm in jenem Herbst 1851 nicht weniger als zwei neue Violinsonaten und das neue Trio mit Cello und Klavier.

Der aus der Nähe von Danzig stammende Musiker hatte in Leipzig studiert und dort zunächst unter Mendelssohns Leitung im Gewandhausorchester gewirkt. Dann aber holte ihn Schumann als neuen Konzertmeister nach Düsseldorf, wo alsbald die drei neuen Werke entstanden, und zwar im besonders gemütlichen Düsseldorfer Domizil in der Kastanienallee, wo die Schumanns im Juli 1851 eingezogen waren. Dort fand sich auch der Cellist Christian Reimers ein, für den Schumann im März sein Cellokonzert komponiert hatte. Mit Reimers und Wasielewski probte er sein neues Trio bereits am 27. Oktober. Seine Frau Clara schwärmte in ihrem Tagebuch davon: „Es ist originell, durch und durch voller Leidenschaft, besonders das Scherzo, das einen bis in die wildesten Tiefen mit fortreißt. Was ist es doch Herrliches um einen so rastlos schaffenden gewaltigen Geist, wie preise ich mich glücklich, daß mir der Himmel Verstand und Herz genug gegeben hat, diesen Geist und dies Gemüt so ganz zu erfassen. Oft befällt mich eine heiße Angst, wenn ich daran denke, welch glückliches Weib ich bin vor Millionen andern, und dann frage ich oft den Himmel, ob es auch nicht zuviel des Glückes ist. Was sind alle Schattenseiten, die das materielle Leben mit sich bringt, gegen die Freuden und die Wonnestunden, die ich durch die Liebe und die Werke meines Robert genieße!“

Eine solche Wonnestunde war auch die öffentliche Uraufführung des Trios mit Clara am Klavier. Sie fand zum Frühlingsanfang 1852 (Bachs Geburtstag!) im Leipziger Gewandhaus statt. Ferdinand David, der Konzertmeister des Gewandhausorchesters, spielte den Geigenpart, sein Solocellist Andreas Grabau die Cellostimme. Es war eine wahrhaft glanzvolle Schumann-Premiere.

Klaviertrio Nr. 3 g-Moll, op. 110

Alle diese Umstände belegen, dass Schumanns drittes Klaviertrio keineswegs ein „depressives“ Spätwerk ist, das vom „Nachlassen schöpferischer Kräfte“ zeugt, wie man es in Bezug auf die Düsseldorfer Kammermusik des Meisters so oft lesen kann. Ganz im Gegenteil: Wie das Cellokonzert und die beiden Violinsonaten entstand das g-Moll-Trio unter den glücklichsten Umständen als ein Werk von größter Kraft und tiefster Empfindung.

Wie schon im d-Moll-Trio Opus 63 wählte Schumann deutsche Satzbezeichnungen. „Bewegt, doch nicht zu rasch“ beginnt der erste Satz mit einem der schönsten Schumann-Themen überhaupt: Eine Arabeske der Violine schwingt sich sanft klagend in die Höhe, wird vom Cello imitiert, von der Geige fortgesponnen, vom Klavier sanft umkleidet und allmählich gesteigert, bis sie sich in einem kraftvollen Tutti entlädt. Bald ebbt die Erregung ab, und es folgt unmittelbar das zart tänzerische Seitenthema. Der schwingende Rhythmus des Sechsachteltakts prägt dem ganzen Satz ebenso seinen Stempel auf wie die sehnsüchtige Arabeske des Anfangs. Es handelt sich um eine Art „Barkarole“, ein Gondellied, das aber nicht auf den Kanälen Venedigs gesungen wird, sondern auf den Fluten des Rheins, zu Füßen der sehnsüchtig angebeteten Loreley. Zu Beginn der Durchführung gerät der Schiffer auf seinem Kahn in gefährliche Strudel hinein. Doch dann erscheint plötzlich in der Höhe die überirdisch Schöne auf dem Felsen. Nun fangen die Wasser um ihn herum zu sprudeln und zu schwirren an. „Das irritierende und faszinierende Gespinst von Pizzicato-, Arco-, Legato- und Staccato-Effekten, das uns hier umfängt, gehört ohne Zweifel zu den großartigsten Trouvaillen der gesamten Klaviertrioliteratur“ (Claus-Christian Schuster). Die Geschichte vom Schiffer und der Loreley endet in der Coda auf tragische Weise: Die gefährlichen Strudel lassen sich im Cello wieder hören. Nun ziehen sie den jungen Mann auf seinem Kahn unerbittlich in die Tiefe. Dort verstummt seine sehnsuchtsvolle Arabeske. Zurück bleiben nur gefährlich lodernde leise Strudel.

