Serenade, op. 24 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Arnold Schönberg

Serenade, op. 24

Serenade für Klarinette, Bassklarinette, Mandoline, Gitarre, Violine, Viola, Violoncello und tiefe Männerstimme, op. 24

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1676

Satzbezeichnungen

1. Marsch. Durchaus gleichmäßgies Marschtempo

2. Menuett. Nicht schnell aber gesangvoll Variationen. Andante

3. Tanzszene. Sehr lebhaft

4. Lied (ohne Worte). Adagio

5. Finale. Im Marschtempo des
1. Satzes

Erläuterungen

2001
ARNOLD SCHÖNBERG
Serenade, op. 24

Dass Arnold Schönberg Beethovens Serenade Opus 8 kannte, liegt auf der Hand. Die Form, die er seiner eigenen Serenade von 1923 gab, ist derjenigen bei Beethoven analog. Man findet auch hier sieben Sätze: als Einleitung einen Marsch, der am Ende (variiert) wiederholt wird, ein Menuett und ein Scherzo, Variationen und ein Adagio, im Zentrum das Ständchen, das hier ganz real als Gesangsszene mit Bariton entworfen ist. Soweit die formalen Analogien, die bei Schönberg natürlich keinerlei Zufälligkeit besitzen, sondern auf eine bewusste Anlehnung an den Serenadengeist der Wiener Klassik hindeuten. Was freilich die musikalische Sprache betrifft, könnte der Abstand zur klassischen Klarheit und Dur-Moll-Harmonie Beethovens kaum größer sein. Bei Schönberg entfaltet sich ein Pandämonium nächtlicher Klänge: wild aufdringliche Töne, grotesk durcheinander wirbelnde Stimmen, eine bizarre Dissonanzenfülle. Das erste Hören wird einem in dieser Serenade alles andere als serenadenhaft leicht gemacht. Und doch hörte Stuckenschmidt „einen Zug von Ironie und Schalkhaftigkeit, wie er dem Wesen der klassischen Serenade entspricht“ aus dem Werk heraus.
Es ist eine hoch artifizielle Ironie, eine mit grellen Farben inszenierte Heiterkeit, die an den Pierrot lunaire gemahnt. Der natürlichen Leichtigkeit der klassischen Serenade zwang Schönberg eine expressionistische Ausdruckswelt auf: ungebärdig, fratzenhaft, die Schattenseiten doppelbödig auslotend. Über das Instrumentalensemble aus Streichtrio, zwei Zupfinstrumenten (Mandoline und Gitarre) und zwei Klarinetten (normale und Bassklarinette) breitete er den dicht gewobenen Motivteppich seines damals schon fast zwölftönigen Stils aus. Von den Interpreten verlangte er fast Unmögliches. In der Tanzszene soll sich die Mandoline als Soloinstrument gegen den Klanggrund der Streicher durchsetzen, die Violine muss sich in höchster Lage gegen den Rest des Ensembles behaupten. Wie üblich bezeichnete Schönberg die jeweils zum Hervortreten gedachte „Hauptstimme“, die fast taktweise wechselt. Besonders komplexe klangliche Überlagerungen prägen den einleitenden Marsch, in dem eine Art groteskes, alpenländisches Rufmotiv durch die Stimmen wandert, sowie das Menuett und das Petrarca-Sonett. Eher eingängig wirken manche Passagen in der Tanzszene (Cellosolo über Klanggrund der Streicher) und das Lied (ohne Worte), der kürzeste Satz der Serenade.
Die Serenade entstand in zwei Schritten: An den 1921 entworfenen ersten Satz fügte Schönberg im März und April 1923 die weiteren an. Die Uraufführung erfolgte im April 1924 vor geladenen Gästen in der Wiener Wohnung des Freundes Dr. Schwartzmann. „Mit der Serenade“, so Stuckenschmidt, „meldet sich ein neuer Geist in Schönbergs Musik… Am auffallendsten ist die rhythmische Haltung des Werks, vor allem im ersten und letzten Satz, wo die klare vierschlägige Marsch-Metrik durch gegenrhythmische Kräfte unterbrochen und teilweise aufgehoben wird. Es ist eine Verfahrensweise, die Schönberg in überraschender Nähe Strawinskys zeigt.“

Von den sieben Sätzen ist der einzige, dem eine Zwölftonreihe zugrunde liegt, der zentrale vierte, die Petrarca-Vertonung für Bariton und Ensemble. Die übrigen Sätze sind „in panchromatischem Geist“ (Stuckenschmidt) komponiert. Ihre Themen kommen der Zwölftonmethode teilweise recht nahe. So werden die Variationen des dritten Satzes von der Klarinette solo eröffnet, und zwar mit einem Thema aus 14 Tönen, dessen Nachsatz der Krebs seines Vordersatzes ist. Die große, an Gustav Mahlers Scherzi gemahnende Tanzszene nach dem Sonett bringt als Trio einen zwölftönigen Walzer, dessen Klarinettenmelodie an Posthornmotive erinnert. Auch Menuett (2. Satz) und Lied ohne Worte (6. Satz) kann man spiegelsymmetrisch aufeinander beziehen – die klanglich reizvollsten, geradlinigsten Sätze des Werkes. Als äußere Klammer dieser „Bogenform“ fungieren, wie schon angedeutet, der Marsch und das Finale, das die Themen des Marsches noch einmal durchführt, dabei auch die anderen Sätze noch einmal aufruft und so den Zyklus zur Einheit schließt.