Fantasie f-Moll für Klavier zu vier Händen, D 940, op. 103
Werkverzeichnisnummer: 1708
Allegro molto moderato – Largo – Allegro vivace. Trio – Tempo I
Im Mai 1828, ein halbes Jahr vor seinem Tod, spielte Franz Schubert zusammen mit seinem Freund Franz Lachner zum ersten Mal die f-Moll-Fantasie für Klavier zu vier Händen. Einziger Zuhörer war damals der gemeinsame Freund Eduard von Bauernfeld. Zur Veröffentlichung kam das Werk erst vier Monate nach Schuberts Tod, im März 1829. Die Ausgabe war mit einer Widmung an Comtesse Caroline von Esterházy versehen, eine Klavierschülerin des Komponisten, die mit ihm zeitlebens häufig vierhändig gespielt hatte.
Comtesse Caroline war offenbar die zweite große Liebe in Schuberts Leben – nach der Jugendliebe Therese Grob aus Lichtenthal. 1828 bemerkte eben jener Schubertfreund Eduard von Bauernfeld befriedigt: „Schubert scheint ernsthaft in die Comtesse E. verliebt. Mir gefällt das von ihm.“ Dass es sich bei dieser „Comtesse E.“ tatsächlich um Caroline von Esterházy handelte und nicht um ihre ältere Schwester Marie, geht aus den Bauernfelds Erinnerungen hervor. In einer zentralen Passage kam er auf die Doppelnatur Schuberts zu sprechen und dabei auch auf Caroline: „Kam in dem kräftigen und lebenslustigen Schubert, so im geselligen Verkehr wie in der Kunst, der österreichische Charakter bisweilen allzu stürmisch zur Erscheinung, so drängte sich zeitweise ein Dämon der Trauer und Melancholie mit schwarzen Flügeln in seine Nähe – freilich kein völlig böser Geist, da er in dunklen Weihestunden oft die schmerzlich-schönsten Lieder hervorrief. Allein der Kampf zwischen ungestümem Lebensgenuss und rastlos geistigem Schaffen ist immer aufreibend, wenn sich in der Seele kein Gleichgewicht herstellt. Bei unserem Freunde wirkte zum Glück eine ideelle Liebe vermittelnd, versöhnlich, ausgleichend, und man darf Komtesse Caroline als seine sichtbare, wohltätige Muse, als die Leonore dieses musikalischen Tasso betrachten.“
Durch den Vergleich zwischen Schubert und Torquato Tasso spielte Bauernfeld auf den gesellschaftlichen Abstand an, der Comtesse Caroline vom Komponisten trennte: Sie blieb für ihn unerreichbar wie Prinzessin Eleonora d’Este für den Dichter Tasso. Freilich hat Caroline erst 16 Jahre nach Schuberts Tod geheiratet und sich von ihrem zehn Jahre jüngeren, adligen Ehemann nach nur wenigen Monaten wieder scheiden lassen. Gab es doch mehr zwischen den Beiden, als wir ahnen?
1818 war sie im Alter von 13 Jahren in Wien Schuberts Klavierschülerin geworden. Den Sommer desselben Jahres verbrachte er im Landschloss des Grafen Esterházy im damals ungarischen Zseliz (heute in der Slowakei), wo er Caroline und ihre ältere Schwester Marie unterrichtete. Sechs Jahre später kehrte Schubert noch einmal für einen Sommer nach Zseliz zurück. Nun war Caroline 19 Jahre alt, und Schubert wohnte nun nicht mehr im Gesindehaus, sondern im Schloss selbst. Er spielte mit Caroline eifrig „à quatre mains“ und genoss den Aufenthalt in vollen Zügen, wie man seinen Briefen entnehmen kann. Damals fertigte er für die Comtesse eine Abschrift von drei Liedern aus der Schönen Müllerin: Ungeduld, Morgengruß und Des Müllers Blumen – eine Art Liebeserklärung in Tönen.
Die Fantasie f-Moll ist dagegen von tiefer Resignation durchzogen – ein Schlüsselwerk aus Schuberts Todesjahr 1828 wie das a-Moll-Allegro. Obwohl äußerlich einsätzig, ist sie deutlich in vier rudimentäre Sätze untergliedert: ein Allegro molto moderato, ein Largo, ein scherzoartiges Allegro vivace und ein fugiertes Finale. Wie der autographe Entwurf zeigt, entschloss sich Schubert erst nachträglich, das Werk mit einer Fuge zu beenden. Vorbild dafür – wie für die gesamte Anlage – war seine C-Dur-Fantasie für Klavier aus dem Jahre 1822, die so genannte „Wandererfantasie“. Das Scherzo sollte als Trio ursprünglich einen Marsch enthalten.
