„Contrasts“ für Violine, Klarinette und Klavier
Werkverzeichnisnummer: 136
1. Verbunkos (Werbertanz). Moderato, ben ritmato
2. Pihenö (Entspannung). Lento
3. Sebes (Schneller Tanz). Allegro vivace
Béla Bartók hat diesem durch die Kunstmusik gefilterten ungarischen Ton die Aussagekraft unverfälschter Volksmusik entgegengehalten. „Das altungarische bäuerische Volkslied steht nach Geist und Gestaltstruktur zentral für Bartók als Musikforscher und Komponist. Sammlung, Sichtung, Herausgabe ungarischer, wie aber auch slowakischer, rumänisch-walachischer, ruthenisch-ukrainischer, serbokroatischer, bulgaro-türkischer, afro-arabischer Musikfolklore beschäftigten ihn seit seinen ersten Aufzeichnungen in der Schüler- und Studentenzeit, bei ausgedehnteren Sammelfahrten, mehrfach auch gemeinsam mit Zoltán Kodály, weiterhin zwischen den beiden Weltkriegen (Türkeireise 1936 als letzte Forschungsfahrt) bis in die Zeit seines Exils.“ (Heinrich Lindlar)
Illusionslos war der überzeugte Antifaschist 1940 nach langem Zögern nach New York aufgebrochen – ein „Sprung ins Ungewisse aus dem gewußt Unerträglichen“, wie er selbst es genannt hatte. Noch ahnte er nicht, dass er im lauten Manhattan ein eher unbeachtetes, vor allem aber ärmliches Dasein fristen würde, das ihn bis an den Rand des Existenzminimums bringen sollte. Der „amerikanische Traum“ ging für Bartók trotz renommierter Kompositionsaufträge nicht in Erfüllung.
Zwei Musiker, die seiner Etablierung in den USA Vorschub leisteten, waren der Klarinettist Benny Goodman und der Geiger Joseph Szigeti. Ihnen sind die Contrasts für Violine, Klarinette und Klavier gewidmet, die Bartók im Sommer 1939 noch in Budapest komponiert hatte. Benny Goodman, der ja nicht nur Jazz-, sondern auch klassischer Klarinettist war, hatte die Stücke in Auftrag gegeben, und es waren Goodmans Jazzerfahrungen, die Bartók zu einer Musik „punktuell untermischt mit magyarisiert jazzoiden Elementen“ (Heinrich Lindlar) inspirierten.
Nachdem Goodman und Szigeti 1939 mit einem anderen Pianisten eine Teilaufführung der Stücke besorgt hatten, folgte nach Bartóks Übersiedlung im April 1940 in den New Yorker Columbia Studios die vollständige Uraufführung mit dem Komponisten am Klavier.
Den Titel „Kontraste“ lösen die drei Stücke auf zwei Ebenen ein: im Klang und im Ausdruck. Klanglich sind die beiden Oberstimmen auf kongeniale Weise individualisiert: die Geigenstimme durch Akkordgriffe, Arpeggi, Flageolett, Pizzicato und Tremoli, die Klarinette durch Kantabilität und volkstümliche Thematik; diesen Unterschied zeigen auch die beiden Kadenzen für die Instrumente im 1. und 3. Satz. Nur an wenigen Stellen (Beginn des Lento) vereinigen sie sich zu einer gemeinsamen Linie. Das Klavier erfüllt hauptsächlich die Funktion eines perkussiven Klanggrundes.
Der Ausdruck folgt, wie man es sicher in New York von Bartók erwartet hatte, Modellen aus der ungarischen Folklore. Die Außensätze imitieren einen Werbetanz (Verbunkos) und einen schnellen Tanz (Sebes), unterbrochen von einem „Entspannung“ (Pihenö) genannten Lento. Es versteht sich von selbst, dass die ursprünglichen Volkscharaktere dieser Tänze hier zu autonomer, subtilster Kunstmusik sublimiert wurden.
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Bartóks drei Stücke mit dem Titel Contrasts waren das erste Werk, mit dem sich der ungarische Exilant 1940 der amerikanischen Öffentlichkeit vorstellte. Nach langem Zögern war der überzeugte Antifaschist Bartók angesichts der zunehmenden Nazi-Schikanen in Ungarn nach New York aufgebrochen. Noch ahnte er nicht, daß er in Manhattan ein ärmliches Dasein fristen würde, das ihn bis an den Rand des Existenzminimums bringen sollte. Der „amerikanische Traum“ ging für ihn trotz renommierter Kompositionsaufträge nicht in Erfüllung.
