Oktett F-Dur, D 72 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Franz Schubert

Oktett F-Dur, D 72

Oktett F-Dur für zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte und zwei Hörner, D 72

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1718

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Andante (D990A)

3. Menuett – Trio I/II

4. Allegro

Erläuterungen

Franz Schubert hat zwei Oktette geschrieben: eines für je zwei Oboen, Klarinetten, Hörner und Fagotte im Jahre 1813, also im Alter von 16 Jahren, und das berühmte Oktett für Klarinette, Horn, Fagott und Streicher von 1824. Dass beide in F-Dur stehen, ist ebenso zufällig wie die Ähnlichkeit des Namens. Schubert hat sein Bläser-oktett sicher Parthia genannt, wie man üblicherweise eine Harmoniemusik bezeichnete, doch da die ersten Seiten des Manuskripts verlorengingen, kennen wir den authentischen Titel nicht.

Der Klang von Bläseroktetten bevölkerte die Donaumetropole seit den Tagen Mozarts. Die hohen Herren des Adels gönnten sich ihn zur Tafel oder zu abendlichen Vergnügungen, der einfache Mann auf der Straße benutzte die allenthalben aufspielenden Oktette als Informationsquelle über neue Opernschlager. Als der Gymnasiast Franz Schubert am k. k. Stadtkonvikt zu Wien im August 1813 ein solches Oktett in Angriff nahm, war jene Tradition der Mozartzeit noch lebendig – Harmoniemusik war eine höfische Angelegenheit, was man der humoristischen Nachschrift entnehmen kann, mit der Schubert sein Opusculum versah: „welches gecomponiret hat Franzo: Schubert Kaplmaster der kais. chinesischen Hofkapppehle zu Nanking, der weltberühmten Residenz von Sr. Chinesischen Mayestät. Geschrieben zu Wien in an Datum, das i nit waß, in an Jahr, das an 3 am End hat, u. an Anser (1) am Anfang, u. nachher an Ochter u. wieder an Anser: Heißet also: 1813.“

Die Nachschrift beweist erstens, dass Schubert trotz höherer Bildung auch den Wiener Dialekt nicht verschmähte, zweitens, dass der Pennäler im welthistorischen Völkerschlacht-Jahr 1813 auch den simplen Schulwitz nicht vergaß und drittens, dass er sein Werk fertig „gecomponiret“ hat. Vollständig auf uns gekommen sind aber nur der dritte und vierte Satz. Vom Kopfsatz enthält das Manuskript lediglich die letzten 100 Takte, denen ebenso viele vorausgegangen sein müssen. Vom Adagio fehlt jede Spur.

In unserem Konzert erklingen die erhaltenen beiden Sätze und eine Rekonstruktion des Kopfsatzes. Dessen Fragment beginnt glücklicherweise gegen Ende der Durchführung, wo über f-Moll- und c-Moll-Akkorde die Reprise des Hauptthemas in F-Dur erreicht wird. Daran schließen sich Überleitung und zweites, gesangliches Thema der Klarinette sowie die Schlussgruppe an. Mit diesem Material und der Sonatenform der Klassik ist die erste Hälfte relativ leicht zu rekonstruieren. Die beiden vollständig erhaltenen Sätze sind ein harmonisch recht kühnes Menuett mit zwei Trios (eines für die hohen, eines für die tiefen Bläser) sowie ein Finale von fast 300 Takten, das in den gekonnten Instrumentationseffekten und im vitalen Tonfall Schuberts frühe Sinfonien vorwegnimmt. (Seine „Erste“ entstand nur zwei Monate später.)