Quintett c-Moll für zwei Violinen, zwei Violen und Violoncello, KV 406
Werkverzeichnisnummer: 1382
1. Allegro
2. Andante
3. Menuetto in Canone – Trio al rovescio
4. Allegro
Im April 1788 bot Mozart in der Wiener Zeitung den Kammermusikliebhabern folgendes neue Opus an: „drei neue Quintetten à 2 Violini, 2 Viola und Violoncello, schön und korrekt geschrieben“. Wer immer diese Ausgabe vorbestellte, dürfte sich über den Inhalt gewundert haben. Denn hier waren drei Streichquintette miteinander vereint, wie sie die Wiener Kammermusik bis dahin noch nicht gesehen hatte. Jedes einzelne von ihnen erreichte eine solche Ausdehnung, dass man auf der gleichen Anzahl von Seiten ein ganzes Opus von Komponisten wie Pleyel oder Hoffmeister untergebracht hätte, von den technischen Schwierigkeiten in allen fünf Stimmen ganz zu schweigen. Ein solches Werk hatte selbst verständlich seinen Preis. Erschwerend kam hinzu, dass zwei der drei Quintette in Moll standen, nämlich in den besonders düsteren Tonarten g-Moll und c-Moll. All dies war so ungewöhnlich, dass Mozart auf seinen Subskriptionsaufruf hin so gut wie gar keine Reaktion erhielt.
Auch die Verleger hatten sich zunächst zurück gehalten. Das Opus wurde in handgeschriebenen, nicht in gedruckten Stimmen angeboten. Erst als der Musikverlag Artaria zwei der Quintette 1789 jeweils einzeln als Gran Quintetto herausbrachte, verkauften sie sich besser. Nach und nach avancierten sie zu Lieblingsstücken der Wiener Kammermusikzirkel.
Bei diesen beiden Werken, die noch zu Mozarts Lebzeiten gedruckt wurden, handelt es sich um die großen Quintette in C-Dur und g-Moll, KV 515 und 516, vollendet im April und Mai 1787 als regelrechte „Schwesterwerke“. Das dritte Werk des Opus dagegen blieb auf Jahre hinaus ungedruckt, was für seine Beliebtheit fatale Folgen hatte. Bis heute steht das c-Moll-Quintett, KV 406, im Schatten der beiden anderen Werke, mit denen es schon allein deshalb nicht konkurrieren kann, weil es eine Bearbeitung ist. Mozart hatte hier seine große c-Moll-Serenade für acht Bläser, KV 388, für Streichquintett umgeschrieben. Jene „Nachtmusique“ für acht Bläser, komponiert 1782, hatte ihren Zweck offenbar erfüllt und war aus dem Repertoire der einschlägigen Bläserensembles in Wien durch neuere Musik verdrängt worden. Um dieses wundervolle, hoch anspruchsvolle Werk auf dem Notenmarkt auswerten zu können, hat es Mozart für Streicher umgeschrieben.
Zumindest ein Zeitgenosse war von dieser Bearbeitung tief beeindruckt: Ludwig van Beethoven. Als er 1792 nach Wien kam, tat er genau das gleiche wie Mozart: Er schrieb sein Bonner Bläseroktett in Es-Dur in ein Streichquintett um, das er als Opus 4 publizierte. Man sieht: Vor vornherein abwerten sollte man diese Form der Bearbeitung nicht, da zwei der schönsten Streicherwerke Mozarts und Beethovens daraus hervorgegangen sind.
Der Kopfsatz von Mozarts c-Moll-Quintett beginnt mit einem schweren und düsteren c-Moll-Akkord, der im Unisono der Instrumente nach oben steigt, bis er durch einen verminderten Sextsprung nach unten umgebogen wird. Verängstigte Seufzer sind die Folge, auf die ein förmlich schreiender Akkord folgt. In kaum einem Allegro-Kopfsatz von Mozart verbergen sich so starke Kontraste und musikalisch-rhetorische Wendungen fast barocken Provenienz auf engstem Raum. Man spürt hier die Nähe zur großen c-Moll-Messe, die Mozart in der gleichen Zeit wie die Vorlage des Quintetts komponiert hat.
Das träumerische Andante bildet dazu einen zauberhaften Kontrast. Mozart gelang es hier, die Atmosphäre eines nächtlichen Parks in Tönen einzufangen, ähnlich wie im Ständchen der Liebhaber im zweiten Akt von „Così fan tutte“. Diese Serenaden-Atmosphäre kommt auch in der Streicherfassung des Satzes herrlich zur Geltung.
Für Menuett und Finale kehrte Mozart zur Grundtonart c-Moll zurück – im Rahmen eines Streichquintetts eine geradezu unerhörte Provokation. Im Tanzsatz und im tänzerischen Kehraus des Schlusses durfte man fröhliches Dur erwarten. Nichts davon bei Mozart: Das Menuett ist sogar als strenger Kanon entworfen („Minuetto in Canone“), das Trio gar als noch strengerer Kanon in der Umkehrung („al rovescio“): alles, was eine Stimme vorgibt, wird von der nächsten zwar im Kanon nachgespielt, dabei aber alle Intervalle umgekehrt.
Um diesem komplizierten Quintett die Krone aufzusetzen, schrieb Mozart Variationen von so düsterer und kompromissloser Art, wie sie in keinem Streichquintett seiner Zeit vorkommen. Das Thema ist ein Contretanz von leicht orientalischem Kolorit, der an die „Entführung aus dem Serail“ erinnert.