Sonate für zwei Violinen, op. 56
Werkverzeichnisnummer: 1500
1. Andante cantabile
2. Allegro
3. Commodo (quasi Allegretto)
4. Allegro con brio
Der Vorliebe der Franzosen für Violinduos hat auch Sergej Prokofjew seinen Tribut gezollt: 1932 schrieb er in Paris seine Sonate pour deux violons, Opus 56. Ein uneträglich eintöniges Violinduo eines ungenannten Kollegen inspirierte ihn zu diesem Werk: „Beim Anhören eines wenig gelungenen Violinduos kam mir der Gedanke, dass dieses Genre trotz seiner offensichtlichen Beengtheit doch solche Einfälle erlaube, dass ein Publikum ohne Überdruss zuhören könne.“ Diesen Vorsatz setzte er mit seiner viersätzigen Sonate in C-Dur in die Tat um.
Nach der Uraufführung in Moskau Ende November 1932 konnten die Pariser Mitte Dezember die französische Erstaufführung erleben, gespielt von Samuel Duschkin und Robert Soëtens. Sie fand in den Concerts du Triton statt, wo damals in regelmäßiger Folge neue Musik aus der Sowjetunion vorgestellt wurde. Prokofjew war damals noch kein „Sowjetkomponist“. Seit der Oktoberrevolution lebte der Komponist aus der Ukraine im westlichen Exil, erst einige Jahre in den USA, dann im bayerischen Ettal, schließlich in Paris, wo er „praktisch zum Pariser wurde“, wie es Pierre-Émile Barbier formuliert hat. Über die Sonate für zwei Violinen schrieb der französische Musikwissenschaftler:
„Das einleitende Andante cantabile ist ein strenges Rezitativ von großer Ausdrucksstärke. Indem sich die beiden Violinen ihr Cantabile brüderlich teilen, verleihen sie dem Thema Intensität und Noblesse. Das Allegro bezieht seine Dynamik aus zwei sehr gegensätzlichen Motiven: einem Volkstanz von robustem Humor im Zweivierteltakt und einem lyrischen Seitenthema. Die Geigen tauschen sich aus, streiten miteinander, verfolgen einander in Figuren von ansteckender Vitalität.
Beim Commodo quasi Allegretto handelt es sich um ein zartes, träumerisches Intermezzo von großem klanglichen Raffinement. Prokofjew überließ es den Spielern, zwischen con sordino und senza sordino zu wählen, wobei David Oistrach mit Dämpfer spielte, Duschkin ohne. Die Linien sind so komplex, dass man fast einen dreistimmigen Chor zu hören meint. Die Tonarten kreisen um H-Dur, cis-Moll und E-Dur.
Das Finale, ein Allegro con brio in C-Dur, wirkt ebenso brillant wie buffonesk. Es scheint alle Tanzschritte russischer Volkstänze paraphrasieren zu wollen, wozu sowohl die raffinierte Artikulation als auch die humorvollen Dissonanzen beitragen. In der Coda kehrt zunächst die einleitende Phrase des ersten Satzes zurück, bevor sich die beiden Geigen in ein rauschendes Più presto stürzen – das letzte Bouquet in diesem teuflischen Pas de deux.“ (Pierre-Émile Barbier)