Sinfonische Tänze, op. 45 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Sergej Rachmaninow

Sinfonische Tänze, op. 45

Sinfonische Tänze, op. 45

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1519

Satzbezeichnungen

1. Non Allegro

2. Andante con moto (Tempo di Valse)

3. Lento assai

Erläuterungen

SERGEJ RACHMANINOW komponierte seine ursprünglich als Ballett gedachten Symphonischen Tänze, sein letztes vollendetes Werk, 1940, zur selben Zeit, als Lutoslawski in Warschau Duoarrangements zum Broterwerb anfertigte. Rachmaninow dagegen führte im fernen Amerika das Leben eines anerkannten Großmeisters des Klaviers, der Gäste in sein Haus auf Long Island einlud, um ihnen gemeinsam mit Vladimir Horowitz Symphonische Tänze für Klavierduo vorzuspielen. Sein “letzter Funke”, wie er sie liebevoll nannte, war denn auch ein ganz persönliches Werk, eine Rückschau auf sein eigenes Leben in den Farben romantischer Stimmungsmalerei, wie sie im ursprünglich geplanten Titel Fantastische Tänze zum Ausdruck kommt. Die Untertitel der drei Sätze – Mittag, Abenddämmerung und Nacht – scheinen dagegen nicht nur von der pessimistischen Lebenseinstellung des Komponisten, sondern auch von dem sich verdüsternden Horizont der Epoche inspiriert zu sein.Eine Reihe von musikalischen Zitaten oder zitathaften Anklängen durchzieht das Werk. Durch sie schlägt der erste Tanz die Brücke zurück zu Rachmaninows Jugend: zu der Oper Das goldene Hähnchen von Rimsky-Korsakow und zu seiner eigenen, bei der Uraufführung durchgefallenen 1. Symphonie. Der marschartige Hauptteil scheint – in seiner an Bartók gemahnenden Motorik – die Kraft der Jugend zu verkörpern, deren Verlust der Mittelteil in zarter, träumerischer Melancholie beklagt.
Der zweite Satz, im Tempo eines Walzers zu spielen, ist durch seinen stockenden, doppelbödigen Tanzschritt ein Gegenstück zu Maurice Ravels La Valse. Wie dort wird im Laufe einer großen, von wechselnden Bildern belebten Ballszene das Klischee des Walzers in beklemmender Weise verfremdet und dadurch unwillkürlich zum Nachhall einer verklingenden Epoche. Es scheint, als ob Rachmaninow mit dem Titel Abenddämmerung den Untergang seiner eigenen Zeit beschwor, den er mit dem Krieg gekommen sah.
Ihre Nacht – das letzte Stück – ist die Nacht des Todes, der letzte Symphonische Tanz ein Totentanz. Das gregorianische Dies irae – vom Komponisten bereits in der 1. Symphonie, der Toteninsel und der Paganini-Rhapsodie verwendet – taucht teils im Gewande einer Tarantella, teils als Cantus firmus in fahlem Licht auf. Es wird allmählich bis zur wilden Raserei eines veritablen Totentanzes gesteigert. Die Antwort auf dieses Szenario des Grauens gibt etwa 30 Takte vor Schluß eine andere liturgische Melodie: das altrussische Gelobt sei der Herr. Rachmaninow schrieb darüber Alliluya in die Partitur – ein unmißverständlicher Hinweis auf seine persönliche Erlösungserwartung, die den Zyklus zu einem triumphalen Abschluß führt.
Die Symphonischen Tänze sind in erster Linie ein Orchesterwerk; als solches kündigte es Rachmaninow 1940 dem Dirigenten des Philadelphia Orchestra, Eugene Ormandy, an, der das Werk auch am 3. Januar 1941 zur – wenig erfolgreichen – Uraufführung brachte. Allerdings hatte der Komponist bereits aus dem Particell jene Fassung für zwei Klaviere besorgt, die er gemeinsam mit Horowitz uraufführte. In unserem Konzert erklingt diese eigenständige, herrlich pianistische Fassung als vom Komponisten legitimierte Alternative.