Quartett Es-Dur für Violine, Viola, Violoncello und Klavier KV 493
Werkverzeichnisnummer: 1373
1. Allegro
2. Larghetto
3. Allegretto
Kürzere Version:
Mozart schrieb seine beiden einzigen Klavierquartette in den Jahren 1785/86 in Wien. Sie sind die ersten bedeutenden Beispiele einer Gattung, die zu seiner Zeit noch jung und dem Wiener Publikum wenig vertraut war. Dies mag erklären, warum der Verleger Franz Anton Hoffmeister, der den Komponisten ursprünglich um drei Klavierquartette zur Veröffentlichung gebeten hatte, von diesem Auftrag zurücktrat, als sich das erste von Mozart gelieferte Quartett in g-Moll nur schlecht verkaufte. Das zweite, in unserem Konzert gespielte in Es-Dur übernahm Hoffmeister nicht mehr in seinen Verlag, obwohl er die Violinstimme bereits hatte in Kupfer stechen lassen. Er verkaufte di efertigen Druckplatten an seinen Konkurrenten Artaria, bei dem das Werk denn auch 1786 erschien.
Komponiert wurde das Es-Dur-Quartett, wie die Köchelverzeichnis-Nummer 493 zeigt, unmittelbar nach dem Abschluss der Oper Le nozze di Figaro, KV 492, im Mai und Juni 1786. Im Gegensatz zu dem hermetisch strengen g-Moll-Quartett wirkt das Es-Dur-Werk freundlicher und im Gestus konzertanter, mehr auf die solistischen Qualitäten des Klaviers konzentriert; es ist jedoch keineswegs weniger anspruchsvoll. Seine thematische Anlage wirkt ebenso verschwenderisch wie die des früheren Werkes – im ersten Satz gibt es allein fünf verschiedene, melodisch weit ausgesponnene Themen. Der Ausdruck ist sehr individuell, voll lyrischer Zwischentöne, besonders in den Seitenthemen des ersten Satzes und im Larghetto, das zu Mozarts schönsten langsamen Sätzen gehört. Auffällig ist die konsequente Gegenüberstellung von Klavier und Streichtrio, so etwa gleich zu Beginn des Allegros, wenn nach dem furiosen Tutti-Einstieg Klavier und Streicher in einer zurückgenommenen Passage dialogisieren. Gegenstand ihres Dialogs ist im weiteren Verlauf des Satzes ein Überleitungsmotiv mit Schleifer, das alle Teile der Sonatenform bis zur Coda durchdringt.
Das motivische Spiel zwischen Klavier und Streichern setzt sich im Larghetto fort, getragen vom „sprechenden“ Ausdruck des absteigenden Kopfmotivs und seiner affekthaften Punktierung mit Schleifer. Besonders beeindruckend sind in diesem Satz die tiefliegenden Modulationspassagen der Durchführung, die Stimmungen der Romantik vorwegzunehmen scheinen. Das Finale in der Form eines Sonatenrondos ist einer der großartigsten Versuche Mozarts, den Stil der Opera buffa mit dem anspruchsvollen Charakter klassischer Kammermusik zu verbinden. Der modulatorische Reichtum und die subtile motivisch-thematische Arbeit des Satzes erinnern an die großen Finali des 2. und 4. Aktes von Le nozze di Figaro, eine Affinität, die auch in den melodischen Wendungen zum Vorschein kommt.
Längere Version:
1785 erhielt Mozart von dem Wiener Verleger Franz Anton Hoffmeister den Auftrag, drei Quartette für Fortepiano und Streichtrio zu schreiben. Hoffmeister wollte sie in seinen regelmäßig erscheinenden Heften mit neuer Klaviermusik den Wiener Musikliebhabern zur Subskription anbieten, denn Klavierquartette gehörten nach dem Verständnis der Zeit zur „begleiteten“ Klaviermusik, d. h. die Streicher spielten in ihnen eine untergeordnete Rolle. Unglücklicherweise hatte Mozart eine andere Vorstellung von der Gattung. Er strebte einen echten Dialog zwischen Streichern und Klavier an, was er in seinen beiden Klavierquartetten für Hoffmeister exemplarisch demonstrierte. Als das erste in g-Moll zur Subskrition angeboten wurde, fanden sich so wenige Käufer für das schwierige Werk, dass Hoffmeister Mozart um Lösung des Vertrags bat. Er verkaufte die Druckplatten des zweiten Quartetts in Es-Dur an seinen Konkurrenten Artaria. Das dritte bestellte Quartett hat Mozart gar nicht mehr geschrieben.
