Klarinettenquintett A-Dur, KV 581 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Wolfgang Amadeus Mozart

Klarinettenquintett A-Dur, KV 581

Quintett A-Dur für Klarinette, zwei Violinen, Viola und Violoncello, KV 581

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1379

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Larghetto

3. Menuetto – Trio I -/Trio II

4. Allegretto con variazioni

Erläuterungen

Mozarts Klarinettenquintett, vollendet am 29. September 1789, ist eine der schönsten musikalischen Freundesgaben der Musikgeschichte. In seinem Umkreis nannte man es nur “des Stadlers Quintett”, denn er hat es für den Wiener Klarinettisten Anton Stadler geschrieben. Derselbe, drei Jahre älter als Mozart und aus Bruck an der Leitha stammend, war eine Art Faktotum des Mozartschen Haushalts. Vom Komponisten wurde er nicht ohne zärtlichen Spott “Ribieslgesicht” (zu deutsch: Johannisbeergesicht) genannt, wohl, weil Stadler seinen so weithin gerühmten Klarinettenton nicht ohne Anstrengung hervorbrachte.

Mozart liebte die Klarinette wegen ihres der Singstimme ähnlichen Timbres; kein Klarinettist des 18. Jahrhunderts hat diese Ähnlichkeit vollendeter zum Ausdruck gebracht als Stadler. Dazu bediente er sich nicht nur der üblichen Klarinetten in den gebräuchlichen Stimmungen (C, B, A), sondern auch tieferer Instrumente. Es waren dies neben dem Bassetthorn in F oder G die sogenannte “Bassettklarinette”, eine A-Klarinette, deren Umfang in der Tiefe bis zum C erweitert war. Für dieses Instrument hat Mozart ursprünglich sowohl sein Klarinettenquintett als auch sein Klarinettenkonzert geschrieben. Heute werden sie, da Mozarts Autographe verloren sind, meist nach den gedruckten Versionen für normale Klarinette aus dem frühen 19. Jahrhundert gespielt

Das Klarinettenquintett begeistert schon beim ersten Hören durch seinen puren klanglichen und melodischen Zauber. Es bestätigt in jedem Takt den “unerhörten Reiz von Mozarts Melodie und seine Grazi”, wie es Richard Strauss nannte. Dabei birgt es aber unter den Oberfläche “melancholischer Heiterkeit” die “ganze Skala des Ausdrucks menschlichen Empfindens”, um ein weiteres Strauss-Wort zu zitieren. Dur-Gesang wird durch Moll-Eintrübungen gebrochen (zweites Thema des ersten Satzes); die stille Abgeklärtheit der Themen ist von untergründiger Trauer durchzogen (Larghetto); Volkstümlichkeit grenzt unmittelbar an erhabene Einfalt und stille Größe (Menuett und Finale). Diese Verschmelzung von Heiterkeit und sanfter Trauer ergab sich für Mozart aus dem Zusammenspiel von Klarinette und Streichern beinahe von selbst.

Es lohnt sich, zu Begriffen Arnold Schönbergs zu greifen, um die subtilen Methoden Mozarts in diesem Werk zu beleuchten. So ist das Hauptthema des ersten Satzes iein Musterbeispiel für Mozarts “Zusammenfassung heterogener Charaktere in eine thematische Einheit”, wie es Schönberg nannte: Die Streicher spielen eine melodische Linie in ruhigen, absteigenden Halbenoten, mit sanften Dissonanzen durchsetzt; die Klarinette antwortet mit einer aufgeregten Sechzehntelarabeske. Gegensätzlicher könnten die beiden Bestandteile des Themas kaum sein. Hinzu kommt “die Ungleichheit der Phrasenlänge”, die Schönberg an Mozart bewunderte. Die Streicherphrase umfasst sechs Takte, die der Klarinette nur zwei; die achttaktige Periode ist also unregelmäßig gegliedert. Eine weitere der von Schönberg benannten Eigenarten Mozarts, “die Kunst der Nebengedankenformung”, wird in der Überleitung des ersten Satzes deutlich: Im Anschluss an das erste Thema bringen Klarinette und Cello eine neue Legatofigur, eine Kette von Appoggiaturen, die so lange abwärts sequenziert werden, bis die Bewegung ins Stocken gerät und sich aus einem neuen kraftvollen Impuls der Klarinette der Übergang zum Seitenthema ergibt.

Auf der Basis dieser “subkutanen Schönheiten”, so Schönbergs Ausdruck, sind die vier Sätze des Klarinettenquintetts von beispielhafter Klarheit der Dramaturgie. Die einheitliche Stimmung des gesamten Werkes entsteht dabei nicht zuletzt dadurch, dass die Themen des ersten Satzes, des Menuetts und des Finales auf der gleichen fallenden Linie beruhen. Im ersten Satz beantwortet die Klarinette das ruhige Streicherthema in der schon beschriebenen Weise; in der Reprise kehren sich die Verhältnisse um. Das wundervolle Seitenthema der ersten Violine über Pizzicato greift die Klarinette in schon romantischer Mollfärbung auf. Die Durchführung mit dramatischen Soli für alle Instrumente und die stark veränderte Reprise vermitteln kongenial zwischen dem konzertanten Anspruch des Blasinstruments und der “durchbrochenen Arbeit” des Streichquartettsatzes.

Der langsame Satz nimmt in seinem ruhigen Gesang den des Klarinettenkonzerts vorweg. Nach der einleitenden Klarinettenmelodie, einer idealisierten Kavatine, entwickelt sich ein opernhaftes Duett mit der ersten Violine, das sich bis zum beredten Zwiegespräch steigert. An den Übergängen zwischen den Formteilen kommt es zu wundervollen Vorhaltswendungen in hoher Lage.

Das Menuett zeigt kantable Qualitäten, ebenso das erste Trio in Moll, das die Streicher alleine bestreiten, während das zweite Trio ein waschechter Ländler für die Klarinette ist.

Die abschließenden Variationen gehören in ihrer kontrapunktischen Feinheit und ihren ausgeprägten Charakteren zu Mozarts bedeutendsten. Das Thema im Tanzrhythmus einer Gavotte könnte aus der Zauberflöte stammen, so deutlich nimmt es Papagenos Liedmelodien vorweg. Auch die Synthese aus Volkstümlichkeit und stiller Größe in Mozarts vorletzter Oper wird hier im Rahmen der Kammermusik schon vorweggenommen. Jedes Instrument ist mit einem Solo an den Variationen beteiligt, die Bratsche in der obligatorischen Mollvariation. In der Uraufführung war dies vermutlich Mozarts eigenes Solo, da er in der Kammermusik in seinen späten Jahren für gewöhnlich die Bratsche spielte. Höhepunkt des Satzes ist die Adagiovaration, ein breit ausgeführter Gesang, an dessen Ende die Zeit für einige wundervolle Akkorde stil zu stehen scheint, bevor sich die letzte Variation in einen schmissigen Kehraus verwandelt.