Quartett Es-Dur für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, op. 47
Werkverzeichnisnummer: 1786
1. Sostenuto assai – Allegro ma no n troppo
2. Scherzo. Molto vivace
3. Andante cantabile
4. Finale. Vivace
ROBERT SCHUMANN komponierte sein einziges Klavierquartett in Es-Dur, op. 47, als letztes größeres Werk in seinem sogenannten “Kammermusikjahr” 1842. Nach den frühen Klavierwerken und dem “Liederjahr” 1841 hatte sich der Komponist bekanntlich im folgenden Jahr intensiv der Kammermusik zugewendet. Auf die drei Streichquartette, op. 41, im Juni und das Klavierquintett, op. 44, im September folgte Ende Oktober das Klavierquartett, das er mit der ihm eigenen Schnelligkeit in nur fünf Wochen entwarf und instrumentierte. Bis zur Uraufführung im Leipziger Gewandhaus mit seiner Frau Clara am Klavier und Ferdinand David an der Geige vergingen freilich noch zwei Jahre intensiver Privataufführungen und Revisionen, an denen auch Felix Mendelssohn maßgeblich beteiligt war.
Die vier Sätze des Klavierquartetts sind in sich und untereinander thematisch eng verwoben: Die langsame Einleitung des Kopfsatzes kehrten im Lauf des Allegro noch zweimal wieder, vor der Durchführung und der Coda. Schumann hat diesen Zug des Satzes von Mozart übernommen (Streichquintett D-Dur, Ouvertüre zur “Zauberflöte”). Das zweite Trio greift dessen Hauptmotiv des Scherzos auf. Am Ende des langsamen Satzes wird die Kontur des Finalthemas vorweggenommen. Auf diese Weise scheinen alle Teile des Werkes zu einem geheimnisvollen Ganzen zu verschmelzen.
Dies zeigt auch die Anlage der einzelnen Sätze. Die unbestimmte, gleichsam träumerische Atmosphäre der langsamen Introduktion wird zu Beginn des Allegro von einem kraftvollen rhythmischen Impuls verdrängt, der aber “sempre con molto sentimento” gespielt werden soll. Die drei auftaktigen Viertel dieses Themas tauchen im folgenden in immer neuer Gestalt auf. Als zweites Thema von eher episodischem Charakter tritt ihnen die Melodie des Chorals “Wer nur den lieben Gott läßt walten”, umspielt von Läufen, gegenüber. Schumann hatte dieses Thema in seinem Heine-Liederkreis op. 24 mit dem Text “Und anfangs wollt’ ich fast verzagen” verwendet, was seinen Sinn auch im Klavierquartett erklären mag. Aus den Läufen des Seiten- und den Vierteln des Hauptthemas setzt sich das Material für die Durchführung zusammen, die nach einer langen Steigerung im Moment der Reprise die äußerste Emphase erreicht. Selten hat Schumann die Möglichkeiten der Sonatenform genialer ausgeschöpft als hier.
Das Scherzo, ein gespenstisches Nachtstück in Moll, wird von zwei Trios unterbrochen, von denen das erste singend und imitatorisch, das zweite zaghaft-tastend angelegt ist. Hier tritt – wie erwähnt – das Scherzo-Thema in skurriler Verkleidung auf.
Höhepunkt des Werkes ist das Andante, das mit einem der schönsten Cellothemen der Romantik anhebt. Seine ausdrucksvollen Vorhalte und melodischen Wendungen erinnern an Schumanns schönste Lieder. In freien Variationen wird das Thema von Violine und Klavier aufgegriffen, dann von einem dezidiert Beethoven’schen Mittelteil abgelöst, bis es in der Bratsche wieder eintritt und am Ende ins Cello zurückwandert. Selig strömt der Gesang dahin, bis sich ganz zum Schluss Neues ankündigt. Es ist – wie sich bald herausstellt – das Thema des Finales, das in dieser geheimnisvollen Coda antizipiert wird. Was hier nur schwebend-ungefähr aufscheint, tritt zu Beginn des Finales als kräftiger Impuls aus drei Staccato-Noten mit folgendem Sechzehntellauf hervor. Es ist der Anstoß zu einem Fugato, das dem Finale zunächst einen “akademischen” Anstrich verleiht, bevor die Musik zu freiem Gesang und einer drängend-romantischen Rondoform übergeht. Gegen Ende wird das Hauptthema zur Apotheose gesteigert.