Quartett D-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, KV 155
Werkverzeichnisnummer: 1364
1. Allegro
2. Andante.
3. Rondo.Allegro
Dass Mozarts frühe Streichquartette auf uns heute keinen so nachhaltigen Eindruck machen wie etwa die des jungen Mendelssohn, liegt an den Umständen, unter denen sie entstanden, und an den Vorbildern, die der sechzehnjährige Komponist hier aufgriff.
Ende Oktober 1772 waren Vater und Sohn Mozart wieder einmal auf der Reise nach Italien, in diesem Fall, um die Premiere von Mozarts dritter Mailänder Oper, „Lucio Silla“, vorzubereiten. Aus Bozen schrieb der Vater nachhause: „Der Wolfgang befindet sich auch wohl; er schreibt eben für die lange Weile ein quatro.“ Das Wort „Quadro“ war damals ein in Deutschland noch weit verbreiteter Ausdruck für Quartette, der alsbald vom italienischen „Quartetto“ oder deutschen „Quartett“ abgelöst wurde. Mozart schrieb das erste seiner sogenannten „Mailänder Quartette“ also aus Langeweile, zur Ablenkung während der langen Wartezeiten auf den Italienreisen. Aus eben diesem Grunde hatte er auf der ersten Italienreise im März 1770 in Lodi bei Mailand sein überhaupt erstes Streichquartett KV 80 verfasst – „abends im wirtshaus“, wie er sich noch Jahre später erinnerte.
Ein Zeitvertreib war es, den Mozart in diesen frühen Quartetten suchte, noch nicht der hohe Kunstanspruch der von Joseph Haydn geprägten „Gattung“ Streichquartett. Seine Mailänder Quartette sind knappe, dreisätzige Werke, in denen „singendes Allegro“, perlende Läufe und kantabler Reichtum an italienisch geprägten Melodiemustern vorherrschen. Mozarts Vorbilder waren die dreisätzigen Quartette italienischer Meister, die er in der Sammlung des Grafen Ximenes in Padua hatte studieren können, Werke von Boccherini, Guglielmi, Ferrandini, Stratico und Galuppi, aber auch von seinem böhmischen Freund Josef Myslivecek. Des letzteren italienische Quartette Opus 3 waren vielleicht die entscheidenden Vorbilder für den jungen Mozart.
KV 158
Die langsamen Sätze offenbaren in Mozarts „Mailänder Quartetten“ oft die tiefsten Gedanken und die originellste Anlage. Während der Kopfsatz des F-Dur-Quartetts ein etwas kurzatmiges, von einer Triolenfigur und Trillern bestimmtes Allegro ist, offenbart das „Andante quasi Allegretto“ in a-Moll eine andere Welt. Voller tragischer Untertöne zieht ein trauriges Thema aus gebrochenen Dreiklängen durch die Stimmen, von Seufzern begleitet. Eine wundervolle Modulation nach C-Dur bringt zwar triolische Belebung und ein schönes Geigensolo, aber der etwas dumpfe Charakter eines Trauerkondukts bleibt dem Satz erhalten. Auch das abschließende Menuett wird davon überschattet. Sein leises Hauptthema in F-Dur ist schon an sich kein fröhlicher Kehraus, eher eine empfindsame Weise voll leiser Seufzer. Der Mittelteil aber ist eine Klagemelodie in f-Moll, laut, misanthropisch, ein Absturz. Schon beim frühen Mozart bricht manchmal der tragische Ton hervor und zieht die Musik in Untiefen.
KV 160
Das Es-Dur-Quartett KV 160 schrieb Mozart ganz auf der Höhe seiner Zeit und jener oben erwähnten Vorbilder. Der erste Satz ist ein „singendes Allegro“ in Reinform, mit einem melodisch wunderschönen, rhythmisch pulsierenden Geigenthema über dem „Trommelbässen“ der Begleitung. Perlendes Laufwerk und empfindsame Seufzer lassen keinen Schatten am Horizont aufziehen, und so bleibt auch die Durchführung mit Molleintrübung ganz knapp. Im gleichen Duktus einer beseelten Opera-Seria-Arie setzt das „Un poco Adagio“ ein, allerdings nicht auf dem Grundakkord der Tonart As-Dur, sondern mit einer überraschenden Dissonanz und Wendung in die doppelte Dominante. Mozarts Freude an harmonischer Überraschung trübt aber nicht das selige Singen dieses Satzes. Ganz sinfonisch im Klang und knapp in der Anlage gibt sich das Presto-Finale – wie der in Italien damals kurze Schlussatz einer Opernsinfonia.
KV 155
Mozart started string quartet writing on his first travel to Italy in 1770, in a hotel at Lodi near Milan, when he was not older than 14. Two years later, he continued this spare time activity during his third travel to Italy. His father reported in a letter from Bolzano in South Tyrol that Mozart had started a new string quartet, because the journey was so long and boring. Mozart, already then a professional composer, had been invited back to Italy in order to write the grand opera for Milan’s carnival season, Lucio Silla, which is a highly dramatic piece of greatest musical beauty, written for some of the most famous singers of Mozart’s time. In the D Major quartet, K 155, the one written in Bolzano, one can hear that Mozart already had the singers of his opera in mind. The first movement closely resembles the wonderful Allegro arias in Lucio Silla, in that it mixes splendid melodic flow with coloratura-like passages – as if the first violin was an Italian primadonna. In contrast to Vienna, where string quartets had to have four movements including a Minuet, Mozart used a three-movement lay out for his six Italian quartets. In K 155, the Allegro is followed by a short, but sweet Andante and a dance-like Rondo in very fast tempo.