Klavierquartett Es-Dur, op. 16 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ludwig van Beethoven

Klavierquartett Es-Dur, op. 16

Quartett Es-Dur für Violine, Viola, Violoncello und Klavier, op. 16

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 172

Satzbezeichnungen

1. Grave – Allegro ma non troppo

2. Andante cantabile

3. Rondo. Allegro ma non troppo

Erläuterungen

Die vier Bläser, mit denen Ludwig van Beethoven 1797 sein Es-Dur-Quintett, op. 16, aus der Taufe hob, waren je zur Hälfte Böhmen und Wiener. Neben dem weithin bekannten Wiener Klarinettenvirtuosen Josef Bär musizierten der aus Böhmen stammende Oboist Josef Triebensee, der Wiener Hornist Nickl und der böhmische Fagottist Matouscheck. Wie Mozart 13 Jahre früher in seinem Quintett KV 452, dem Prototyp aller Quintette für Bläser und Klavier, so profitierte auch Beethoven von dem exorbitanten Niveau der Wiener Bläser, die zum Großteil aus tschechischen Musikern bestanden.

Vieles konnte der junge Beethoven für sein Quintett von Mozart übernehmen: die Tonart, den Gesamtcharakter, die Satzfolge. Die dreisätzige Konzertform deutet auf den konzertanten Charakter des Quintetts hin. Beethoven stellte nach Mozarts Vorbild dem ersten Allegro eine langsame Einleitung voran. Ist diese bei Mozart eher frühromantisch-schwärmerisch im Ton, so kündigt sich bei Beethoven bereits der Sinfoniker an, den nur noch drei Jahre von seiner Ersten Sinfonie trennten. Auch im folgenden Allegro spürt man den neuen Tonfall, den der Virtuose und Komponist Beethoven anschlug. Wo Mozart eine Idealsynthese aus Belcanto, Klavierkonzert und Kammermusik gelang, setzt der junge Beethoven schroffe Akzente: Sforzati, überraschende Modulationen, krasse Dynamikwechsel. Bläser und Klavier treten einander wie die Klanggruppen eines Sinfonieorchesters gegenüber, der Klaviersatz ist raumgreifend und kraftvoll.

Das Andante cantabile zitiert zwar deutlich hörbar die Arie der Zerlina „Batti, batti, o bel Masetto“ aus Mozarts Don Giovanni, geht jedoch in den Episoden zwischen dem Rondeau-Thema eigene Wege. Es handelt sich um zwei solistische Couplets für Oboe bzw. Fagott und Horn. Gegen Ende weitet sich auch hier die Form durch immer dynamischer werdende Verzierungen.

Das Rondo enthält wiederum eine lange Durchführung und eine Coda, in der das Thema auf geniale Weise rhythmisch gedehnt wird. Bei einer späteren Aufführung erlaubte sich Beethoven in diesem Satz einen Scherz mit seinen Bläserkollegen. Der berühmte Solo-Oboist der Münchner Hofkapelle, Friedrich Ramm, war in Wien zu Gast, und Beethoven brachte mit ihm das Quintett zur Aufführung. Im Finale „fing Beethoven auf einmal an zu phantasieren, nahm das Rondo als Thema und unterhielt sich und die andern eine geraume Zeit, was jedoch bei den Begleitenden nicht der Fall war. Diese waren ungehalten und Herr Ramm sogar aufgebracht. Wirklich sah es possierlich aus, wenn diese Herren, die jeden Augenblick warteten, daß wieder angefangen werde, die Instrumente unauffällig an den Mund setzten und dann ganz ruhig wieder abnahmen. Endlich war Beethoven befriedigt und fiel wieder ins Rondo ein. Die ganze Gesellschaft war entzückt.“

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2001
Wir beginnen unsere Begegnungen mit dem jungen Beethoven mit einem Werk, das ohne Mozarts Vorbild nicht entstanden wäre: das Es-Dur-Quintett für Klavier und Bläser von 1796. In Tonart, Besetzung und Aufbau nimmt es unverkennbar auf das zwölf Jahre ältere Mozart-Quintett in Es, KV 452, Bezug. Schon A. W. Thayers Beethoven-Biographie lässt dazu verlauten: „In diesem Werke tritt Beethoven ersichtlich und unmittelbar mit Mozart in Wettstreit, der ein Quintett in ganz gleicher Zusammensetzung, in derselben Tonart und in genau derselben Form – längere Einleitung, erster Satz, langsamer Satz, Rondo – schrieb.“ Diese Übereinstimmungen werden durch melodische Anklänge an Mozart noch unterstrichen, etwa durch die Reminiszenz an Zerlinas Arie Batti, batti, o bel Masetto aus Don Giovanni im Andante. Den Komponisten Carl Reinecke verleitete diese Beobachtung in seinem Buch Meister der Tonkunst (Berlin 1903) zu der Schlussfolgerung:„Wenn der jüngere Meister im Quintett, op. 16 den Mozartschen Spuren mit Bewußtsein folgt, so sucht er dies in keiner Weise zu verbergen, sondern er wählt lauter Motive, welche überall auf populär gewordene Melodien von Mozart hinweisen, gleichsam als wolle er der Welt zeigen, daß er die geistige Erbschaft Mozarts angetreten habe.“

