Quintett g-Moll, op. 39 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Sergej Prokofieff

Quintett g-Moll, op. 39

Quintett g-Moll für Oboe, Klarinette, Violine, Viola und Kontrabass, op. 39

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1498

Satzbezeichnungen

1. Tema. Moderato

2. Andante energico

3. Allegro sostenuto, ma con brio

4. Adagio pesante

5. Allegro precipitato, ma non troppo presto

6. Andante

Erläuterungen

Prokofieffs Quintett für Oboe, Klarinette, Violine, Viola und Kontrabaß entstand 1924 als Ballettmusik für den zweiten Choreographen der berühmten Balletts russes, Boris Romanow. In kleiner Besetzung untermalte Prokofieffs Musik mit dem Titel Trapez sechs Epioden aus dem Zirkusleben, mit denen Romanows Truppe 1925 höchst erfolgreich in Deutschland und Italien auf Tournee ging. 1927 folgte in Moskau die Uraufführung des Quintetts als Kammermusikwerk. Eine Wiederaufnahme des Balletts am Bolshoi-Theater 1972 zog sogar eine Verfilmung nach sich.
Aus dem Clownesken des Zirkus-Milieus erklärt sich der eigenwillige Charakter der Komposition, die auch formal eigene Wege geht. Sie beginnt mit zwei Variationen über ein burschikoses Thema der Bläser, das die Streicher im Stil einer Zirkuskapelle begleiten. Das Kontrabass-Solo des zweiten Satzes lässt auf einen im Zirkus nicht seltenen Dickhäuter schließen, während sich der 5/4-Takt des dritten Satzes für Romanows Tänzer als knifflige Aufgabe erwies. Ein eintöniges Adagio pesante wirkt wie die traurige Miene des Clowns, der im Allegro precipitato seine ausgelassenen Späße macht. Das abschließende Andante fasst die vorhergehenden Szenen zusammen.

2004

SERGEJ PROKOFIEFF
Quintett g-Moll, op. 39

Es war wiederum Nathan Milstein, der von jedem unserer Komponisten ein schonungsloses Porträt zeichnete. Prokofieff begegnete er, als er selbst noch ein halbes Kind und entsprechend leicht einzuschüchtern war: „In Petersburg lernte ich den jungen Sergej Prokofieff kennen, den Komponisten und Pianisten der Avantgarde. Vor allem wegen seiner ungewöhnlichen Lippen machte er einen befremdenden, ja sogar furchterregenden Eindruck auf mich. Seine Lippen waren geschwollen, fast zum Platzen mit Blut gefüllt, mit Schaum in den Mundwinkeln. Immer wenn Prokofieff ein spitzes Besteckteil in die Hand nahm, wurde ich unruhig. Was würde passieren, wenn er damit aus Versehen in die Lippen stäche?… Prokofieff war reizbar, schwerfällig und hässlich. Er hatte die für Blonde typischen farblosen Augen. Seine Energie allerdings glich seine Schwerfälligkeit aus. Es war ganz offensichtlich, dass er ein junges Genie war.“

Im Mai 1918, kurz nach dieser eindringlichen Begegnung, ging Prokofieff in die USA, um den revolutionären Wirren im gefolge der Oktoberrevolution zu entfliehen. Ein längerer Aufenthalt im Westen war anfangs gar nicht intendiert, doch dann wurden allein in Nordamerika vier Jahre daraus. Im Anschluss an diese Periode zog es Prokofieff 1922 zunächst nach Ettal in Bayern, wo er sich für 18 Monate ein Haus mietete und die spansche Sängerin Lina Llubera heiratete. Gemeinsam mit ihrem ersten Sohn zogen sie 1924 nach Paris.

Ebendort, im Mekka der Moderne und des Balletts, schrieb Prokofieff die Urfassung seines Quintetts für Oboe, Klarinette, Violine, Viola und Kontrabass als Ballettmusik für den zweiten Choreographen der berühmten Balletts russes, Boris Romanow. In kleiner Besetzung untermalte Prokofieffs Musik mit dem Titel Trapez sechs Epioden aus dem Zirkusleben, mit denen Romanows Truppe 1925 höchst erfolgreich in Deutschland und Italien auf Tournee ging. 1927 folgte in Moskau die Uraufführung des Quintetts als Kammermusikwerk. Eine Wiederaufnahme des Balletts am Bolshoi-Theater 1972 zog sogar eine Verfilmung nach sich. Noch war der künstlerische Austausch von Werken des Emigranten Profofieff zwischen den UdSSR und dem Westen möglich. Der Komponist hatte den Kontakt zur Heimat und ihren neuen Herren nie aufgegeben. 1936 sollte er sich zur Rückkehr in die Sowjeitunion entschließen und damit seinem Leben eine tragische Wendung geben.

Das Quintett weiß von diesen späteren sowjetischen Jahren nichts zu berichten, es erzählt aber von einer Zeit, in der die Zirkuswelt noch eine ungebrochene Faszination auf die Menschen ausübte. Aus dem Clownesken des Zirkus-Milieus erklärt sich der eigenwillige Charakter der Komposition, die auch formal eigene Wege geht. Sie beginnt mit zwei Variationen über ein burschikoses Thema der Bläser, das die Streicher im Stil einer Zirkuskapelle begleiten. Das Kontrabass-Solo des zweiten Satzes lässt auf einen im Zirkus nicht seltenen Dickhäuter schließen, während sich der 5/4-Takt des dritten Satzes für Romanows Tänzer als knifflige Aufgabe erwies. Ein eintöniges Adagio pesante wirkt wie die traurige Miene des Clowns, der im Allegro precipitato seine ausgelassenen Späße macht. Das abschließende Andante fasst die vorhergehenden Szenen zusammen.