„Ziemlich langsam“ hebt danach im traulichen Es-Dur ein inniges Duett zwischen Cello und Violine an. Wir befinden uns auf den sicheren Höhen des Rheintals, der Blick schweift in die Ferne, und ein junges Liebespaar schmachtet in ungetrübtem Glück. Plötzlich aber melden sich im Mittelteil die düsteren Geister der Gegend wieder. Ein Gespensterreigen entspinnt sich um die glücklich Verliebten. Sogar die Arabeske des untergegangenen Schiffers klingt wieder an. Freilich sind die Liebenden nicht ernsthaft in Gefahr: Die Spukgestalten verschwinden, und ihr Duett kehrt unversehrt zurück.

Töne aus der rheinischen Sagenwelt dominieren auch das Scherzo, „das einen bis in die wildesten Tiefen mit fortreißt“, wie Clara Schumann meinte. Ein lakonisches „Rasch“ setzte Schumann über diesen gespenstischen c-moll-Satz, dessen gewittrig blitzender Hauptteil von zwei Episoden unterbrochen wird: Die erste ist ein lyrisch trauter Gesang in hellem C-Dur, die zweite eine Jagdmusik in kräftigem As-Dur. Ob Schumann hier eine Rittersage aus dem Rheintal vorschwebte?

Rheinischer Frohsinn regiert im Finale, das im strahlenden G-Dur „kräftig, mit Humor“ zu spielen ist. Obwohl spätere Biographen des Meisters diesen Satz für „gequält“ und „ledern“ hielten, offenbart er so viele Facetten des innigen und heiter gelösten Schumann, dass er ein wundervolles Schlusswort zum g-Moll-Trio abgibt.

2008
Erste „Triogedanken“ zu seinem späteren Opus 110 notierte Schumann am 2. Oktober 1851 in sein Tagebuch. Die Eintragung steht mitten unter Geldbeträgen für das vierteljährliche Schuldgeld seiner Kinder, für abonnierte Zeitschriften und das Holz zum Heizen der Wohnung. In gewohnter Schnelligkeit skizzierte er in den folgenden Tagen das neue Trio in g-Moll: „1ster Satz fertig“ am 3. Oktober, „2ter Satz“ am 4., „3ter Satz. Freude“ am 5. Nur am Finale musste er mehrere Tage „fleißig“ sein, bis es am 9. Oktober „ziemlich fertig“ war. Dazwischen besuchte er Mozarts „Don Giovanni“ im Stadttheater, empfing Besuch vom Dordrechter Musikdirektor Böhme und anderen befreundeten Musikern. Darunter war auch sein Düsseldorfer Konzertmeister Wilhelm Josef von Wasielewski, der besonders oft bei den Schumanns vorbei schaute. Denn sein Musikdirektor bescherte ihm in jenem Herbst 1851 nicht weniger als zwei neue Violinsonaten und das neue Trio mit Cello und Klavier.

Der aus der Nähe von Danzig stammende Musiker hatte in Leipzig studiert und dort zunächst unter Mendelssohns Leitung im Gewandhausorchester gewirkt. Dann aber holte ihn Schumann als neuen Konzertmeister nach Düsseldorf, wo alsbald die drei neuen Werke entstanden, und zwar im besonders gemütlichen Düsseldorfer Domizil in der Kastanienallee, wo die Schumanns im Juli 1851 eingezogen waren. Dort fand sich auch der Cellist Christian Reimers ein, für den Schumann im März 1851 sein Cellokonzert komponiert hatte. Mit Reimers und Wasielewski probte Schumann sein neues Trio bereits am 27. Oktober. Seine Frau Clara schwärmte in ihrem Tagebuch davon: „Es ist originell, durch und durch voller Leidenschaft, besonders das Scherzo, das einen bis in die wildesten Tiefen mit fortreißt. Was ist es doch Herrliches um einen so rastlos schaffenden gewaltigen Geist, wie preise ich mich glücklich, daß mir der Himmel Verstand und Herz genug gegeben hat, diesen Geist und dies Gemüt so ganz zu erfassen. Oft befällt mich eine heiße Angst, wenn ich daran denke, welch glückliches Weib ich bin vor Millionen andern, und dann frage ich oft den Himmel, ob es auch nicht zuviel des Glückes ist. Was sind alle Schattenseiten, die das materielle Leben mit sich bringt, gegen die Freuden und die Wonnestunden, die ich durch die Liebe und die Werke meines Robert genieße!“ Eine solche Wonnestunde war auch die öffentliche Uraufführung des Trios mit Clara am Klavier. Sie fand zum Frühlingsanfang 1852 (Bachs Geburtstag!) im Leipziger Gewandhaus statt. Ferdinand David, der Konzertmeister des Gewandhausorchesters, spielte den Geigenpart, sein Solocellist Andreas Grabau die Cellostimme. Es war eine wahrhaft glanzvolle Schumann-Premiere.

