Sinfonie Nr. 2 D-Dur, op. 36 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ludwig van Beethoven

Sinfonie Nr. 2 D-Dur, op. 36

Quartett D-Dur für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, op. 36

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 169

Satzbezeichnungen

1. Adagio molto – Allegro con brio

2. Larghetto

3. Scherzo. Allegro

4. Allegro molto

Erläuterungen

Deuxième GRANDE SINFONIE de Louis van Beethoven, arrangée en Trio
pour Pianoforte, Violon et Violoncelle par l’Auteur même lautet der Titel jener Bearbeitung von Beethovens 2. Sinfonie, die 1806 in Wien erschien. Sie gilt – wie diejenige des Septetts für die gleiche Besetzung (op. 38) – als authentisch. Wie ein Kritiker der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung schrieb, richtete sich dieser kammermusikalische “Auszug” an jene “die das sehr schwierige Werk nicht vollständig hören, oder unter der Menge künstlich verflochtener Gedanken, vielleicht auch unter dem allzuhäufigen Gebrauch der schreyendsten Instrumente, es nicht genug verstehen können”, ferner an solche, “die sich in der Erinnerung den Genuss der vollständigen Ausführung wiederholen, und was ihnen dort nicht ganz klar oder vorzüglich lieb geworden, ruhiger überschauen und vernehmen wollen.” Viele dieser Gründe haben heute ihre Gültigkeit verloren: von Verständnisproblemen, zumal gegenüber Beethovens Instrumentation, kann keine Rede mehr sein, und um das “vorzüglich lieb Gewordene ruhiger zu überschauen”, stehen dem Musikfreund eine Unzahl von Aufnahmen des Originals zur Verfügung. So gewinnt das ehemals praktische Arrangement den Stellenwert einer reizvollen Alternative zum (allzu) vertrauten Original.

Zu den Eigenarten des “Auszugs” heißt es in der Rezension weiter:“Rec(ensent), der die Sinfonie öfters vollständig gehört, aber freylich nicht in Rücksicht auf einen Auszug erwogen hat, hätte kaum geglaubt, dass davon ein so genügender gegeben werden könne, als hier, den Hauptsachen nach, gegeben ist. Man erhält in der That ein nicht unwürdiges und möglichst vollständiges Bild vom Ganzen; bey einzelnen Theilen war dies zu geben aber unmöglich – so verliert das schöne Andante sehr vieles, da ihm die meisterhafte Vertheilung an die verschiedenen, da ihm besonders die Entgegensetzung der Saiten- und Blasinstrumente fehlt, und mehrere Stellen, wo der Komponist unmittelbar die Reize oder besondere Behandlungsweise gewisser Instrumente zu schöner Wirkung beabsichtigte, müssen hier ziemlich gleichgültig lassen… Auch das ganze, originelle Scherzando könnte als Beleg angeführt werden, obschon es auch hier noch immer ein interessantes Stück bleibt. Der letzte Satz in seiner tumultuarischen, wilden Abentheuerlichkeit, konnte nicht so genügend eingerichtet werden; auch ist er, obgleich es auf den ersten Anblick nicht so scheint, sehr schwer zu spielen, so dass man ihn auch in dieser Form nur selten vollkommen ausgeführt hören wird. Rec. findet ihn auch in dieser Gestalt als bey weitem den geringsten.”

Um “Mozarts Geist aus Haydns Händen” zu empfangen, hatte die Bonner Hofgesellschaft 1792 den jungen Ludwig van Beethoven nach Wien geschickt. Als er 11 Jahre später im Theater an der Wien die Uraufführung seiner 2. Sinfonie dirigierte, hatten sich die Welt und das musikalische Wien grundlegend gewandelt. Die Französische Revolution, in Haydns Sinfonie Nr. 86 nur zu erahnen, war ausgebrochen und hatte Europa mit Krieg und politischem Umsturz überzogen. Napoleon Bonaparte war der Mann der Stunde, der in Frankreich eine bürgerliche Rechtsordnung schuf und freiheitlich gesinnten Zeitgenossen wie Beethoven als der Heros einer neuen, republikanischen Epoche erscheinen musste. Auch musikalisch war es eine neue Zeit: kriegerischer, wilder und stürmischer als die 1780er Jahre, die goldenen Wiener Jahre Mozarts, geprägt vom Pathos humanitärer Ideale und vom Ringen um die Zukunft der Menschheit.

Mit seiner Zweiten hat Beethoven das vollendete Spiegelbild jener ersten Jahre des neuen Jahrhunderts geschaffen. Obwohl dieses Werk gemeinhin als Abschluss seiner ersten, noch von Mozart und Haydn geprägten Periode gilt, kündet es im unbändigen Elan und der brodelnden Nervosität seiner Ecksätze, in den martialischen Klängen seiner Militärfanfaren und den ungeheuren Steigerungen von einer neuen Zeit. Nicht zufällig stellte Beethoven dieses Werk bei seiner Premiere in den Rahmen zweier durchaus revolutionärer Novitäten. Zusammen mit der Zweiten stellte er den Wienern am 5. April 1803, mitten in der Karwoche, das 3. Klavierkonzert und das Oratorium “Christus am Ölberge” vor. Hohes Pathos, Verkündigung hehrer Menschheitsideale und eine von Militärklängen durchzogene Klangwelt sind allen drei Werken gemeinsam.

Die Sinfonie beginnt mit einer langsamen Einleitung – wie so viele D-Dur-Sinfonien von Haydn und Mozart. In Beethovens Werk ist freilich die Introduktion ungleich breiter angelegt als bei seinen Vorbildern, ein harmonisch wie motivisch weit ausgeführtes Tongemälde, das in seinem Wechsel zwischen lyrischer Idylle, Pathosgesten und wild dreinfahrenden Militärklängen den Tonfall der gesamten Sinfonie festlegt. Das folgende Allegro ist vom ersten bis zum letzten Ton von nervösem Elan geprägt. Dieser “Brio”, das hell lodernde Feuer des jungen Beethoven, entsteht aus den energisch aufstrebenden Basslinien des Hauptthemas, entlädt sich in nervös flackernden Geigenmotiven und diversen Tutti-Ausbrüchen und kommt auch im Seitenthema nicht zur Ruhe. Die Steigerung dieses nervösen Duktus in Durchführung und Coda dieses Satzes ist eines der großen Meisterstücke des Sinfonikers Beethovens.

Als Idylle in A-Dur und im weich fließenden Dreiertakt kommt das Larghetto daher, eine Huldigung des Naturliebhabers Beethovens an die landschaftlichen Schönheiten seiner österreichischen Wahlheimat. Doch auch in diese Idylle bricht das Pathos einer stürmischen Epoche ein.

Das Scherzo der Zweiten war Beethovens erstes sinfonisches Meisterstück in diesem von ihm selbst begründeten Genre, der Überwindung der höfischen Menuette des 18. Jahrhunderts durch den Puls einer neuen Zeit, während sich das Finale aus einem burschikosen Beginn heraus zu mehr als 400 Takten hektisch aufgeladener, unbändiger Sinfonik steigert.