Sonate a-Moll, D 385, op. posth. 137,2 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Franz Schubert

Sonate a-Moll, D 385, op. posth. 137,2

Sonate a-Moll für Violine und Klavier, D 385, op. posth. 137,2

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1741

Satzbezeichnungen

1. Allegro moderato

2. Andante

3. Menuetto. Allegro – Trio

4. Allegro

Erläuterungen

Im März und April 1816 komponierte der damals 19jährige Franz Schubert drei Sonaten in D, a und g für Violine und Klavier. Die viersätzige Form der beiden Mollsonaten und die Ausdehnung der Sätze rechtfertigen den Originaltitel Sonaten viel eher als den heute gebräuchlichen Sonatinen, der auf die Erstausgabe von Diabelli aus dem Jahre 1836 zurückgeht. Der Wiener Verleger bezeichnete die drei Stücke wohl deshalb so, weil sie in ihren Formen eher den Violinsonaten Mozarts als der Grande Sonate der Nach-Beethoven-Ära verpflichtet sind. Ein Zusätzliches tat die Verwendung der Stücke in Unterricht und Hausmusik. Seitdem gelten sie nicht mehr als Musik für den Konzertsaal, obwohl sie – neben der späteren Violinsonate A-Dur, D 574 – Schuberts einziger Beitrag zur Gattung sind.

Ihre Entstehung fällt in eine Zeit wachsenden Selbstbewußtseins des jungen Komponisten – er schrieb damals sein bedeutendes Stabat mater und seine 4. Symphonie und bereitete die Entsendung des ersten Liederheftes an Goethe vor. Dieser wachsende Anspruch scheint sich in der Anlage und im Ausdruck der Sonaten widerzuspiegeln. So traf Schubert im Kopfsatz der a-Moll-Sonate erstmals jenen unverwechselbaren Ton tiefer Melancholie, wie er auch seine drei Klaviersonaten und sein Streichquartett in dieser Tonart auszeichnet. Dem liedhaften Hauptthema tritt ein Seitenthema gegenüber, das in jedem Spätwerk des Komponisten stehen könnte. Die Entwicklung des Satzes beruht dabei eher auf harmonischen und rhythmischen Veränderungen der Themen als auf motivisch-thematischer Arbeit. Das Andante geht in harmonischer Hinsicht noch weiter, nicht nur durch die auffallenden “Molleinbrüche” im zweiten Thema, sondern auch durch die Versetzung der Themen von F und B nach As und Des. Das Menuetto ist eigentlich ein Scherzo im Stile Beethovens, während das Rondo in Form und Technik an die Finalsätze in Mozarts mittleren Sonaten (e-Moll-Sonate) anknüpft.

FRANZ SCHUBERT war ein gut ausgebildeter Geiger. Dies beweisen seine Schulzeugnisse am k. k. Stadtkonvikt in Wien, wo er auch als Konzertmeister des Orchesters fungierte. Seine frühen Werke für Violine und Klavier – drei Sonaten aus dem Jahre 1816 und eine einzelne Sonate von 1817 – hat er zum Eigengebrauch geschrieben, aber auch, um in die Fußstapfen der Sonatenzyklen Mozarts und Beethovens zu treten. Jede der drei im März und April 1816 komponierten Sonaten nannte der 19jährige Komponist selbstbewußt “Sonate pour le Pianoforte et Violon” und numerierte sie von I bis III durch, was den formalen Anspruch und die zyklische Einheit bestätigt. Erst der Verlag Diabelli gab sie fälschlich als “Sonatinen” heraus, um den Käufern anzuzeigen, daß es sich nicht um “Grandes Sonates” im damaligen Sinne, sondern um kürzere und leichtere Stücke handele. Mit Unterrichtsliteratur haben die Werke nichts zu tun.
Stilistisch handelt es sich um Huldigungen an Mozart. Nicht nur die Melodik mutet oft mozartisch an – bis hin zu regelrechten Zitaten wie etwa im Andante der a-Moll-Sonate, das an das Menuett aus Mozarts Violinsonate KV 377 anknüpft. Auch das ausgewogene Verhältnis zwischen beiden Instrumenten, die kantable Führung der Violine und der durchsichtige Klaviersatz distanzieren sich von jeder virtuosen Attitüde und orientieren sich an jenem vollendeten Dialog zwischen “Pianoforte et Violon”, wie ihn Mozart in seinen Sonaten verwirklicht hatte. Dabei ist jedoch die a-Moll-Sonate stärker als die beiden Schwesterwerke von romantischem Geist durchdrungen.
Das Hauptthema des Kopfsatzes besteht aus einem langen, spannungsvollen Melodiebogen der Violine über nachschlagenden Klavierakkorden. Rhythmisches Profil und motivische Arbeit, die die Sonaten der Klassiker prägen, spielen hier keine Rolle mehr, sondern die subtilen Schattierungen bzw. krassen Stimmungsumschwünge, die durch die Harmonik und Dynamik erzielt werden. Die Durchführung führt das Modell des Hauptthemas bruchlos fort und moduliert dabei bis nach fis-Moll, das sich auf wundersame Weise nach d-Moll, in die Tonart der Reprise, auflöst. Das Andante in F-Dur zeigt bereits jene fünfteilige Form, die für Schuberts späte langsame Sätze typisch werden sollte: ein idyllisches Thema wechselt zweimal mit einem stark modulierenden Zwischensatz ab; in der Mitte wird das Thema in eine fremde Tonart (nach As) versetzt und variiert. Schubert hat das von Mozart inspirierte Thema übrigens auch in seinem Requiem-Fragment, D 453, für das Te decet hymnus verwendet. Um die Sonate zur Viersätzigkeit zu erweitern, schrieb er ein “Menuetto”, dessen kraftvolles d-Moll-Thema aber keinerlei Beziehung zum klassischen Menuett mehr erkennen läßt. Das Thema des Finalrondos weist in seinem schwebenden Duktus schon auf spätere a-Moll-Rondothemen Schuberts voraus (in den Klaviersonaten D 784 und D 845). Schuberts Bruder Ferdinand hat übrigens den zweiten bis vierten Satz dieser Sonate mit Billigung des Komponisten für Orchester bearbeitet.