Alle diese Umstände belegen, dass Schumanns drittes Klaviertrio keineswegs ein „depressives“ Spätwerk ist, das vom „Nachlassen schöpferischer Kräfte“ zeugt, wie man es in Bezug auf die Düsseldorfer Kammermusik des Meisters so oft lesen kann. Ganz im Gegenteil: Wie das Cellokonzert und die beiden Violinsonaten entstand das g-Moll-Trio unter den glücklichsten Umständen als ein Werk von größter Kraft und tiefster Empfindung.

Wie schon im Opus 63 wählte Schumann deutsche Satzbezeichnungen. „Bewegt, doch nicht zu rasch“ beginnt der erste Satz mit einem der schönsten Schumann-Themen überhaupt: Eine Arabeske der Violine schwingt sich sanft klagend in die Höhe, wird vom Cello imitiert, von der Geige fortgesponnen, vom Klavier sanft umkleidet und allmählich gesteigert, bis sie sich in einem kraftvollen Tutti entlädt. Bald ebbt die Erregung ab, und es folgt unmittelbar das zart tänzerische Seitenthema. Der schwingende Rhythmus des Sechsachteltakts prägt dem ganzen Satz ebenso seinen Stempel auf wie die sehnsüchtige Arabeske des Anfangs. Es handelt sich um eine Art „Barkarole“, ein Gondellied, das aber nicht auf den Kanälen Venedigs gesungen wird, sondern auf den Fluten des Rheins, zu Füßen der sehnsüchtig angebeteten Loreley. Zu Beginn der Durchführung gerät der Schiffer auf seinem Kahn in gefährliche Strudel hinein. Doch dann erscheint plötzlich in der Höhe die überirdisch Schöne auf dem Felsen. Nun fangen die Wasser um ihn herum zu sprudeln und zu schwirren an. „Das irritierende und faszinierende Gespinst von Pizzicato-, Arco-, Legato- und Staccato-Effekten, das uns hier umfängt, gehört ohne Zweifel zu den großartigsten Trouvaillen der gesamten Klaviertrioliteratur“ (Claus-Christian Schuster). Die Geschichte vom Schiffer und der Loreley endet in der Coda auf tragische Weise: Die gefährlichen Strudel lassen sich im Cello wieder hören. Nun ziehen sie den jungen Mann auf seinem Kahn unerbittlich in die Tiefe. Dort verstummt seine sehnsuchtsvolle Arabeske. Zurück bleiben nur gefährlich lodernde leise Strudel.

„Ziemlich langsam“ hebt danach im traulichen Es-Dur ein inniges Duett zwischen Cello und Violine an. Wir befinden uns auf den sicheren Höhen des Rheintals, der Blick schweift in die Ferne, und ein junges Liebespaar schmachtet in ungetrübtem Glück. Plötzlicher aber, Knall auf Fall, melden sich im Mittelteil die düsteren Geister der Gegend wieder. Ein Gespensterreigen entspinnt sich um die glücklich Verliebten. Sogar die Arabeske des untergegangenen Schiffers klingt wieder an. Freilich sind die Liebenden nicht ernsthaft in Gefahr: Die Spukgestalten verschwinden, und ihr Duett kehrt unversehrt zurück.

Töne aus der rheinischen Sagenwelt dominieren im Scherzo, „das einen bis in die wildesten Tiefen mit fortreißt“, wie Clara Schumann meinte. Ein lakonisches „Rasch“ setzte Schumann über diesen gespenstischen c-moll-Satz, dessen gewittrig blitzender Hauptteil von zwei Episoden unterbrochen wird: Die erste ist ein lyrisch trauter Gesang in hellem C-Dur, die zweite eine Jagdmusik in kräftigem As-Dur. Ob Schumann hier eine Rittersage aus dem Rheintal vorschwebte?

Rheinischer Frohsinn regiert im Finale, das im strahlenden G-Dur „kräftig, mit Humor“ zu spielen ist. Obwohl spätere Biographen des Meisters diesen Satz für „gequält“ und „ledern“ hielten, offenbart er so viele Facetten des innigen und heiter gelösten Schumann, dass er ein wundervolles Schlusswort zum g-Moll-Trio abgibt.