"Nachtmusique", Serenade c-Moll, KV 388 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Wolfgang Amadeus Mozart

"Nachtmusique", Serenade c-Moll, KV 388

Serenade c-Moll für zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Hörner und zwei Fagotte, KV 388, “Nachtmusique”

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1394

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Andante

3. Minuetto in Canone

4. Allegro

Erläuterungen

Die Liebe für die Bläser vereinte im späten 18. Jahrhundert so gegensätzliche Naturen wie Kaiser Joseph II. und den Trierer Kurfürsten Clemens Wenzeslaus, Haydns Dienstherrn Fürst Esterházy und Mozarts “Salzburger Midas” Erzbischof Colloredo. Als Kurfürst Max Franz von Köln bei der Kaiserkrönung seines Bruders Leopold in Frankfurt 1790 ein “Lustlager” für mehrere Fürsten abhielt, hörte “die Taffelmusic gar nicht auf, solange sie speiseten”, wie ein sächsischer Offizier notierte; und Erzbischof Colloredo legte bei der Einstellung eines neuen ersten Oboisten 1778 Wert darauf, “die blasende Instrumenten wiederum auf jenen Fuss zu sezen…, wie selbe schon einsmahls waren, um auf Unser Verlangen bey der Tafel eine Musique mit blasenden Instrumenten erfolgen zu lassen”.

Mozart ist – als der von Joseph II. durchaus nicht bevorzugte Wiener Meister – nur einmal für die Bläser des kaiserlichen Hofes in Wien tätig geworden: in einem Brief aus Wien vom 27. Juli 1782 berichtete er seinem Vater: “ich habe geschwind eine Nacht Musique machen müssen, aber nur auf harmonie ..”. Man nimmt allgemein an, daß sich diese Ankündigung auf die große c-Moll-Serenade von 1782 bezieht, und daß diese für das kaiserliche Ensemble komponiert wurde. Der hermetische Ton des Werkes, der den Unterhaltungscharakter einer Serenade radikal sprengt, steht in der klassischen Harmoniemusik einzig da und verleiht dem Werk seinen Ausnahmerang im Repertoire.
Für Mozart, der jahrelang um eine Anstellung bei Hofe kämpfen mußte, war es nicht untypisch, daß er die erste Gelegenheit wahrnahm, sich dort mit einem besonders anspruchsvollen Werk vorzustellen. Die auffällige Bevorzugung kontrapunktischer Satzweisen in der c-Moll-Serenade könnte dabei als Huldigung an den Kaiser zu verstehen sein, der – wie allgemein bekannt war – eine Vorliebe für Fugen und Kanons hegte. Deshalb wohl entwarf Mozart das Menuett als strengen Kanon mit einem noch komplizierteren Umkehrungskanon als Trio.
Formal handelt es sich, strenggenommen, nicht um eine Serenade, denn es fehlt dazu der fünfsätzige Aufbau mit zwei Menuetten, wie man ihn in unserem Programm an Haydns Feldparthie erkennen kann. Mozart gebrauchte den neutraleren Begriff Parthia, analog zu Partita oder Feldparthie eine in Süddeutschland gängige Bezeichnung für Bläserstücke.
Im Grunde handelt es sich um eine Bläsersinfonie, eine völlig neue Gattung von Bläsermusik, die später Gounod, Strauss u. a. aufgreifen sollten. Fast alles an der angeblichen Serenade ist in Wahrheit sinfonisch: der Impetus und der Aufbau des Kopfsatzes; die Rhetorik seiner Themen; der Klang, der auf sinfonische Wirkungen abzielt – er enthält imaginäre Streicherbegleitungen in den Klarinetten (2. Thema) und quasi-sinfonische Tuttiwirkungen. Selten hat Mozart eine wuchtigere Durchführung geschrieben, selten Motive schärfer profiliert als in der Sonatenform dieses Kopfsatzes. Das träumerische Andante bildet dazu einen zauberhaften Kontrast. Mozart realisierte hier, was einem Salieri vorgeschwebt haben mag: die Atmosphäre eines nächtlichen Parks in Tönen einzufangen. Nicht umsonst griff er auf diese Stelle bei der nächtlichen Serenade der Liebhaber im zweiten Akt von Così fan tutte zurück.
Die kanonische Satzweise des Menuetts wird durch übergebundene Noten und verminderte Intervallschritte zu fast peinigender Intensität gesteigert, während sich der Umkehrungskanon des Trios scheinbar zwanglos entfaltet. Die Variationen des Finales sprechen dem Unterhaltungston üblicher “Variatiönchen” der Zeit Hohn und bereiten den Charaktervariationen Beethovens die Bahn.