Zwei Musiker, die seiner Etablierung in den USA Vorschub leisteten, waren der Klarinettist Benny Goodman und der Geiger Joseph Szigeti. Ihnen sind die Contrasts für Violine, Klarinette und Klavier gewidmet, die Bartók im August/September 1939 komponierte. Benny Goodman, der ja nicht nur Jazz-, sondern auch klassischer Klarinettist war, hatte die Stücke in Auftrag gegeben; es waren seine Jazzerfahrungen, die Bartók zu einer Musik „mit magyarisiert jazzoiden Elementen“ (Lindlar) inspirierten. Nachdem Goodman und Szigeti 1939 eine Teilaufführung der Stücke besorgt hatten, folgte nach Bartóks Übersiedlung im April 1940 in New York die vollständige Uraufführung mit dem Komponisten am Klavier. Den Titel „Kontraste“ lösen die drei Stücke auf zwei Ebenen ein: im Klang und im Ausdruck. Klanglich sind die beiden Oberstimmen auf kongeniale Weise kontrastiert: die Geigenstimme durch Akkordgriffe, Arpeggi, Flageolett, Pizzicato und Tremoli, die Klarinette durch Kantabilität und volkstümliche Thematik; diesen Unterschied zeigen auch die beiden Kadenzen für die Instrumente im 1. und 3. Satz.
Der Ausdruck folgt – wie man es sicher in New York von Bartók erwartet hatte – Modellen aus der ungarischen Folklore. Die Außensätze imitieren einen Werbetanz (Verbunkos) und einen schnellen Tanz (Sebes), unterbrochen von einem „Entspannung“ (Pihenö) genannten Lento. Es versteht sich von selbst, daß die ursprünglichen Volkscharaktere dieser Tänze hier zu autonomer, subtilster Kunstmusik sublimiert wurden.
2003
BÉLA BARTÓK
Contrasts (1939)
„Das altungarische bäuerische Volkslied steht nach Geist und Gestaltstruktur zentral für Bartók als Musikforscher und Komponist. Sammlung, Sichtung, Herausgabe ungarischer, wie aber auch slowakischer, rumänisch-walachischer, ruthenisch-ukrainischer, serbokroatischer, bulgaro-türkischer, afro-arabischer Musikfolklore beschäftigten ihn seit seinen ersten Aufzeichnungen in der Schüler- und Studentenzeit, bei ausgedehnteren Sammelfahrten, mehrfach auch gemeinsam mit Zoltán Kodály, weiterhin zwischen den beiden Weltkriegen … bis in die Zeit seines Exils.“ (Heinrich Lindlar) Im amerikanischen Exil brachte er der Heimat die letzte volksmusikalische Huldigung dar: seine Contrasts für Klarinette, Violine und Klavier.
Es waren die ersten Stücke, mit denen sich Bartók der amerikanischen Öffentlichkeit vorstellte. Illusionslos war der überzeugte Antifaschist 1940 nach langem Zögern in Richtung New York aufgebrochen – ein „Sprung ins Ungewisse aus dem gewusst Unerträglichen“, wie er selbst es genannt hatte. Noch ahnte er nicht, dass er im lauten Manhattan ein eher unbeachtetes, vor allem aber ärmliches Dasein fristen würde, das ihn bis an den Rand des Existenzminimums führen sollte. Der „amerikanische Traum“ ging für Bartók trotz renommierter Kompositionsaufträge nicht in Erfüllung.
Zwei Musiker, die seiner Etablierung in den USA Vorschub leisteten, waren der Klarinettist Benny Goodman und der Geiger Joseph Szigeti. Ihnen sind die Contrasts für Violine, Klarinette und Klavier gewidmet, die Bartók im Sommer 1939 noch in Budapest komponiert hatte. Benny Goodman, der ja nicht nur Jazz-, sondern auch klassischer Klarinettist war, hatte die Stücke in Auftrag gegeben. Es war aber gerade der Jazzer Goodman, der Bartók zu seiner genialen Synthese zwischen ungarischer Bauernmusik, Jazz und Moderne inspirierte.
Nachdem Goodman und Szigeti 1939 mit einem anderen Pianisten eine Teilaufführung der Stücke besorgt hatten, folgte nach Bartóks Übersiedlung im April 1940 in den New Yorker Columbia Studios die vollständige Uraufführung mit dem Komponisten am Klavier.
Den Titel Kontraste lösen die drei Stücke auf zwei Ebenen ein: im Klang und im Ausdruck. Klanglich sind die beiden Oberstimmen auf kongeniale Weise individualisiert: die Geigenstimme durch Akkordgriffe, Arpeggi, Flageolett, Pizzicato und Tremoli, die Klarinette durch Kantabilität und volkstümliche Thematik; diesen Unterschied zeigen auch die beiden Kadenzen für die Instrumente im 1. und 3. Satz. Nur an wenigen Stellen (Beginn des Lento) vereinigen sie sich zu einer gemeinsamen Linie. Das Klavier erfüllt hauptsächlich die Funktion eines perkussiven Klanggrundes.
Der Ausdruck folgt, wie man es sicher in New York von Bartók erwartet hatte, Modellen aus der ungarischen Folklore. Die Außensätze imitieren einen Werbetanz (Verbunkos) und einen schnellen Tanz (Sebes), unterbrochen von einem Entspannung (Pihenö) genannten Lento. Es versteht sich von selbst, dass die ursprünglichen Volkscharaktere dieser Tänze hier zu autonomer, subtilster Kunstmusik sublimiert wurden.