Vom ersten Ton an verkündet die f-Moll-Fantasie tiefe Trauer und unversöhnlichen Schmerz. Schuberts vorgezeichneter Weg in einen qualvollen Tod überschattet sie – der Winterreise vergleichbar – auf erschütternde Weise. Das immer wiederkehrende Mottothema, zu Beginn vorgestellt, wirkt mit seinen Punktierungen über einem unausgesetzt schreitenden Achtel-Klanggrund wie ein musikalisches Bild für den Wanderer, der mit einem wehmütigen Lied auf den Lippen durch die Einsamkeit zieht. In einer für Schubert typischen Weise beschwört eine Wendung nach F-Dur die Erinnerung an die Jugend herauf, bevor mit dem ersten Forte das tragische Schicksal unerbittlich einbricht. Es wird durch ein Marcato-Motiv verkörpert, das schon hier – unter quasi orchestralen Triolen – imitatorisch durchgeführt wird; am Ende der Fantasie wird es der Fuge als Thema dienen.
Der erste Satz besteht im wesentlichen aus dem zweimaligen Wechsel zwischen diesen Ebenen, wobei das Marcatomotiv am Ende in eine sanfte F-Dur-Melodie verwandelt wird, während das Mottothema durch dauernde Generalpausen bewusst offen bleibt. Erst in den Schlusstakten der Fantasie gelangt es harmonisch zur Ruhe.
Das Largo beginnt durch chromatische Rückung in fis-Moll mit barocken Punktierungen, die am Ende wiederholt werden. Im Fis-Dur-Mittelteil erklingt über Triolenbegleitung eine leicht süßliche Melodie, die im Kanon zwischen Oberstimme und Baß ausgeführt wird. Auch das Scherzo steht in fis, so daß zwischen den f-Moll-Ecksätzen eine eigene Sphäre entsteht – eine Rückblende auf frühere Träume und Kämpfe. Das Trio con delicatezza weicht über D-dur bis nach C-dur und B-Dur aus, das Scherzo selbst nach A-Dur und Fis-Dur. Aus letzterem führt ein enharmonisch verwechseltes Cis zurück zum f-Moll-Hauptthema. Seine Reprise leitet das fugierte Finale ein, das nach einer unerbittlichen Steigerung auf dem Höhepunkt plötzlich abbricht. Das Hauptthema kehrt wieder und wird endlich in f-Moll harmonisch geschlossen, bevor der Marcatorhythmus noch ein letztes Mal anklingt.
Die romantische Klavierliteratur zu vier Händen läßt sich zwanglos in drei Hauptgenres unterteilen: sonatenhafte Großwerke, unterhaltsame Tänze oder Märsche und Transkriptionen von Orchesterwerken. In dem umfangreichen A quatre mains-Werk FRANZ SCHUBERTS dominieren die Tänze und Märsche, aus denen zwei Großwerke herausragen: das sog. Grand Duo, D 812, und die Fantasie f-Moll, D 940. Sie sind – nach der humorvollen Terminologie von Brahms – „gehörige, viersätzige Stücke“, wobei das Gran Duo eine große Sonate darstellt, während die Fantasie, äußerlich ein einsätziges Werk, in vier rudimentäre Sonatensätze untergliedert ist: ein Allegro molto moderato, ein Largo, ein scherzoartiges Allegro vivace und ein fugiertes Finale. Wie der autographe Entwurf zeigt, entschloß sich Schubert erst nachträglich, das Werk mit einer Fuge zu beenden. Vorbild dafür – wie für die gesamte Anlage – war seine Wandererfantasie aus dem Jahre 1822. Das Scherzo sollte als Trio ursprünglich einen Marsch enthalten.
