Fantasie f-Moll für eine Orgelwalze, KV 608
„Ein Orgelstück für eine Uhr“
Werkverzeichnisnummer: 1349
Allegro – Andante – Allegro
Ein originales Bläserquintett in der Besetzung Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott hat Mozart nicht geschrieben – im Unterschied zu seinen Zeitgenossen Rosetti und Cambini, die diese Besetzung bereits benutzten. Arrangements mozartscher Stücke, insbesondere solcher für die Flötenuhr, ersetzen das fehlende Originalquintett.
Im Winter 1790/91 schrieb Mozart für ein Wiener Wachsfiguren- und Kuriositätenkabinett mehrere Stücke für die „Flötenuhr“, die er auch „Orgelwerk in einer Uhr“ oder „Orgelwalze“ nannte. Dazu gehören die beiden f-Moll-Stücke KV 594 und KV 608, die heute meist auf der Orgel oder vierhändig am Klavier gespielt werden. Die düsteren Klänge dieser beiden Spätwerke Mozarts kann man nur verstehen, wenn man den Hintergrund ihrer Entstehung kennt.
„Orgelwerk oder Orgelwalze – Mozart gebraucht z.T. noch andere Bezeichnungen – meint im Prinzip ein und dasselbe Instrument oder besser denselben Instrumententyp: die Flötenuhr, das ist eine mechanische Orgel wechselnder Größe, die mit einem Uhrwerk gekoppelt ist, das das automatische Abspielen des Orgelwerks in bestimmten regelmäßigen Zeitabständen ermöglicht. Wichtigster Teil des Automaten-Mechanismus ist eine drehbare Stiftwalze, deren Stifte bei der Rotation auf entgegenstehende Hebel treffen, die ihrerseits für die Dauer der Berührung bzw. Bewegung die Ventile eines Orgelpfeifenwerks betätigen.“ (Wolfgang Plath) Auf die drehbare Stiftwalze war jenes Musikstück aufgeschlagen bzw. aufgepresst, das mittels der Mechanik im Orgelwerk regelmäßig abgespielt werden konnte.
Im Wachsfigurenkabinett des Grafen Deym zu Wien waren solche Flötenuhren nicht nur als mechanische Sensation zu bestaunen, sondern dienten auch als akustische Untermahlung für optische Attraktionen. Der „Hofstatuarius Müller“ alias Graf Deym, der seinen Adelstitel wegen der Verwicklung in diverse Duelle nicht führen durfte, stellte in seiner k. k. privilegierten Kunstgallerie ab 1780 Wachsfiguren berühmter Persönlichkeiten zur Schau, zu denen die „Flötenuhren“ die passende Musik lieferte. Mozarts f-Moll-Stücke dienten als Trauermusiken zu einer gigantische „Trauershow“ zu Ehren von Österreichs berühmtestem Feldherrn, Feldmarschall Laudon. Der Sieger in der Schlacht bei Kunersdorf und Maria Theresias erfolgreichster Befehlshaber war im Juni 1790 gestorben. Graf Deym ließ eine Wachsfigur des Feldherrn in einer Art Mausoleum aufstellen und dazu in stündlichem Abstand von einer Flötenuhr die Trauermusiken Mozarts spielen. Wie die Wiener Zeitung am 26. März 1791 berichtete, war es „unmöglich, das ganze lebhaft genug durch Worte zu schildern“. Dass die „Trauer Musique“ eine „Komposition von Hrn. Kapellmeister Mozart“ war, wurde in den Zeitungen eigens erwähnt. Es rechtfertigte den hohen Eintrittspreis.
