Gran Partita B-Dur, KV 361 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Wolfgang Amadeus Mozart

Gran Partita B-Dur, KV 361

Serenade B-Dur für zwölf Bläser und Kontrabass, KV 361, “Gran Partita”

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1393

Satzbezeichnungen

1. Largo – Molto allegro

2. Menuetto – Trio I – Trio II

3. Adagio

4. Menuetto. Allegretto – Trio I – Trio II

5. Romance. Adagio – Allegretto

6. Tema con variazioni

7. Finale. Molto allegro

Erläuterungen

“Hab’ auch heut eine Musik gehört mit Blasinstrumenten, von Herrn Mozart, in vier Sätzen – herrlich und hehr! Sie bestand aus dreizehn Instrumenten,… und saß bei jedem Instrument ein Meister – o es tat eine Wirkung – herrlich und groß, trefflich und hehr!” Diese Tagebucheintragung eines Wiener Musikenthusiasten aus dem Jahre 1784 ist ein authentisches Dokument für die Begeisterung, die Mozarts größte Bläserserenade, die Gran Partita, KV 361, bei den Zeitgenossen auslöste.
Auch 200 Jahre später hat sie nichts von ihrer Faszination eingebüßt: In Milos Formans Film Amadeus fiel dem Adagio dieses Werkes die dankbare Aufgabe zu, Salieris erste Begegnung mit der Musik seines Konkurrenten zu untermalen: eine lange Kamerafahrt durch die Enfilade eines Rokokopalastes, begleitet vom suggestiven Klangteppich, den die Hörner und Fagotte vor der Solooboe ausbreiten.
Die filmisch nicht ungeschickte Umsetzung spiegelt das Faszinosumwider, das nicht nur von diesem Satz, sondern von der gesamten Serenade ausgeht.
Der Titel Gran Partita, unter dem sie populär geworden ist, stammt nicht vom Komponisten. Auch die weitverbreitete Meinung, Mozart habe das Stück im Frühjahr 1781 in München für die Bläser der dortigen Hofkapelle komponiert, ist falsch. Denn das Bassetthorn, eine Altklarinette in F, die um 1770 in Passau erfunden wurde, setzte er erst ab 1782 in Wien ein, zum erstenmal in seinem Singspiel Die Entführung aus dem Serail. Im gleichen Jahr könnte auch die B-Dur-Serenade entstanden sein, wie man aus der Papiersorte schließen kann, auf der die Partitur notiert ist. Neben den beiden Bassetthörnern verlangt das Werk zwei Oboen, zwei Klarinetten, vier Hörner, zwei Fagotte und Kontrabaß.
Die frühesten zeitgenössischen Berichte über die Serenade stammen aus dem Jahr 1784. Es handelt sich um eine Konzert-ankündigung und die eingangs zitierte Passage aus dem Tagebuch des Johann Friedrich Schink. Aus beiden geht hervor, daß der Hofklarinettist Anton Stadler – der Hausfreund Mozarts und Adressat aller seiner großen Klarinettenwerke – vier Sätze aus der Serenade in einem eigenen Konzert spielte.
Daß Stadler nur vier aus den insgesamt sieben Sätzen auswählte, ist verständlich. Denn die Gran Partita übertrifft in ihrer Ausdehnung alles, was Mozart in Wien an Instrumentalmusik geschrieben hat, selbst die späten Sinfonien. Die verwirrende Satzfolge erklärt sich aus den Traditionen des Wiener Divertimentos, die hier freilich ins Monumentale geweitet sind.
Den Anfang macht ein quasi-sinfonischer Sonatensatz mit einer feierlichen langsamen Einleitung. Deren punktierten Akkorde werden von der ersten Klarinette “dolce” beantwortet – sicher ein Hinweis auf Anton Stadlers erwiesenermaßen süßen Ton. Das anschließende Allegro ist ein frühes Zeugnis von Mozarts Haydn-Rezeption, denn es beruht – wie Haydns Sinfoniesätze – auf einem einzigen Einfall, den Klarinetten und Fagotte zu Beginn vorstellen. Er wird in leicht veränderter Form von den Bassetthörnern und Oboen im zweiten Thema aufgegriffen und auch in der Durchführung verarbeitet. Typisch für den Klang des Satzes ist das paarweise Auftreten der Holzbläser, unterbrochen von sinfonischen Tuttiblöcken.Die beiden Menuette, die das Adagio umschließen, hat Mozart im Charakter gegensätzlich angelegt. Das erste ist mit seinen affektierten Läufen, Verzierungen und Vorhalten ein höfisches Menuett, das zweite ein Volkstanz. Erstaunlich ist der Variantenreichtum in den vier Trios: Trio I des ersten Menuetts ist ein Quartett nur für Klarinetten und Bassetthörner, Trio II ein g-Moll-Stück ganz ohne Klarinetten, aber mit einem Fagottsolo in charakteristischer Triolenbewegung. Beim zweiten Menuett steht das erste Trio in Moll. Es ist das einzige in vollständiger Besetzung, von schattigem Klang und herber Chromatik in der fremdartigen Tonart b-Moll geprägt. Das Trio II sorgt danach als waschechter Ländler für einen heiteren Ausgleich.
Das Adagio ist einer der schönsten langsamen Sätze, die Mozart geschrieben hat. Über einem unablässig pulsierenden Klanggrund der Bässe und zweiten Stimmen setzt die erste Oboe in hoher Lage mit einer kantablen Melodie ein, die sie an erste Klarinette und erstes Bassetthorn weiterreicht. Zwischen diesen drei Instrumenten entspinnt sich ein immer intensiver werdender Dialog in drei Abschnitten und einer Coda. Kaum weniger betörend wirkt der zweite langsame Satz, die Romanze. Zu Mozarts Zeit verstand man darunter einen langsamen Satz in Rondoform mit kontrastierendem Mittelteil. Hier ist es eine schlichte, fallende Melodie, die im Durteil quasi unablässig wiederholt und im Mollmittelteil von einem aufgeregten Allegretto abgelöst wird.
Der Variationensatz dürfte Mozartfreunden noch aus einem anderen Werk des Meisters bekannt sein: dem C-Dur-Flötenquartett, KV 285b. Während man früher diese Version für eine Bearbeitung hielt, ergaben neuere Untersuchungen, daß Mozart vielleicht zunächst den Quartettsatz schrieb und diesen dann für die große Besetzung arrangierte. Man hört drei Variationen in Dur, eine in Moll, eine Adagio-Variation und eine fast kesse, tänzerische Schlußvariante.
Nach der hybriden Prachtentfaltung der ersten sechs Sätze wollte Mozart die Geduld der Hörer im Finale offenbar nicht weiter strapazieren. Er schrieb ein unkompliziertes Rondo, dessen Thema an die Melodie Vivat Bacchus, Bacchus lebe aus der Entführung erinnert.

