Sonate für Violine und Klavier, op. 7
Werkverzeichnisnummer: 1762
1. Allegro impetuoso
2. Andante
3. Burlesca
4. Finale. Allegro risoluto
“Begabt, gewandt, und auch sonst nicht viel anders, wie die anderen Stücke von Schulhoff. Wenn er nicht so viel schreiben würde, wäre ich für die Annahme. Aber so?” Zu diesem Ergebnis kam ein Lektor der Universal Edition Wien, als ihm 1927 Erwin Schulhoffs Sonate für Violine und Klavier zur Prüfung vorgelegt wurde. Der Prager Komponist, der als Expressionist begonnen hatte und sich über Neue Wiener Schule und Dadaismus zu einem der meistbeachteten Vertreter der tschechischen Moderne entwickelt hatte, war in seiner chamäleonhaften stilistischen Vielfalt und der Leichtgkeit seines Schaffens nicht nur den Lektoren suspekt. Auch die Kritiker kamen immer wieder zu demselben Ergebnis: Schulhoffs Musik sei zwar handwerklich hervorragend gemacht “der musikalische Inhalt” sei aber “zum großen Teil Klischee”.
Angesichts der aktuellen Schulhoff-Renaissance, die von Gidon Kremers Lockenhaus ausgehend seit 10 Jahren mit wachsendem Erfolg stattfindet, erscheinen solche Urteile unbegreiflich. Gerade Schulhoffs Kammermusik offenbart in jedem Werk von neuem eine unverwechselbare Identität. Von großen Geistern der Epoche wie Thomas Mann, Béla Bartók oder Paul Hindemith wurde dies rückhaltslos anerkannt, und auch das heutige Publikum entdeckt in Schulhoff einen vergessenen Komponisten von kraftvoller Eigenart. Aufführungen seiner Werke in den Villa Musica-Konzerten dieser Saison konnten dies bestätigen, was freilich kontroverse Diskussionen um andere Werke nicht ausschließt, wie die szenische Uraufführung seiner Don Juan-Oper Flammen vor wenigen Tagen in der Leipziger Oper zeigte. Die Schulhoff-Renaissance ist in diesem Sinne weit mehr als die postume Wiedergutmachung an einem verfolgten Komponisten, den die Nazis als sowjetischen Staatsbürger und Juden in der Festung Wülzburg in Bayern inhaftierten und so in den sicheren Tod schickten; sie ist ein Stück lebendigen Musiklebens, das zu den spannendsten Entdeckungen des letzten Jahrzehnts gehört.
Nach schrillen Bekenntnissen zum Dadaismus und Wutausbrüchen gegen die “verbürgerte Sorte der expressionistischen Verwesungstype” glättete sich Schulhoffs Temperament um die Mitte der 20er Jahre. Er kehrte zu den klassischen Formen der Kammermusik zurück, zu Streichquartett, Trio und Violinsonate, was ihm auf den Festivals der IGNM (Internatinale Gesellschaft für Neue Musik) wachsende Anerkennung einbrachte. So waren nicht alle Kritiken nach der Uraufführung der Violinsonate beim IGNM-Fest 1929 in Genf so negativ wie die der Vossischen Zeitung, die die Sonate “in ihrer Phrasenhaftigkeit kein gerade erfreuliches Werk” nannte. Der berühmte Musikwissenschaftler und Mozart-Forscher Alfred Einstein dagegen bezeichnete sie im Berliner Tageblatt als “ein Werk, das man nur mit höchster Anerkennung nennen kann, …. nur daß zum Sonatenmäßigen noch die Brillanz, etwas Zigeunerhaftes, tritt; Schulhoff hat etwas so Ausgeglichenes, Sicheres, bei aller Festigkeit Persönliches noch kaum geschrieben.” Dieser Tenor herrschte in der internationalen Beurteilung vor, wobei Karl Holl in der Frankfurter Zeitung die treffendste Chakateristik des Werkes gelang: “ein Stück Präzisionsarbeit, von großem vuirtuosem Schwung und todsicherer Form; motorisch à la Strawinsy, homophon und polytonal; mit primitiv exotischem und burleskem Einschlag.”
Auffällig ist die traditionelle viersätzige Form mit schnellen Ecksätzen, Andante und Scherzo bzw. Burlesca. Schulhoff wollte offensichtlich Formexperimente in dieser seit Mozart und Beethoven klassischen Gattung vermeiden, worin sich seine Sonate stark von den beiden Violinsonaten Bartóks unterscheidet. Im Stil der Sätze finden sich jedoch neben den schon erwähnten Eigenarten eine ähnliche volkstümliche Motorik wie bei Bartók und – im 2. Satz – eine ähnliche rhapsodische Erzählweise. Die enormenSchwierigkeiten der Geigenstimme hatte Schulhoff übrigens gemeinsam mit Richard Zika, seinem geigenpartner bei der Uraufführung, minutiös ausgearbeitet.