Streichquartett Nr. 4 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Béla Bartók

Streichquartett Nr. 4

Quartett Nr 4 für zwei Violinen, Viola und Violoncello

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 140

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Prestissimo, con sordino

3. Non troppo lento

4. Allegretto pizzicato

5. Allegro molto

Erläuterungen

Unter den sechs Streichquartetten von Béla Bartók gilt das Vierte als „fast entspannt im Ton, einfach in der Form und Satztechnik und unkompliziert im Ausdruck“ (Ludwig Finscher) – diese Eigenschaften jeweils verstanden im Kontrast zum kompromisslosen dritten Quartett und dem wegen seiner Klanghärten berühmt-berüchtigten fünften. Außerdem hat Bartók hier erstmals die Idee einer „Brückenform“ konsequent verwirklicht und zwischen der ungarischen Volksmusik und den Formen der klassisch-romantischen Kammermusik eine Art Idealsynthese gefunden.

Bartók komponierte dieses Werk im Sommer 1928 für das Pro Arte Quartett aus Brüssel, eines der großen Ensembles der Zwanziger und Dreißiger Jahre, dessen Kunst heute wieder auf zahlreichen CDs zu bewundern ist, u.a. in einigen der frühesten Mozart-Einspielungen. Die Uraufführung am 20. März 1929 fand dann aber doch in Budapest statt, gespielt vom Waldbauer-Quartett. Kurze Zeit später schon erschien das neue Werk in einer Ausgabe der Universal Edition Wien. Die Taschenpartitur wurde, wie bei der UE üblich, mit einer Analyse des Stückes eingeleitet, in der die „Brückenform“ bzw. „Bogenform“ anschaulich beschrieben wird:

„Das Werk enthält fünf Sätze, die im Charakter der klassischen Sonatenanlage entsprechen. Der langsame Satz bildet den Kern des Werkes, die übrigen Sätze schichten sich um diesen. Und zwar ist der IV. Satz eine freie Variation des II., die Sätze I und V wiederum haben gleiches thematisches Material, das heißt: um den Kern (Satz III) bilden die Sätze I, V die äußere, II, IV die innere Schicht.“

Die paarigen „Schichten“ zeigen noch weitergehende Parallelen als das gemeinsame Material von je zwei Sätzen. So sind die Ecksätze eher klassisch-thematisch geprägt, das Finale darüberhinaus stark rhythmisch, fast als traditionelles Tanzfinale. Die „innere Schicht“ der Sätze II und IV dagegen arbeitet mit besonderen Klangtechniken: mit gedämpften Saiten der zweite (con sordino), mit gezupften Saiten der vierte (pizzicato). Dabei wird auch das sogenannte „Bartók-Pizzicato“ gebraucht, bei dem die stark gezupfte Saite auf dem Griffbrett anschlagen soll. Perkussive Klangeffekte wie diesen hat Bartók der Volksmusik entlehnt. Hier werden sie zur Keimzelle eines ganzen Satzes.

Auch im zentralen dritten Satz werden Anregungen aus der Volksmusik verarbeitet. Seine Satztechnik ist „ganz aus den Umspielungs-, Verzierungs- und Variationstechniken der Volksmusik und aus dissonierenden Klangflächen entwickelt… Durch seinen einziugartigen, zugleich ganz volksmusikalischen und ganz isolierten Ton wird der Satz, über seine formale Stellung hinaus, zum Zentrum des Werkes.“ (Finscher).