“Introduction und Allegro” für Harfe, Flöte, Klarinette und Streichquartett
Werkverzeichnisnummer: 1530
Très lent – Allegro
1905 bestellte die Pariser Klavierfirma Erard, die das Conservatoire außer mit Klavieren auch mit Harfen versorgte, ein Kammermusikstück für dieses Instrument bei Ravel. Ihm war der Auftrag eher lästig. In einem Brief erklärte er einem Freund, dass “eine Woche Arbeit und drei schlaflose Nächte” genügen müssten, um das Stück zu beenden, “sei es zum Guten oder Schlechten”. Es ist offenbar “zum Guten” geschehen, denn das zehnminütige Gelegenheitswerk ist mit mehr als bloßer Routine geschrieben. Es ist ein Meisterwerk der Instrumentation, das trotz seiner kleinen Besetzung eine geradezu orchestrale Klangfülle suggeriert. Über den Arpeggi der Harfe breiten die Holzbläser und Streicher flirrende Klangteppiche aus. Exotisches mischt sich ins Bild: ein spanischer Rhythmus hier, Gamellanklänge dort. In seinem schwelgerischen Duktus vermittelt das Stück, wie der Biograph Arbie Orenstein schrieb, “ein überschäumendes Gefühl der Freude”, das die später entstandenen Valses nobles et sentimentales vorwegnimmt.
Bemerkenswert ist auch der raffinierte Aufbau. Zu Beginn der Introduction spielen Flöte und Klarinette ein wehmütiges Thema in Terzen, vom Streichquartett mit einer kreisenden Figur beantwortet. Dies sind schon die beiden Themen des folgenden Allegros, wobei aus der Kreisfigur das Hauptthema, eine elegante Valse noble, entsteht. Im Seitenthema werden beide Motive aus der Introduction sogar gleichzeitig vorgetragen. Zur Überleitung dient ein spanisch angehauchtes, gegen den Takt verschobenes Thema, das wiederum in der Durchführung gleichzeitig mit dem Hauptthema erklingt. Die Sonatenform des Allegros wird durch Harfensoli an den Einschnitten hervorgehoben.