Quartett C-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 59,3
Werkverzeichnisnummer: 174
1. Introduzione. Andante con moto – Allegro vivace
2. Andante con moto quasi Allegretto
3. Menuetto. Grazioso – Trio (attacca subito:)
4. Allegro molto
2003
LUDWIG VAN BEETHOVEN
Quartett C-Dur, op. 59,3
Österreich kann mit Fug und Recht den Anspruch erheben, als Mutterland des Streichquartetts zu gelten, zum einen wegen der von Haydn initiierten „Erfindung“ der Gattung, zum anderen wegen ihrer festen Verankerung im Konzertbetrieb, die spätestens Anfang des 19. Jahrhunderts mit dem Auftreten des Schuppanzigh-Quartetts begann. Für dieses professionelle Ensemble und für den öffentlichen Konzertsaal statt der fürstlichen „Kammer“ komponierte Beethoven 1806 die drei Quartette seines Opus 59. Sie erschienen zwei Jahre später mit der Widmung an den Grafen Rasumowsky im Druck und werden daher auch Rasumowsky-Quartette genannt
Das Neue dieser Werke lag in der quasi-sinfonischen Ausdehnung von Form und Klanc, des Streichquartetts. Beides zielte darauf ab, die Grenzen der intimen Kammermusik zu sprengen, in denen das Streichquartett bis dahin befangen war, und die Gattung in eine Musik für den Konzertsaal zu verwandeln. Von Musikern und Publikum wurde diese Absicht Beethovens zunächst nicht verstanden. Der Cellist Romberg trat die Cellostimme des ersten Quartetts mit Füßen, das Publikum reagierte ratlos. Erst im Laufe der folgenden Jahrzehnte etablierte sich der Zyklus als gattungsprägendes Vorbild, u. a. für Schubert und Mendelssohn.
Das C-Dur-Quartett ist das kürzeste und zugleich komplexeste der drei. Die Ausweitung des Klangraums, wie sie den gesamten Zyklus kennzeichnet, wird hier selbst zum Thema: Ausgehend von einem verminderten Septakkord in enger Lage entfaltet sich der Klang in der langsamen Einleitung allmählich bis hin zu einem mehr als vier Oktaven umspannenden Akkord, der harmonisch eher c-Moll als C-Dur suggeriert. Wie in der Harmonik so bleibt die Einleitung auch rhythmisch unbestimmt, so dass erst der Auftakt zum Allegro einen rhythmischen Impuls setzt. Dieses Auftakt-Motiv und das folgende wie improvisiert wirkende Solo der ersten Geige sind die wichtigsten Motive des Satzes, denn sie dienen als Material für die Überleitungs- und Durchführungspartien. Die eigentlichen Themen, das an die Leonoren-Ouvertüren erinnernde Haupt- und das kontrapunktisch aufgefächerte Seitenthema, bleiben demgegenüber fast episodisch. In einer für den reifen Beethoven charakteristischen Art tritt die exzessive Verarbeitung der kleinsten Motivbausteine in den Vordergrund.
Schon die Einleitung und das Hauptthema des ersten Satzes kann man als Anspielungen auf Mozart, nämlich auf dessen Dissonanzenquartett, KV 465, verstehen. Ebenso scheint Beethoven zum zweiten Satz seines C-Dur-Quartetts, einem durch Vorhalte gleichsam gestauten 6/8-Andante, vom langsamen Satz des Mozart-Quartetts in Es, KV 428, angeregt worden zu sein. Der Charakter ist freilich ein anderer: Beethoven schrieb hier eine Art Ballade im Volkston, vielleicht inspiriert von russischen Themen, wie er sie nachweislich in den anderen beiden Rasumowsky-Quartetten verarbeitet hat.
Mozartsche Modelle scheinen auch im dritten und vierten Satz durch: Der dritte ist kein Scherzo, sondern ein Menuett mit Trio, der vierte kombiniert auf kunstvolle Weise Sonatensatz und Fuge miteinander und liegt damit auf der gleichen Ebene wie die Finali in Mozarts G-Dur-Quartett und Jupitersinfonie. Das Thema ist hier freilich ein Perpetuum mobile der Bratsche von typisch Beethovenscher, nervöser Energie, das sich über den ganzen Satz ausbreitet und in durchaus virtuoser Manier verarbeitet wird. Konsequenter Höhepunkt des gesamten Werkes ist die zweimalige Klimax auf einem strahlenden C-Dur-Dreiklang, der von der leeren C-Saite des Cellos bis zum viergestrichenen C in der ersten Violine reicht.