"Divertissement" | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Erwin Schulhoff

"Divertissement"

„Divertissement“ für Oboe, Klarinette und Fagott (1927)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1757

Satzbezeichnungen

1. Ouvertüre. Allegro con moto

2. Burlesca. Allegro molto

3. Romanzero. Andantino

4. Charleston. Allegro

5. Tema con variazioni e fugato. Andante

6. Florida. Allegretto

7. Rondino. Finale. Molto allegro con fuoco

Erläuterungen

Nicht nur wegen seines tragischen Endes im Konzentrationslager muten Leben und Werk des Prager Komponisten Schulhoff wie ein Spiegel der Zeitgeschichte an – vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zur Nazi-Diktatur. Der überzeugte Modernist lebte alle Zeitströmungen bis zum Exzess aus, die die brodelnden 20er und 30er Jahren anzubieten hatten: Dadaismus und Wiener Schule, Jazz und modernen Folklorismus, schließlich auch die Musik der Arbeiterbewegung und des ideologischen Kommunismus, der Schulhoff zur Vertonung des Kommunistische Manifests anregte!

Seine bedeutendsten Kammermusiken schuf er in der Mitte der 1920er Jahre. Gerade in ihnen spiegeln sich die Zeitströmungen unmissverständlich wider. Das Divertissement für Oboe, Klarinette und Fagott, Ende März 1927 vollendet und im April in Paris uraufgeführt, ist ein typisches Produkt der goldenen Zwanziger, enthält es doch einen Charleston und manches andere, was vom Geist und den Sehnsüchten der Zeit zeugt. In seiner Mischung aus herben Dissonanzen, freier Tonalität, neobarocker Rhythmik und einer frech-frivolen Charakterisierungskunst ist es dem frühen Hindemith verwandt, dessen Niveau hier keineswegs unterschritten wird. Die Nähe zum Puls der Zeit kann man an Vielem ablesen: an der unverkrampften Verschmelzung von U- und E-Musik, am ironischen Seitenhieb auf die Amerika-Sehnsucht der Zeit (Florida), am Spott auf die Sentimentalität der Epoche, der auf Heines Begriff Romanzero zurückgreift. Der Bläsersatz ist überaus fein und wirkungsvoll gearbeitet, manchmal auch grell, ja fast schrill. Der Tscheche Schulhoff ließ sich hier von der Nonchalance französischer Bläsermusik des Neoklassizismus inspirieren, die er in Paris kennenlernte.

2005
ERWIN SCHULHOFF
Divertissement für Bläsertrio

Schlägt man in Reiseführern der Nachkriegszeit unter „Wülzburg“ nach, so findet man zwar bewundernde Beschreibungen der barocken Festungsanlage, aber keinen Hinweis darauf, dass die Nazis in der Festung oberhalb der Stadt Weißenburg in Mittelfranken Tausende von Juden internierten. Wülzburg war das Sammelzentrum für tschechische und polnische Juden, die zugleich Staatsbürger anderer Nationen waren. Hier wurde 1941 auch der tschechische Komponist Erwin Schulhoff interniert, seit den 30er Jahren sowjetischer Staatsbürger und überzeugter Kommunist. Aus einem Bericht des russischen Mitgefangenen Lew Bereskin geht hervor, wie Schulhoff im Lager lebte. Er war von der Arbeitspflicht befreit, hatte aber genauso wie alle anderen unter den Schikanen des Lagerkommandanten und besonders eines Unteroffiziers zu leiden. Zu den „guten Deutschen“ im Lager gehörten der Vizekommandant, der besonders die Lebensbedingungen der inhaftierten Intellektuellen zu verbessern versuchte, und der Krankenpfleger Prokopec, der über seine Station Leben zu retten versuchte, so gut es ging. Erwin Schulhoffs Tod an Hals- und Lungentuberkulose am 28. August 1942 konnte er nicht verhindern.
Nicht nur wegen seines tragischen Endes mutet das Leben des Prager Komponisten wie ein Spiegel der Zeitgeschichte an. Der überzeugte Modernist lebte alle Zeitströmungen aus: Dadaismus und Wiener Schule, Jazz und modernen Folklorismus, schließlich auch die Musik der Arbeiterbewegung und des ideologischen Kommunismus, der Schulhoff zur Vertonung des Kommunistische Manifests anregte!

Seine bedeutendsten Kammermusiken schuf er in den 1920er Jahren. Das Divertissement für Oboe, Klarinette und Fagott, Ende März 1927 vollendet und im April in Paris uraufgeführt, ist ein typisches Produkt der „Goldenen Zwanziger“, enthält es doch einen Charleston und manches andere, was vom Geist und den Sehnsüchten der Zeit zeugt. In seiner Mischung aus herben Dissonanzen, freier Tonalität, neobarocker Rhythmik und einer frech-frivolen Charakterisierungskunst ist es dem frühen Hindemith verwandt, dessen Niveau hier keineswegs unterschritten wird. Die Nähe zum Puls der Zeit kann man an Vielem ablesen: an der unverkrampften Verschmelzung von U- und E-Musik, am ironischen Seitenhieb auf die Amerika-Sehnsucht der Zeit (Florida), am Spott auf die Sentimentalität der Epoche, der auf Heinrich Heines Begriff Romanzero zurückgreift.