„Pavane pour une Infante defunte“, für Flöte und Harfe bearb. von Quinto Maganini
Werkverzeichnisnummer: 1532
„Pavane für eine entschlafene Infantin“ nannte der junge Maurice Ravel ein 1899 komponiertes kleines Klavierstück nur aus zwei Gründen: er schrieb es für die Prinzessin Edmonde de Polignac, für die ein aristokratischer Bezug wohl angemessen schien, und er hatte Spaß an der Alliteration bzw. Asonanz, die sich aus den französischen Worten „infante“ und „défunte“ ergab. Dennoch hat man den Titel, zumal nach der Uraufführung der orchestrierten Version 1911, stets programmatisch verstanden. Tatsächlich könnte man die barockisierende Melodielinie dieses sehr langsamen Tanzes als eine spanische Pavane des 17. Jahrhunderts deuten – in ihren zarten Vorhalten und ihrer ritterlich gefassten Haltung. Was Ravel betraf, hat er jedoch gar keinen Gedanken an eine „entschlafene Infantin“ verschwendet. Er selbst hasste später dieses Musikstück und seinen Erfolg: „zu viel Einfluss von Chabrier und eine ziemlich ärmliche Form“ lautete sein vernichtendes Urteil.
Morgenständchen des Narren
Auch das spanischste aller Ravelschen Orchesterstücke ist die nachträgliche Orchestrierung eines Klavierstücks: „Alborado del Gracioso“. Das vierte Stück aus dem Klavierzyklus „Miroirs“ von 1905 hat der Komponist erst 13 Jahre später orchestriert und 1919 zur Uraufführung in Paris freigegeben. Er schuf damit seine schillerndste spanische Partitur, ein vor orchestraler Farbenpracht und rhythmisch-perkussivem Rausch geradezu strotzendes Klanggemälde. Crotales, Castagnetten, Harfen und Xylophon lassen an den Reichtum der Lauten, Harfen und des Schlagwerks in der alten Musik Spaniens denken. Hier dienen sie zur Untermalung eines grausam-grotesken Ständchens, das ein Hofnarr vor dem Fenster seiner angebeteten Prinzessin singt, die ihn aber nur kalt abweist und verlacht. Im Titel hat Ravel die „Alborada“, das Morgenständchen der Troubadoure, mit dem „Gracioso“ kombiniert, dem Narren im spanischen Drama der Zeit, wie er bei Calderòn und Lope de Vega vorkommt. In den Außenteilen steigert sich die rhythmische Energie seines Ständchens ins Alptraumhafte, der Mittelteil wird von einem klagenden Fagottsolo eingeleitet, das unseren Blick zum Fenster der Schönen lenkt. Ravel zeigt hier „ein Spanien zuckend und exzessiv; ein Spanien überschüttet vom Lärm, von Farben und Zornesausbrüchen in den beiden Außenteilen, wo die Instrumente, buchstäblich elektrisiert, um die Wette rattern in einem bacchantischen Tanz; ein Spanien von gefährlicher Sinnlichkit im Mittelteil, der in gnadenlosem Licht die Grausamkeit der Schönen beschreibt, die sich über die lächerliche Serenade des bemitleidenswerten Narren lustig macht.“ (François-René Tranchefort)
Bolero
Als ihn die Tänzerin Ida Rubinstein 1927 für ein spanisches Ballett um die Orchestrierung einiger Klavierstücke von Albeniz bat, entschloss sich Ravel kurzerhand zur Neukomposition. So entstand sein berühmtestes Orchesterstück: der Bolero. Wieder war es der Tanz, der ihn gedanklich nach Spanien lockte, und wieder zog ihn ein bestimmter Rhythmus, der des Bolero, in seinen Bann. Die Absicht des Komponisten war ebenso simpel wie provokativ: „Ich wünsche mir ganz besonders, dass es bezüglich des Themas meines Bolero keinerlei Missverständnisse gibt. Er ist ein Experiment in eine ganz besondere und besonders eingeschränkte Richtung und man sollte ihn nicht verdächtigen, etwas anderes zu beabsichtigen, als er beabsichtigt. Vor der Uraufführung ließ ich ein Vorwort drucken, um deutlich zu machen, dass ich hier ein Stück von 17 Minuten geschrieben hatte, das aus nichts anderem als einer Orchesterfolie ohne Musik besteht – ein langes und sich stets steigerndes Crescendo.“ In Bezug auf das berühmte Hauptthema fragte Ravel einen Freund provokant: „Finden Sie nicht, dass dieses Thema etwas Insistierendes hat? Ich werde versuchen, es einige, nicht gerade wenige Male zu wiederholen ohne jede Entwicklung, nur durch Steigerung der Orchestrierung.“
Bei der Uraufführung in der Pariser Oper im November 1928 kam es denn auch prompt zu wütenden Reaktionen irritierter Zuhörer. Eine Dame rief aus „Au fou!“ („Für den Depp!“). Ravel meinte nur, sie habe offensichtlich verstanden! Nicht nur im Verzicht auf jede thematische Entwicklung ist der Bolero „primitiv“. Auch die Unnachgiebigkeit, mit der die kleine Trommel den Rhythmus beherrscht, indem sie ihn zu Beginn als „Vorhang“ vorgibt, trägt zum Eindruck des primitib Orgiastischen bei. Die Boleromelodie der Flöte ist zwar ein reicher, auch die Mollregionen berührender Bogen, doch auch sie kreist immer wieder um die gleichen Wendungen. Nach und nach gesellen sich die übrigen Holzbläser mit zarten Valeurs hinzu, erst sehr viel später die Streicher, die zu Beginn als reine Perkussionsinstrumnte im Hintergrund bleiben. Im späteren Verlauf wird ihre Melodie von geradezu schreienden nachschlagenden Vierteln der Blechbläser überlagert. Als einzige harmonische Überraschung hat Ravel eine kurze Rückung von C- nach E-Dur eingebaut. Der Wiedereintritt der Grundtonart bereitet die gewaltig gesteigerten Schluss vor, die Apotheose des spanischen Tanzes in der Musik.