Warum gerade die beiden Klavierquartette von Mozart die Zeitgenossen so sehr überforderten, ist dem Bericht eines Reisenden zu entnehmen, der einer Laienaufführung von einem der beiden Quartette beiwohnen durfte: „Es konnte nicht gefallen; alles gähnte vor Langerweile über dem unverständlichen Tintamarre von 4 Instrumenten, die nicht in vier Takten zusammen paßten… Welch ein Unterschied, wenn dieses vielbemeldete Kunstwerk von vier geschickten Musikern höchst präcis vorgetragen wird! Aber freylich ist hiebey an keinen Eclat, an keinen glänzenden Mode-Beyfall zu denken.“ Nach diesem Bericht zu urteilen, erschienen Mozarts Klavierquartette den Zeitgenossen als eine Musik für Kenner und in der Ausführung als ein heikles Unterfangen, das nur Profis bewältigen konnten.
Es überrascht deshalb nicht, dass der frühe Mozart-Biograph Nikolaus von Nissen gerade im Bezug auf die beiden Klavierquartette vom hohen Anspruch der mozartschen Musik schrieb: „Das Fremdartige der originellen Werke, die, aus seinem tiefen Innern entsprungen, in eigenthümlicher Gestalt auftreten, verblüfft, ihr vom Gewohnten Abweichendes verwirrt, reizt auch wohl zum Widerspruch, ihren eigenthümlichen Sinn fasst man nicht leicht, oder kann sich ihn doch nicht aneignen, ihre Manier scheint erzwungen… Nur darum sprach Mozart’s erstes Clavier-Quartett, Gb, anfangs so wenige an, daher der Verleger Hoffmeister dem Meister den vorausbezahlten Theil des Honorars unter der Bedingung schenkte, dass er die zwey accordirten Quartette nicht schrieb und Hoffmeister seines Contractes entbunden wäre; – später wurden immer mehr von dieser Musik eingenommen, und jetzt würden wir das Manuscript, das wir unterdrückten, gewiss mit Perlen aufwiegen, wenn wir es damit hervorzaubern könnten.“
Das Es-Dur-Quartett vollendete Mozart, wie die Köchel-Nummer 493 zeigt, unmittelbar nach der Oper Le nozze di Figaro, KV 492, im Juni 1786. Im Vergleich zum g-Moll-Quartett wirkt es freundlicher, im Satz aufgelockerter und konzertanter, es ist jedoch keineswegs weniger anspruchsvoll. Seine thematische Anlage ist geradezu verschwenderisch: Im ersten Satz gibt es allein fünf verschiedene, melodisch weit ausgesponnene Themen. Der Ausdruck ist sehr individuell, voll lyrischer Zwischentöne, besonders in den Seitenthemen dieses Satzes und im Larghetto, das zu Mozarts schönsten langsamen Sätzen gehört. Auffällig ist die konsequente Gegenüberstellung von Klavier und Streichtrio. In der Tat hat Mozart hier die Kunst des kammermusikalischen Dialogs auf einen einsamen Gipfel geführt. Aus dem stürmischen Anfang in einem sinfonisch auftrumpfenden Es-Dur-KLang, der auch As berührt, schält sich unversehens ein kantables Motiv des Klaviers heraus, das vom Streichtrio mit zarten Synkopen beantwortet wird. Dieser Anfang setzt intonatorische Sicherheit und ein Gefühl für weit gespannte thematische Zusammenhänge voraus, die den Zeitgenossen angesichts der Wiener Durchschnittsware an Kammermusik fremd war. Gegenstand des weiteren kammermusikalischen Dialogs ist jenes unscheinbare Motiv mit Schleifer, das alle Teile der Sonatenform bis zur Coda durchdringt.
Dieses motivische Spiel setzt sich im Larghetto fort, getragen vom „sprechenden“ Ausdruck des Hauptthemas, das wie ein Spiel mit Frage und Antwort wirkt. Verzierungen spielen in diesem Satz wie im ersten eine wichtige Rolle, ebenso hochromantische Modulationen in der tiefen Lage des Klaviers.
Das Finale in der Form eines Sonatenrondos ist einer der großartigsten Versuche Mozarts, den Stil der Opera buffa mit dem anspruchsvollen Charakter klassischer Kammermusik zu vereinen. Der modulatorische Reichtum und die subtile motivisch-thematische Arbeit deses Satzes erinnern an die großen Finali des 2. und 4. Aktes von Le nozze di Figaro, eine Affinität, die auch in den melodischen Wendungen zum Vorschein kommt.
