Streichquartett a-Moll, D 804, op. 29 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Franz Schubert

Streichquartett a-Moll, D 804, op. 29

Quartett Nr .13 a-Moll für zwei Violinen, Viola und Violoncello, D 804, op. 29, “Rosamunde”

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1720

Satzbezeichnungen

1. Allegro ma non troppo

2. Andante

3. Menuetto. Allegretto

4. Allegro moderato

Erläuterungen

IM JAHRE 1824 riet der mittlerweile 27jährige Schubert seinem Bruder Ferdinand fürs Quartettspiel von seinen eigenen Frühwerken in diesem Genre ab: “… besser wird es seyn, wenn Ihr Euch an andere Quartetten als die meinigen haltet, denn es ist nichts daran”.
Der gereifte Komponist hatte die Auseinandersetzung mit dem Streichquartett unter veränderten Voraussetzungen wieder aufgenommen. Er schrieb seine Quartette nun für Ignaz Schuppanzigh, den großen Wiener Primarius, dessen Quartett sich 1824 neu formiert hatte. Darüberhinaus wollte sich Schubert nach eigenem Bekenntnis mit den drei im Februar 1824 begonnenen Quartetten “den Weg zur großen Symphonie” bahnen.
Diese Äußerung deutet auf den hohen inhaltlichen und formalen Anspruch hin, den er mit dem Genre nun verband. In der Tat sind seine drei letzten Quartette in ihren orchestralen Klangballungen, ihren monumentalen Proportionen und ihren extremen Kontrasten kammermusikalische Gegenstücke zur großen Symphonie.

Schuberts Absicht war es, durch Schuppanzighs Protektion mit diesen Quartetten endlich auch als Instrumentalkomponist in Wien Fuß zu fassen. Der Plan schien mit dem ersten Quartett in a-Moll, D 804, zu gelingen. Es wurde im März 1824 vom Schuppanzigh-Quartett im damaligen Saal des Wiener Musikvereins uraufgeführt. Die Kritik fand, es sei “als Erstgeburt nicht zu verachten”, und der Verlag Sauer & Leidesdorf nahm es als Nr. 1 eines Bandes von Trois Quatuors Oeuvre 29 ins Programm. Daß dieser erste Schritt dann doch nicht zum gewünschten Erfolg führte, lag weniger an der Komplexität des Werkes als an einem grundlegenden Wandel des Wiener Musiklebens: die Epoche der Salonmusik war angebrochen, und Scharen dilletierender Pianisten stürzten sich auf Salonpiècen, während anspruchsvolle Kammermusik liegen blieb.
Nach Schuberts eigenem Bericht kaufte “bei Leidesdorf kein Mensch etwas, weder meinige noch andere Sachen außer miserable Mode-Ware”. Auch im Konzertleben setzte man eher auf reisende Virtuosen denn auf einheimische Ensembles, wodurch das Streichquartett in Wien in eine Jahrzehnte anhaltende Krise geriet. Dies erklärt, warum Nr. 2 und 3 von Schuberts Opus 29 nicht mehr erschienen. Die beiden 1826 fertiggestellten Quartette in d und G erlebten erst 1848 bzw. 1850 ihre öffentlichten Erstaufführungen in Wien. Dies geschah durch das Hellmesberger-Quartett in einer Zeit, als der Nimbus der Gattung wiederhergestellt war und der Instrumentalkomponist Schubert allmählich in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rückte.

Zurück zum 14. März 1824. Moritz von Schwind, der mit Schubert eng befreundete Maler, hat die Uraufführung des a-Moll-Quartetts einem anderen Schubertianer – Franz von Schober – folgendermaßen beschrieben: “Das Quartett von Schubert wurde aufgeführt, nach seiner Meinung etwas langsam, aber sehr rein und zart. Es ist im ganzen sehr weich, aber von der Art, daß einem Melodie bleibt wie von Liedern, ganz Empfindung und ganz ausgesprochen. Es erhielt viel Beifall, besonders der Menuett, der außerordentlich zart und natürlich ist…”

Schwinds Eindruck, so naiv er erscheinen mag, trifft doch eine wesentliche Seite des Werkes: das Liedhafte als Prinzip. Die Themen aller vier Sätze suggerieren das Vertraute und Eingängige des Liedes, seine direkte, nicht durch Kunst verstellte Emotion. Im zweiten und dritten Satz hat Schubert dafür auf vorhandene Liedmelodien zurückgegriffen: im Andante auf die berühmte Schauspielmusik zu Rosamunde; im Menuett auf sein Schillerlied Götter Griechenlands. Besonders das melancholisch gebrochene Weltbild dieses Liedes – die Rückschau auf eine verlorene “Schöne Zeit” – hatte für Schubert Bekenntnischarakter; man darf es als Motto des gesamten Quartetts verstehen.

Musikalisch führt das Werk zwei Konflikte aus: die Gegensätze zwischen Dur und Moll einerseits, Lied und Kontrapunkt andererseits. Schon innerhalb des weit ausgesponnenen Hauptthemas des ersten Satzes wird der Wechsel von Dur nach Moll zum Spannungsmoment; später erscheint er reduziert auf seinen abstraktesten Kern: den Wechsel zwischen gebrochenen einstimmigen Dur- und Moll-Dreiklängen. Das Liedhafte und das Kontrapunktische lösen einander in dem Satz beständig ab. In der Durchführung steuert dieser Konflikt auf eine erschütterende Klimax zu, bricht dann aber unaufgelöst ab – eine für Schubert typische Verweigerung eindeutiger Lösungen. Bis in den letzten Takt des Satzes hinein bleiben die Gegensätze bestehen.

Der zweite Satz nimmt dank des Rosamunde-Themas den Charakter einer Idylle an, die das Biedermeierliche streifte, wenn Schubert nicht durch eigenwillige Akzente und harmonische Ausweichungen die vordergründige Ruhe in Frage stellte. In einer plötzlich hereinbrechenden Durchführungsepisode wird das Bild kraß aufgerissen. Musikalische und emotionale Spannung werden hier in einer für Schubert typischen Weise auf wenige Takte zusammengedrängt, um sich anschließend wundersam in die Klangflächen des zweiten Themas aufzulösen.

Der dritte Satz ist kein Menuett mehr, wie seine Überschrift besagt, sondern ein “Moment musical”, in dem Motive aus dem Volkstanz – Ländler bzw. Walzer – den Charakter sehnsüchtiger Zitate annehmen. In ähnlicher Weise wird der Schein des Volkstümlichen im Rondofinale in Frage gestellt. Zwei tänzerische Volksliedthemen, von denen das zweite auch von Dvorak stammen könnte, werden nach und nach durch Motivabspaltung, Generalpausen und unruhige Violinfiguren konterkariert.

Diese romantische Brechung macht, abgesehen von den rein musikalischen Qualitäten, das Besondere an Schuberts späten Quartetten aus