Zwischen Januar und April 1828 komponiert, ist die f-Moll-Fantasie ein Schlüsselwerk aus Schuberts Todesjahr. Sein vorgezeichneter Weg in einen qualvollen Tod überschattet sie – der Winterreise vergleichbar – auf erschütternde Weise. Das immer wiederkehrende Mottothema, zu Beginn vorgestellt, wirkt mit seinen Punktierungen über einem unausgesetzt schreitenden Achtel-Klanggrund wie ein musikalisches Bild für den Wanderer, der mit einem wehmütigen Lied auf den Lippen durch die Einsamkeit zieht. In einer für Schubert typischen Weise beschwört eine Wendung nach F-Dur die Erinnerung an die Jugend herauf, bevor mit dem ersten Forte das tragische Schicksal unerbittlich einbricht. Es wird durch ein Marcatomotiv verkörpert, das schon hier – unter orchestralen Triolen – imitatorisch durchgeführt wird; am Ende der Fantasie wird es der Fuge als Thema dienen.
Der erste Satz besteht im wesentlichen aus dem zweimaligen Wechsel zwischen diesen Ebenen, wobei das Marcatomotiv am Ende in eine sanfte F-Dur-Melodie verwandelt wird, während das Mottothema durch dauernde Generalpausen bewußt offen bleibt – erst in den Schlußtakten der Fantasie gelangt es harmonisch zur Ruhe.
Das Largo beginnt durch chromatische Rückung in fis-Moll mit barocken Punktierungen, die am Ende wiederholt werden. Im Fis-Dur-Mittelteil erklingt über Triolenbegleitung eine leicht süßliche Melodie, die im Kanon zwischen Oberstimme und Baß ausgeführt wird. Auch das Scherzo steht in fis, so daß zwischen den f-Moll-Ecksätzen eine eigene Sphäre entsteht – eine Rückblende auf frühere Träume und Kämpfe. Das Trio con delicatezza weicht über D-dur bis nach C-dur und B-Dur aus, das Scherzo selbst nach A-Dur und Fis-Dur. Aus letzterem führt ein enharmonisch verwechseltes Cis zurück zum f-Moll-Hauptthema. Seine Reprise leitet das fugierte Finale ein, das nach einer unerbittlichen Steigerung auf dem Höhepunkt plötzlich abbricht. Das Hauptthema kehrt wieder und wird endlich in f-Moll harmonisch geschlossen, bevor der Marcatorhythmus noch ein letztes Mal anklingt.
FRANZ SCHUBERT hat eines der umfangreichsten Werke a quatre mains hinterlassen, in dem außer dem ersten Genre der Tänze und Märsche drei Großwerke vertreten sind: das Grand Duo, D, das a-Moll-Allegro, D, und die Fantasie f-Moll, D 940. Alle drei orientieren sich in freier Form an der Klaviersonate: das Gran Duo als Sinfonie zu vier Händen, das Allegro als Sonatensatz und die Fantasie als einsätziges Gebilde, das nach dem Vorbild von Schuberts eigener Wandererfantasie in vier sonatenhafte Sätze aufgeteilt ist: ein Allegro molto moderato, ein Largo, ein scherzoartiges Allegro vivace und ein fugiertes Finale. Komponiert wurde die Fantasie zu Beginn von Schuberts Todesjahr 1828. Wie der autographe Entwurf zeigt, entschloß sich Schubert erst nachträglich, das Werk wie die Wandererfantasie mit einer Fuge zu beenden.
Der tragische Unterton des letzten Schubert ist in der Fantasie nicht zu überhören, ja, Schuberts vorgezeichneter Weg in einen qualvollen Tod überschattet – der Winterreise vergleichbar – alle Abschnitte des Werkes auf erschütternde Weise. Das immer wiederkehrende Mottothema, zu Beginn vorgestellt, wirkt mit seinen Punktierungen über einem unausgesetzt schreitenden Achtel-Klaggrund wie ein weiteres Schubert’sches Bild für den Wanderer, der mit einem wehmütigen Lied auf den Lippen durch die Einsamkeit zieht. In einer für Schubert typischen Weise beschwört eine Wendung nach F-Dur die Erinnerung an die Jugend herauf, bevor mit dem ersten Forte das tragische Schicksal unerbittlich einbricht. Es wird durch ein Marcatomotiv verkörpert, das schon hier – unter orchestralen Triolen – imitatorisch durchgeführt wird; am Ende der Fantasie kehrt es als Thema der Fuge wieder.