17.11.2001:
Franz Schubert war schon ein arrivierter Komponist, als er mit 17 das K. K. Stadtkonvikt, eines der kaiserlichen Internate zu Wien, verließ. Sinfonien und Streichquartette, Messen und Lieder, Klaviersonaten und Ouvertüren standen damals schon in seinem Werkverzeichnis. Da er überdies ein tüchtiger Geiger war, konnte ein Beitrag zum Wiener Genre der Violinsonate über kurz oder lang nicht ausbleiben. Im März und April 1816 komponierte der 19-Jährige drei Sonaten in D, a und g für Klavier und Violine. Ihren heute gebräuchlichen Titel Sonatinen erhielten sie erst von dem Wiener Verleger Diabelli, als er die drei Werke acht Jahre nach Schuberts Tod 1836 herausgab. Damals, 20 Jahre nach ihrer Entstehung, mussten sie aufgrund ihrer Kürze und ihrer überschaubaren technischen Anforderungen als “Sonatinen” gelten, da sich im Genre der Violinsonate mittlerweile die Grande Sonate, die Virtuosensonate im Stile der Kreutzersonate, durchgesetzt hatte. Als Sonatinen für Hausmusik und Unterricht gelten sie bis heute und sind leider weitgehend aus dem Konzertsaal verschwunden, was angesichts ihrer so unverwechselbar schubertischen Aura zu bedauern ist.

Ihre Entstehung fiel in eine Zeit privater Rückschläge. Um den Militärdienst war Schubert zwar herumgekommen, da er die erforderliche Mindestgröße von 5 Fuß nicht erreichte, der Dienst als Hilfslehrer in einer Wiener Vorstadtschule entpuppte sich jedoch als unerträgliche Frohn. Ablenkung verschafften dem jungen Komponisten seine Werke, etwa das Stabat mater, die 4. Symphonie und das erste Goethe-Liederheft, die parallel zur a-Moll-Violinsonate entstanden. Jene Werke haben im liedhaften Duktus und im Ton einer spezifisch schubertischen Innerlichkeit auf die Violinsonaten eingewirkt. So wirkt das Hauptthema des ersten Satzes der a-Moll-Sonate unmittelbar liedhaft; ihm tritt ein Seitenthema gegenüber, das in jedem Spätwerk des Komponisten stehen könnte. Die Entwicklung des Satzes beruht eher auf wechselnder harmonischer und rhythmischer Beleuchtung der Themen denn auf motivischer Arbeit. Das Andante geht in harmonischer Hinsicht noch weiter, nicht nur durch “Molleinbrüche” im zweiten Thema, sondern auch durch die Versetzung der Themen nach As und Des. Das Menuetto ist eigentlich ein Scherzo im Stile Beethovens, während das Rondo in Form und Technik an die Finalsätze in Mozarts mittleren Sonaten, etwa der e-Moll-Sonate, anknüpft.