2002
W. A. MOZART
Klavierquartett Es-Dur, KV 493
Nicht erst die Komponisten des 20. Jahrhunderts machten die Erfahrung, mit ihrer Musik beim Publikum auf Unverständnis, ja Ablehnung zu stoßen. Selbst Mozart, für Hugo von Hofmannsthal „so klar wie der schimmernde Kristall“, erschien seinen Zeitgenossen oft genug dunkel und unverständlich. Seine beiden Klavierquartette sind dafür Musterbeispiele. Von der glänzenden Fassade des uns so klassisch erscheinenden Es-Dur-Quartetts, KV 493, sollte man sich nicht blenden lassen: „eingängig“ oder gar „populär“ war diese Musik seinerzeit keineswegs. Die Wiener Zeitgenossen waren, wenn sie sich an den Hammerflügel setzten, um mit Freunden oder Verwandten Kammermusik zu machen, leichtere Kost gewöhnt. Dass Mozart sich mit „derlei Kleinigkeiten“ nicht zufriedengab, bekam er im Falle der Klavierquartette überdeutlich zu spüren.
Zwei Quellen geben darüber Auskunft: Nikolaus von Nissen, der zweite Ehemann von Mozarts Witwe Constanze, in seiner Mozart-Biographie und der zeitgenössische Bericht eines Reisenden, der sich der Dilettantenaufführung eines Mozartschen Klavierquartetts ausgesetzt sah: „Es konnte nicht gefallen; alles gähnte vor Langerweile über dem unverständlichen Tintamarre von 4 Instrumenten, die nicht in vier Takten zusammen paßten… Welch ein Unterschied, wenn dieses vielbemeldete Kunstwerk von vier geschickten Musikern höchst präcis vorgetragen wird! Aber freylich ist hiebey an keinen Eclat, an keinen glänzenden Mode-Beyfall zu denken.“ Mozarts Klavierquartette erschienen den Zeitgenossen als eine Musik für Kenner und in der Ausführung als ein heikles Unterfangen. Nissen ging in seiner Wertung noch weiter: „Das Fremdartige der originellen Werke, die, aus seinem tiefen Innern entsprungen, in eigenthümlicher Gestalt auftreten, verblüfft, ihr vom Gewohnten Abweichendes verwirrt, reizt auch wohl zum Widerspruch, ihren eigenthümlichen Sinn fasst man nicht leicht, oder kann sich ihn doch nicht aneignen, ihre Manier scheint erzwungen.“ Nur darum, so berichtet er weiter, sei Mozarts erstes Klavierquartett in g-Moll ein Misserfolg geworden, was den Verleger Hoffmeister dazu zwang, die schon gestochenen Stimmen des zweiten Quartetts in Es-Dur an seinen Konkurrenten Artaria zu verkaufen, um das unliebsame Stück loszuwerden.
Komponiert wurde dieses Es-Dur-Quartett, wie die Köchelverzeichnis-Nummer 493 zeigt, unmittelbar nach dem Abschluss der Oper Le nozze di Figaro, KV 492, im Mai und Juni 1786. Im Gegensatz zum strengen g-Moll-Quartett wirkt es freundlicher und konzertanter, mehr auf die solistischen Qualitäten des Klaviers konzentriert; es ist jedoch keineswegs weniger anspruchsvoll.
Die thematische Anlage wirkt ebenso verschwenderisch wie im g-Moll-Quartett. Im ersten Satz gibt es allein fünf verschiedene, melodisch weit ausgesponnene Themen. Der Ausdruck ist sehr individuell, voll lyrischer Zwischentöne, besonders in den Seitenthemen des ersten Satzes und im Larghetto, das zu Mozarts schönsten langsamen Sätzen gehört. Auffällig ist die konsequente Gegenüberstellung von Klavier und Streichtrio, so etwa gleich zu Beginn des Allegros, wenn nach dem furiosen Tutti-Einstieg Klavier und Streicher in einer zurückgenommenen Passage dialogisieren. Gegenstand ihres Dialogs ist im weiteren Verlauf des Satzes ein Überleitungsmotiv mit Schleifer, das alle Teile der Sonatenform bis zur Coda durchdringt. Das motivische Spiel zwischen Klavier und Streichern setzt sich im „sprechenden“ Ausdruck des Larghetto fort, während es im Rondo die Züge eines Opera buffa-Finales annimmt – der zweite Akt des Figaro lässt grüßen.