Quintett Es-Dur für Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn, op. 88,2
Werkverzeichnisnummer: 1559
1. Lento – Allegro moderati
2. Menuetto. Allegro
3. Poco Andante. Grazioso
4. Finale. Allegro molto
2003
ANTON REICHA
Bläserquintett Es-Dur, op. 88,2
Anton Reicha wurde 1770 in Prag geboren, begegnete in Bonn dem gleichaltrigen Beethoven, wagte den Sprung nach Paris, wirkte einige Jahre zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Wien und ging dann wieder zurück nach Frankreich. Auf den Böhmen Antonìn Reicha folgten also zu gleichen Teilen der Deutsche „Anton“ und der Franzose „Antoine“ Reicha.
Gleichgültig unter welchem Vornamen ist der Komponist bis heute ein unterschätzter Meister der Klassik. Der Jugendfreund Beethovens entwickelte in seiner Musik und Theorie neue Modelle, etwa für die Fugenkomposition, die als ebenso experimentell wie Beethovens Formen gelten können. Vor seiner Lebensstellung als Professor für Kontrapunkt und Fuge in Paris, wo er Berlioz, Liszt und Franck unterrichtete, hatte er als Komponist eine Karriere im Schatten der Wiener Klassiker gemacht. Beethoven lernte er mit 15 in Bonn kennen, wo beide in der Hofkapelle spielten, Reicha die Flöte. Nachdem er 1795 geschworen hatte, nicht mehr als Interpret aufzutreten, begann er eine vielversprechende Laufbahn als Sinfoniker. Da sein erster Versuch, sich in Paris als Komponist zu etablieren, scheiterte, ging er 1801 nach Wien, um im Kontakt mit Beethoven, Haydn und Salieri an die Tradition der dortigen Schule anzuknüpfen.
Während seine Opern und seine 15 Sinfonien von den Zeitläuften überrollt wurden, schuf er 100 Opera mit Kammermusik, die bis heute seine Gewandtheit im klassischen Stil belegen. Seine bekanntesten Werke sind die 24 Bläserquintette, die er ab 1814 für seine Professoren-Kollegen in den Bläserklassen des Pariser Conservatoire komponierte. Sie bilden den klassischen Grundstock der Gattung, als deren Erfinder man Reicha bezeichnen darf.
Das Es-Dur-Quintett, op. 88,2 ist unüberhörbar der Musik der Wiener Klassik verpflichtet: Die langsame Einleitung beginnt mit jenen drei Akkorden, die auch Mozart an den Anfang seiner Zauberflöte stellte. Was sich daran anschließt, ist mehr als nur ein Kaleidoskop aus Wiener Reminiszenzen; es ist eine harmonisch und melodisch höchst eigenständige Musik mit hohem satztechnischen Anspruch. So wird das Allegro moderato in Sonatenform vom solistischen Fagott mit einem originell rhythmisierten Thema eröffnet, das die anderen kantabel fortspinnen. Keinem Instrument kommt die Führung zu, denn Reicha hat die sogenannte „durchbrochene Arbeit“ des Streichquartetts kongenial auf die Bläser übertragen. Zu den aus Wien übernommenen Topoi gehören auch das Haydneske Menuett und das Jagdfinale. Französisch mutet dagegen der Romanzenton des Andante an, durchsetzt von frühromantischen Mollepisoden und einer feierliche Fuge – Tribut an Reichas viel gepriesene Kunst des Kontrapunkts.