Besonders die f-Moll-Fantasie, KV 608, scheint bei den Zuhörern einen tiefen Eindruck hinterlassen zu haben, wie man dem Bericht eines Ohrenzeugen entnehmen kann: „Noch erinnere ich mich aus meinen Jugendjahren des lebhaften Eindrucks, den die wiederholte, oft wiederholte Anhörung dieses genialen Producktes unvertilgbar meinem Gedächtnisse einprägte. Tausend verschiedenartige Empfindungen erweckt das, fast möchte ich sagen, furchtbar wilde Allegro, mit seinem künstlich verarbeiteten Fugenthema… Sphärengesang ist das liebliche, so äußerst zarte Adagio in As dur; es entlockt Thränen der Sehnsucht nach oben. Zurück in das unruhige menschliche Leben schleudert das wiederholt eintrettende Allegro. Die zwey mittsamen streitenden Fugenthematen geben ein treffendes, ernstes, kräftiges Bild des Kampfes der Leidenschaften. Nur am Ziele ist Ruhe… Nach jenseits deutet der Schluß.“
Erstaunlich lebhaft hatte dieser Zuhörer noch nach Jahrzehnten die Form des Stückes im Gedächtnis: Nach einem kurzen Präludium beginnt eine strenge, orgelmäßige Doppelfuge, die in der Mitte von einem umfangreichen Andante unterbrochen wird. Am Ende kehren Präludium und Doppelfuge wieder, mit neuen kontrapunktischen Komplikationen und harmonischen Härten versehen.
2005
Die große f-Moll-Fantasie KV 608 dagegen hat Mozart für eine große mechanische Orgel geschrieben, und zwar als musikalischen Hintergrund für eine Art Trauerschau im Wiener Wachsfigurenkabinett des Grafen Deym. Um dieses bedeutende Stück, das heute meist von den Organisten auf großen Kirchenorgeln gespielt wird, zu verstehen, müssen wir uns das Ambiente ins Gedächtnis rufen, in dem es zuerst erklang.
Der „Hofstatuarius Müller“ alias Graf Deym, der seinen Adelstitel wegen der Verwicklung in diverse Duelle nicht mehr führen durfte, stellte in seiner k. k. privilegierten Kunstgallerie ab 1780 Wachsfiguren berühmter Persönlichkeiten zur Schau, zu denen Flötenuhren die passende Musik lieferten. Mozarts f-Moll-Fantasie diente als Trauermusik zu Ehren des berühmtesten österreichischen Feldherrn, Feldmarschall Laudon.
Der Sieger in der Schlacht bei Kunersdorf und treue General Maria Theresias war im Juni 1790 verstorben. Graf Deym ließ eine Wachsfigur des Feldherrn in einer Art Mausoleum aufstellen und dazu in stündlichem Abstand von einer Flötenuhr die Trauermusik Mozarts spielen. Wie die Wiener Zeitung im März 1791 berichtete, war es „unmöglich, das ganze lebhaft genug durch Worte zu schildern“. Dass die „Trauer Musique“ eine „Komposition von Hrn. Kapellmeister Mozart“ war, wurde in den Zeitungen eigens erwähnt. Es rechtfertigte den Eintrittspreis.
Die f-Moll-Fantasie, KV 608, scheint bei den Zuhörern einen tiefen Eindruck hinterlassen zu haben, wie man dem Bericht eines Ohrenzeugen entnehmen kann: „Noch erinnere ich mich aus meinen Jugendjahren des lebhaften Eindrucks, den die wiederholte, oft wiederholte Anhörung dieses genialen Producktes unvertilgbar meinem Gedächtnisse einprägte. Tausend verschiedenartige Empfindungen erweckt das, fast möchte ich sagen, furchtbar wilde Allegro, mit seinem künstlich verarbeiteten Fugenthema… Sphärengesang ist das liebliche, so äußerst zarte Adagio in As dur; es entlockt Thränen der Sehnsucht nach oben. Zurück in das unruhige menschliche Leben schleudert das wiederholt eintretende Allegro. Die zwey mittsamen streitenden Fugenthematen geben ein treffendes, ernstes, kräftiges Bild des Kampfes der Leidenschaften. Nur am Ziele ist Ruhe… Nach jenseits deutet der Schluß.“
2002
W. A. MOZART
Fantasie f-Moll, KV 608
Ein originales Bläserquintett in der Besetzung Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott hat Mozart nicht geschrieben. Arrangements Mozartscher Stücke, insbesondere solcher für die Flötenuhr, ersetzen das fehlende Original.