2004

W.A.MOZART
Gran Partita, KV 361

Mozarts monumentalste Bläserserenade eröffnet den Abend in denkbar festlichster Weise. Wie die Zeitgenossen auf dieses wohl 1782 komponierte Stück reagierten, ist ausnahmsweise überliefert: “Hab’ auch heut eine Musik gehört mit Blasinstrumenten, von Herrn Mozart – herrlich und hehr! Sie bestand aus dreizehn Instrumenten,… und saß bei jedem Instrument ein Meister – o es tat eine Wirkung – herrlich und groß, trefflich und hehr!” Diese Tagebucheintragung eines Wiener Musikenthusiasten nach einem Konzert im Jahre 1784 ist ein authentisches Dokument für die Begeisterung, die Mozarts wahrhaft große Gran Partita bei den Zeitgenossen auslöste. Auch 200 Jahre später hat sie nichts von ihrer Faszination eingebüßt: In Milos Formans Film Amadeus fiel dem Adagio dieses Werkes die dankbare Aufgabe zu, Salieris erste Begegnung mit der Musik seines Konkurrenten zu untermalen: eine lange Kamerafahrt durch die Enfilade eines Rokokopalastes, begleitet vom suggestiven Klangteppich, den die Hörner und Fagotte vor der Solooboe ausbreiten. Die filmisch nicht ungeschickte Umsetzung spiegelt das Faszinosum wider, das nicht nur von diesem Satz, sondern von der gesamten Serenade ausgeht.