Der erste Satz besteht im wesentlichen aus dem zweimaligen Wechsel zwischen diesen Ebenen, wobei das Marcatothema am Ende in eine sanfte F-Dur-Melodie verwandelt wird, während das Mottothema an keiner Stelle mit einem f-Moll-Ganzschluß endet. Die Spannung wird durch dauernde Modulation und Generalpausen aufrechterhalten.
Das Largo beginnt – nach einer chromatischen Rückung – in fis-Moll mit barocken Doppeltpunktierungen; danach setzt über Triolenbegleitung eine leicht süßliche Melodie in Fis-Dur ein, die im Kanon zwischen Oberstimme und Baß ausgeführt wird. Der Satz schließt mit den pathetisch übersteigerten Punktierungen.
Auch das Scherzo verharrt in der fis-Moll-Sphäre, die zwischen den f-Moll-Ecksätzen wie eine Rückblende auf frühere Träume und Kämpfe wirkt. Das Trio con delicatezza weicht über D-dur bis nach C-dur und B-Dur aus, das Scherzo nach A-Dur und Fis-Dur. Aus letzterem führt ein enharmonisch verwechseltes Cis zurück zum f-Moll-Hauptthema. Seine Wiederkehr leitet das fugierte Finale ein, das nach einer unerbittlichen Steigerung auf dem Höhepunkt plötzlich abbricht. Das Hauptthema kehrt wieder und wird endlich in f-Moll harmonisch geschlossen, bevor der Marcatorhythmus noch ein letzes Mal anklingt.
13.08.1994:
Franz Schubert hat ein umfangreiches Klavierwerk à quatre mains hinterlassen, in dem Tänze und Märsche dominieren. Zwei zyklische Werke ragen aus ihnen heraus: das sog. Grand Duo, D 812, und die Fantasie f-Moll, D 940. Sie sind – nach der humorvollen Terminologie von Brahms – „gehörige, viersätzige Stücke“, was bei der Fantasie freilich dadurch verdeckt wird, daß alle Sätze attacca ineinander übergehen. Dennoch ist das Stück, wenn auch rudimentär, in die vier Sätze einer „gehörigen“ Sonate unterteilt: ein Allegro molto moderato, ein Largo, ein scherzoartiges Allegro vivace und ein fugiertes Finale. Wie der autographe Entwurf zeigt, entschloß sich Schubert erst nachträglich, das Werk mit einer Fuge zu beenden. Vorbild dafür – wie für die gesamte Anlage – war seine Wandererfantasie aus dem Jahre 1822. Zwischen Januar und April 1828 komponiert, ist die f-Moll-Fantasie ein Schlüsselwerk aus Schuberts letztem Lebensjahr. Das immer wiederkehrende Mottothema mit seinen Punktierungen über einem schreitenden Klanggrund wirkt wie eines der zahlreichen Schubertschen Bilder für den Wanderer, der durch die Einsamkeit zieht. Eine Wendung nach F-Dur beschwört selige Erinnerung herauf, nur um die Härte des anschließenden Forte umso unerbittlicher erscheinen zu lassen. Das Marcatomotiv dieses Forte kehrt am Ende der Fantasie als Fugenthema wiederkehrt.
Der erste Satz besteht im wesentlichen aus dem zweimaligen Wechsel zwischen diesen Ebenen, wobei das Marcatomotiv zum Schluß in eine sanfte F-Dur-Melodie verwandelt wird, während das Mottothema harmonisch offen bleibt – erst in den Schlußtakten der Fantasie gelangt es zur Ruhe. Das Largo wird zunächst von barocken Punktierungen bestimmt, die im Mittelteil jedoch einer leicht süßlichen Fis-Dur-Melodie weichen. Da auch das Scherzo in fis steht, bilden die Mittelsätze eine eigene Sphäre der Rückerinnerung an frühere Träume und Kämpfe, denen das f-Moll der Ecksätze als Symbol für die Realität gegenübersteht. Solche romantischen Deutungen sind nicht willkürlich, sondern entsprechen der Bilderwelt von Schuberts Gedichten und Tagebüchern. Scherzo und Trio bereichern diese Sphäre durch weite harmonische Ausweichungen, bevor – nach einer enharmonischen Verwechslung – das f-Moll-Motto wiederkehrt und zum fugierten Finale überleitet. Dieses bricht auf dem Höhepunkt plötzlich ab, um noch einmal dem Motto Platz zu machen, das endlich harmonisch geschlossen wird, während das Marcato noch ein letztes Mal anklingt.