Im Winter 1790/91 schrieb Mozart für ein Wiener Wachsfigurenkabinett mehrere Stücke für die Flötenuhr, die er auch Orgelwerk in einer Uhr oder Orgelwalze nannte. Dazu gehören die beiden f-Moll-Stücke KV 594 und KV 608, die heute meist auf der Orgel oder vierhändig am Klavier gespielt werden. „Orgelwerk oder Orgelwalze – Mozart gebraucht z. T noch andere Bezeichnungen – meint im Prinzip ein und dasselbe Instrument oder besser denselben Instrumententyp: die Flötenuhr, das ist eine mechanische Orgel wechselnder Größe, die mit einem Uhrwerk gekoppelt ist, daß das automatische Abspielen des Orgelwerks in bestimmten regelmäßigen Zeitabständen ermöglicht. Wichtigster Teil des Automaten-Mechanismus ist eine drehbare Stiftwalze, deren Stifte bei der Rotation auf entgegenstehende Hebel treffen, die ihrerseits für die Dauer der Berührung bzw. Bewegung die Ventile eines Orgelpfeifenwerks betätigen. „ (Wolfgang Plath)
Auf die drehbare Stiftwalze war jenes Musikstück aufgeschlagen bzw. aufgepresst, das mittels der Mechanik im Orgelwerk regelmäßig abgespielt werden konnte.
Im Wachsfigurenkabinett des Grafen Deym zu Wien waren solche Flötenuhren nicht nur als mechanische Sensation zu bestaunen, sondern dienten auch als akustische Untermalung für optische Attraktionen. Der Hofstatuarius Müller alias Graf Deym, der seinen Adelstitel wegen der Verwicklung in diverse Duelle nicht führen durfte, stellte in seiner k. k. privilegierten Kunstgalerie ab 1780 Wachsfiguren berühmter Persönlichkeiten zur Schau, zu denen die Flötenuhren die passende Musik lieferte.
Mozarts f-Moll-Stücke dienten als Trauermusiken zu einer gigantischen Trauershow für Österreichs berühmtesten Feldherrn, Feldmarschall Laudon. Der Sieger in der Schlacht bei Kunersdorf und Maria Theresias erfolgreichster General war im Juni 1790 gestorben. Graf Deym ließ eine Wachsfigur des Helden in einer Art Mausoleum aufstellen und dazu in stündlichem Abstand von einer Flötenuhr die Trauermusiken Mozarts spielen. Wie die Wiener Zeitung am 26. März 1791 berichtete, war es“ unmöglich, das ganze lebhaft genug durch Worte zu schildern“. Dass die Trauer Musique eine“ Komposition von Hrn. Kapellmeister Mozart „ war, wurde in den Zeitungen eigens erwähnt. Es rechtfertigte den hohen Eintrittspreis.
Besonders die f-Moll-Fantasie, KV 608, scheint bei den Zuhöremeinen tiefen Eindruck hinterlassen zu haben, wie man dem Bericht eines Ohrenzeugen entnehmen kann: .„Noch erinnere ich mich aus meinen Jugendjahren des lebhaften Eindrucks, den die wiederholte, oft wiederholte Anhörung dieses genialen Producktes unvertilgbar meinem Gedächtnisse einprägte. Tausend verschiedenartige Empfindungen erweckt das, fast möchte ich sagen, furchtbar wilde Allegro, mit seinem künstlich verarbeiteten Fugen-thema … Sphärengesang ist das liebliche, so äußerst zarte Adagio in As dur, es entlockt Thränen der Sehnsucht nach oben. Zurück in das unruhige menschliche Leben schleudert das wiederholt eintrettende Allegro. Die zwey mittsamen streitenden Fugenthematen geben ein treffendes, ernstes, kräftiges Bild des Kampfes der Leidenschaften. Nur am Ziele ist Ruhe… Nachjenseits deutet der Schluß.“ Erstaunlich lebhaft hatte dieser Zuhörer noch nach Jahrzehnten die Form des Stückes im Gedächtnis.