An dieser emphatischen Deutung seien Zweifel erlaubt. Die „geistige Erbschaft Mozarts“ trat Beethoven in Gattungen wie Sinfonie, Streichquartett oder Klaviersonate an. Sein „Quintett auf dem Fortepiano mit 4 blasenden Instrumenten akkompagnirt“, wie es der Programmzettel der Wiener Uraufführung 1797 nannte, entstand aus rein pragmatischen Gründen. Nachdem Mozart auf die Idee gekommen war, das bevorzugte Soloinstrument des „Clavierlands“ Wien mit den vorzüglichen Bläsern der Stadt zu kombinieren, hatte sich ein Markt für Klavier-Bläser-Kammermusik gebildet, der auch Beethoven reizen musste. Vieles verstand sich dabei von selbst: Es-Dur war für konzertierende Bläser mit Horn die Idealtonart, nicht erst seit Mozart, sondern schon seit Johann Christian Bach und früheren Meistern. Die dreisätzige Form ohne Menuett deutet auf den konzertanten Charakter des Quintetts hin. Allenfalls die langsame Einleitung signalisiert bei Beethoven eine formale Anlehnung an Mozart. Im folgenden überwiegen jedoch eher die Unterschiede.
Mozarts erstes Allegro steht im 4/4-Takt, Beethovens im 3/4-Takt, bei Mozart folgt ein Larghetto im 3/8-Takt, bei Beethoven eine Andante-Romanze im 2/4-Takt. Mozarts Rondo ist eine Gavotte, Beethovens ein Jagdfinale. Der jüngere Meister scheint dem großen Vorbild bewusst Eigenes entgegengesetzt zu haben.

Entscheidend ist der neue Ton, den Beethovens Quintett anschlägt. Wo Mozart eine Idealsynthese aus Belcanto und Virtuosität, Cantabile und Konzertieren gelang, setzte der junge Bonner auf schroffe Akzente (Sforzati, überraschende Modulationen, krasse Dynamikwechsel), ließ Bläser und Klavier wie Klanggruppen eines Sinfonieorchesters alternieren und gestaltete den Klaviersatz raumgreifend und kraftvoll.
Ebenso selbstbewusst und eigenständig wirkt die neue Auffassung von Form, die das Quintett verrät. Die thematischen Prozesse sind gegenüber Mozarts Quintett verschärft und gedehnt. Die Grave-Einleitung erhält durch die punktierten Rhythmen und die Staccato-Sechzehntel einen beinahe sinfonischen Anstrich; es handelt sich um eine Vorstudie zur langsamen Einleitung der ersten Sinfonie.
Die Eleganz des folgenden Allegro ma non troppo wird nach der Exposition und in der Coda schroff aufgerissen. Das Andante cantabile ist zwar ein einfaches Rondeau mit zwei Couplets für Oboe bzw. Fagott und Horn, doch gegen Ende weitet sich die Form durch immer weiter ausgreifende Verzierungen. Das Rondo enthält wiederum eine lange Durchführung und eine Coda, in der das Rondothema auf geniale Weise rhythmisch gedehnt wird.

Dass Beethoven dieses Werk nicht nur anspruchsvoll meinte, beweist eine Anekdote in Zusammenhang mit einer Wiener Aufführung, an der Friedrich Ramm, der berühmte Oboist der Münchner Hofkapelle, mitwirkte. Am Ende einer kurzen Kadenz im Finale signalisierte Beethoven mehrmals den Bläsereinsatz, so dass seine Mitspieler die Instrumente schon an den Mund nahmen, worauf er dann aber einfach weiterimprovisierte, während sie die Instrumente wieder verschämt absetzen mussten. Ramm soll dieser Scherz zur Verzweiflung getrieben haben. Uns erinnert er an den etwas bärbeißigen, „rheinischen“ Humor Beethovens, der in Wien so berühmt-berüchtigt war wie später der „hanseatische Humor“ eines Brahms.