Der Titel Gran Partita, unter dem sie populär geworden ist, stammt nicht vom Komponisten. Auch die weit verbreitete Meinung, Mozart habe das Stück im Frühjahr 1781 in München für die Bläser der dortigen Hofkapelle komponiert, ist falsch. Denn das Bassetthorn, eine Altklarinette in F, die um 1770 in Passau erfunden wurde, setzte er erst ab 1782 in Wien ein, zum erstenmal in seinem Singspiel Die Entführung aus dem Serail. Im gleichen Jahr könnte auch die B-Dur-Serenade entstanden sein, wie man aus der Papiersorte schließen kann, auf der die Partitur notiert ist. Die auf den ersten Blick hypertrophe Form erklärt sich aus der Tradition des Wiener Divertimento, die hier freilich ins Monumentale geweitet ist. Den Anfang macht ein quasi-sinfonischer Sonatensatz mit einer feierlichen langsamen Einleitung. Das anschließende Allegro beruht – wie Haydns Sinfoniesätze – auf einem einzigen Einfall, den Klarinetten und Fagotte zu Beginn vorstellen. Er wird in leicht veränderter Form von den Bassetthörnern und Oboen im zweiten Thema aufgegriffen und auch in der Durchführung verarbeitet.

Die beiden Menuette, die das Adagio umschließen, hat Mozart im Charakter gegensätzlich angelegt. Das erste ist ein “Menuetto galante”, ein höfisches Menuett, das zweite ein veritabler Volkstanz. Erstaunlich ist der Variantenreichtum in den vier Trios: Trio I des ersten Menuetts ist ein Quartett nur für Klarinetten und Bassetthörner, Trio II ein g-Moll-Stück ganz ohne Klarinetten, aber mit einem Fagottsolo in charakteristischer Triolenbewegung. Beim zweiten Menuett steht das erste Trio in Moll. Es ist das einzige in vollständiger Besetzung, von schattigem Klang und herber Chromatik geprägt. Das Trio II sorgt als waschechter Ländler für einen heiteren Ausgleich.
Das Adagio ist einer der schönsten langsamen Sätze Mozarts. Über einem pulsierenden Klanggrund der Unterstimmen setzt die erste Oboe in hoher Lage mit einer kantablen Melodie ein, die sie an erste Klarinette und erstes Bassetthorn weiterreicht. Zwischen den drei entspinnt sich ein immer intensiver werdendes Terzett in drei Abschnitten und einer Coda. Kaum weniger betörend wirkt der zweite langsame Satz, die Romanze, eine schlichte, fallende Melodie, die im Durteil quasi unablässig wiederholt und im Mollmittelteil von einem aufgeregten Allegretto abgelöst wird.

Der Variationensatz dürfte Mozartfreunden aus dem C-Dur-Flötenquartett, KV 285b vertraut sein. Während man früher diese Version für eine Bearbeitung des größer besetzten Bläsersatzes hielt, ergaben neuere Untersuchungen, dass es wohl umgekehrt war. Wir hören drei Variationen in Dur, eine in Moll, eine Adagio-Variation und eine kesse, tänzerische Schlussvariante. Nach der hybriden Prachtentfaltung der ersten sechs Sätze wollte Mozart die Geduld der Hörer nicht weiter strapazieren. Er schrieb ein unkompliziertes Rondofinale, dessen Thema an Vivat Bacchus aus der Entführung erinnert.