Streichquartett F-Dur, op. 59,1 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ludwig van Beethoven

Streichquartett F-Dur, op. 59,1

Quartett F-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 59,1

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 177

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Allegretto vivace sempre scherzando

3. Adagio molto e mesto

4. Theme Russe. Allegro

Erläuterungen

„Flickwerk eines Wahnsinnigen“ nannten die Zeitgenossen Beethovens Streichquartette op. 59 nach dem ersten Hören oder Durchspielen. Von der irritierenden Wirkung, die diese Werke auf das damalige Publikum machten, haben wir keine Vorstellungen mehr, da sie uns als klassischer Höhepunkt der Quartettliteratur erscheinen. Zu Beethovens Zeit war man gleichermaßen belustigt und abgestoßen, fand es „schade um das Geld“ oder glaubten an einen Scherz. Als der Cellovirtuose Bernhard Romberg anfing, das Scherzo aus dem F-Dur-Quartett Opus 59 Nr. 1 vom Blatt zu spielen, stand er wütend auf, warf die Cellostimme auf den Boden und trat sie mit Füßen. Der Satz beginnt bekanntlich mit einem Cellosolo auf einem einzigen Ton, einer Art musikalischem „Morsezeichen“. Diese Abstraktion auf den puren Rhythmus war den melodiesüchtigen Zeitgenossen nicht verständlich und für einen gestandenen Virtuosen schlicht unter seiner Würde.

Ein anderer Virtuose, der Geiger Ignaz Schuppanzigh, hatte die Enstehung dieses Quartetts und seiner Schwesterwerke gewissermaßen provoziert: 1806 gründete er das erste stehende Streichquartett der Donaumetropole mit dem Geiger Mayseder, dem Bratschisten Schreiber und dem Cellisten Anton Kraft. Für dieses professionelle Ensemble und für den öffentlichen Konzertsaal statt für die „Kammer“ eines Fürsten oder reichen Kaufmanns komponierte Beethoven 1806 die drei Quartette seines Opus 59. Sie erschienen zwei Jahre später mit der Widmung an den russischen Grafen Rasumowsky, dem Beethoven auch durch die Verwendung mancher russischen Themen in den Quartetten huldigte.

Das Neue dieser Werke lag in der Ausdehnung von Form und Klang. Den vier Musikern des Streichquartetts wurden Sätze von einer Länge und einer Dichte der Klangereignisse zugemutet, wie sie sonst nur ein Sinfonieorchester zu bewältigen hatte. Das F-Dur-Quartett ist in dieser Hinsicht das Gegenstück zu Beethovens 5. und 6. Sinfonie, die in der gleichen Zeit entstanden. Es verbindet die Tonart der „Pastoralen“ mit dem formalen Anspruch der „Schicksalssinfonie“ zu einem in jeder Hinsicht großartigen Werk.

Gleich das Hauptthema des ersten Satzes umreißt den neuen Anspruch: ein Cellothema, das sich melodisch frei und mit langem Atem über der Begleitung der übrigen Stimmen entfaltet. Die eigenartige Synthese aus lyrisch-pastoraler Melodie und drängendem Duktus bleibt in dem ganzen, sinfonisch auf 400 Takte gedehnten Satz erhalten.

„Sempre scherzando“ ist der zweite Satz zu verstehen, eine Anweisung, die der wütende Cellist Romberg offenbar überlas. Das Cellosolo auf einem Ton legt zu Beginn den Rhythmus des Satzes fest, den die zweite Geige erst danach melodisch definiert. Allmählich gewinnen auch die Dynamik – zu beginn „Pianissimo“ – und der Klang konkretere Gestalt. Was folgt, ist ein Vexierspiel aus den scherzenden Motiven des Anfangs, ein atemberaubendes Meisterstück motivischer Arbeit.

Höhepunkt des Quartetts ist der langsame Satz, das „Adagio molto e mesto“ in f-Moll. Die klagende Figur der ersten Geige zu Beginn wurde für die Romantik zum Topos der Elegie in der Streicherkammermusik – bis hin zu Mendelssohn und Brahms. Die Klage entfaltet sich in immer weiteren Kreisen, der Satz dünnt bis zur Zweistimmigkeit aus, ein Gegenthema in Dur kann sich nur leise behaupten.

Das Finale hat Beethoven aus einem „russischen Thema“ heraus entworfen, eine Huldigung an den Widmungsträger, Graf Rasumowsky. Der russische Tanz eröffnet ein quicklebendiges, in Teilen kämpferisches Sonatenrondo.