Quintett Nr. 2 A-Dur für Klavier, Klarinette, Violine, Viola und Violoncello
Werkverzeichnisnummer: 1663
1. Allegro moderato
2. Intermezzo (f. Klavier solo)
3. Scherzo (Molto vivace) – Trio
4. Adagio
5. Variationen über ein Thema von Josef Labor (Allegretto grazioso)
Franz Schmidt wurde 1874, im gleichen Jahr wie Arnold Schönberg, in Preßburg geboren. Gegensätzlichere Komponistencharaktere lassen sich nicht denken: Schönberg, der die spätromantische Chromatik schrittweise, aber unnachgiebig zur Atonalität weiterentwickelte und der selbst seinen Schüler Webern als “Nazi-Webern” brandmarkte; Schmidt, der noch in seinem Quintett von 1938 durch spätromantische Modulationen hindurch einem eindeutigen A-Dur zustrebte und im gleichen Atemzug mit der Liebenswürdigkeit des österreichischen Intellektuellen den Nazis in die Hände lief.
Es muß unverständlich bleiben, wie der vom Orchestercellisten unter Mahler zum Direktor der Wiener Musikhochschule Aufgerückte sich im Entstehungsjahr des A-Dur-Quintetts zu einem Werk wie Deutsche Auferstehung hinreißen lassen konnte. Daß Schmidt noch kurz vor seinem Tod diese vor “Sieg-Heil”-Rufen und Führer-Euphorie strotzende Kantate vertonte, läßt sich nur mit der österreichischen Anschlußhysterie erklären, die 1938 auch ihn erfaßt hatte. Trotz dieser politisch eindeutigen Vergangenheit hat es der Gegenwart gefallen, die Werke des Franz Schmidt – allen voran sein Oratorium Das Buch mit sieben Siegeln – wieder aufzuführen. Sie gehören zweifellos zu einem vollständigen Stil-Panorama des 20. Jahrhunderts hinzu, und gerade das A-Dur-Quintett offenbart in seiner aparten Klangkombination reizvolle Züge. Doch seine ausladende Spätromantik ist eben mehr als eine Stilfrage. Schmidts Bekenntnis zu Dur und Moll, Sonatenform und Melodie entsprang seinem antisemitischen Ressentiment gegen die als “jüdisch” empfundene Dodekaphonie und der tiefen Furcht vor deren “zerstörerischen” Kräften. Insofern ist die Spätblüte romantischer Kammermusik, die wir in Schmidts Werken erleben, auch ein Politikum.
Seine Klavierquintette – zwei mit, eines ohne Klarinette – hat Schmidt für Klavier linke Hand geschrieben; die Ursache dafür ist die gleiche wie bei Ravels Konzert für die linke Hand: die Quintette entstanden für den austro-amerikanischen Pianisten Paul Wittgenstein, der im I. Weltkrieg den rechten Arm verloren hatte und sich in Folge zum virtuosesten Anwalt der Literatur für die linke Hand entwickelte. Wittgenstein stimmte einer Aufführung mit Klavier zu zwei Händen unter der Bedingung zu, daß folgender Satz im Programm abgedruckt würde:
Dieses Werk wurde vom Komponisten für Herrn Paul Wittgenstein für die linke Hand geschrieben; es wird heute mit dessen Zustimmung zweihändig vorgetragen.
Friedrich Wührer, der Bearbeiter des Quintetts, war Schüler von Schmidt. Da das Quintett seinen österreichischen Ahnherrn, das Forellenquintett von Schubert, an Ausdehnung noch weit übertrifft, haben sich unsere Interpreten zu einer gekürzten Aufführung entschlossen. Sie spielen nur die Ecksätze. Die fehlenden Sätze sind ein Intermezzo für Klavier solo (2. Satz), ein Scherzo (3. Satz) und ein Adagio (4. Satz).