JOHANNES BRAHMS
Klavierquintett f-Moll, op. 34
„Mir ist nach dem Werk, als habe ich eine große tragische Geschichte gelesen.“ Unter den vielen Äußerungen von Brahms‘ Freunden, die dem Ausnahmerang seines Klavierquintetts gerecht zu werden versuchten, ist diejenige von Clara Schumann die treffendste. Das viersätzige Werk entfaltet sich von Beginn an im Ton der Tragödie und in einem Spannungsbogen von nie nachlassender Intensität.
Während Clara Schumann und Brahms´ Geigerfreund Joseph Joachim an anderen Kammermusikwerken des Meisters stets diesen oder jenen Satz weniger gelungen fanden, standen sie vor dem f-Moll-Quintett gewissermaßen in Ehrfurcht erstarrt. Kaum anders dürfte es den meisten Hörerinnen und Hörern heute ergehen. „Es ist, soviel ist mir gleich klar, ein Stück von tiefster Bedeutung, voll männlicher Kraft und schwungvoller Gestaltung, alle Sätze bedeutend, sich ergänzend“, schrieb Joachim beeindruckt. Und Hermann Levi, der sich erst später der Partei Richard Wagners anschloss, meinte lakonisch: „Ein Meisterwerk von Kammermusik, wie wir seit dem Jahre 1828 [dem Tod Schuberts] kein zweites aufzuweisen haben.“
Bis das Werk diesen Grad an Vollkommenheit erreicht hatte, hatte es freilich eine bei Brahms einmalige Klang-Metamorphose durchlaufen. Fast exakt die selbe Musik, die wir heute von Klavier und Streichquartett gespielt hören, war ursprünglich für Streicher alleine bestimmt: als Quintett für zwei Violinen, Viola und zwei Celli. Da diese erste Version aus den Jahren 1862/63 in privaten Proben und Voraufführungen nicht den erhofften Klangeffekt erzielte, zog sie Brahms zurück und arbeitete sie zu einer Sonate für zwei Klaviere um. (In dieser Form hat er das Stück später auch als Opus 34bis veröffentlicht). Doch was für die Streicher zu wild und ausladend erschienen war, wirkte nun auf zwei Klavieren zu monochrom. Für ein Streichquintett fehle dem Werk der „Klangreiz“, so Joseph Joachim, in der Fassung für zwei Klaviere gingen „eine Menge der schönsten Gedanken“ verloren, so Clara Schumann.
Brahms suchte darum nach einer dritten Klanglösung für das thematische Material, das Clara so „wundervoll großartig“ fand, dass man es „mit einem Füllhorn über das ganze Orchester ausstreuen“ müsste. Erst im dritten Anlauf und auf Anraten von Hermann Levi fand der Komponist jene Synthese aus Streicher- und Klavierklang, in der uns das Werk heute so selbstverständlich erscheint.
Clara Schumanns Verdikt vom symphonischen Charakter bestätigt vor allem der erste Satz. Das im Unisono vorgestellte Hauptthema entfaltet sich in einem fast erdrückend straffen, kompromisslosen Spannungsbogen – vom zaghaften Beginn über die rhythmische Verkürzung zu einer nervösen Sechzehntelfigur bis hin zur Entladung im kraftvollen Tuttiklang von Klavier und Streichern. Darauf folgen: ein zweites f-Moll-Thema klagenden Charakters, ein gespenstisches Zwischenthema in cis-Moll, aus dem sich über Cis-Dur das gesangliche Seitenthema in Des-Dur entwickelt, sowie eine an Schubert erinnernde Schlussgruppe. Die Durchführung beruht wiederum auf einem scheinbar neuen synkopischen Motiv, das jedoch aus dem Kopfmotiv des Satzes abgeleitet ist. Letzteres beherrscht alle Formteile, indem es die symphonische Fülle der Themen bändigt und immer wieder auf den motivischen Kern zurückführt, geichsam auf den Grund der Tragödie. In der Coda bricht sich das Hauptmotiv dann rücksichtslos Bahn – buchstäblich bis in den letzten Takt hinein.
Das Andante ist unverkennbar eine Hommage à Schubert. In schlichter dreiteiliger Liedform lösen ein Ländler des Klaviers und eine innige Melodie der Streicher einander ab.
Scherzo und Finale verweisen auf einen Komponisten, mit dem Brahms selten in Verbindung gebracht wird: Richard Wagner. Das hämmernde Motiv des Scherzos erinnert an Wagners Darstellung der unterirdischen Kluft in der dritten Szene von Rheingold. Bei Brahms entwickelt sich auf der Basis dieses pochenden Motivs ein Satz von verblüffender Motorik und grandioser Virtuosität. Als Vorbild für den formalen Aufbau hat der britische Musikforscher Donald Tovey das Scherzo aus Beethovens Fünfter Symphonie erkannt. Auch dies kann man beim Hören nachvollziehen – in den Steigerungen des Mollhauptteils ebenso wie im kurzen Dur-Mittelteil.
Die langsame Einleitung des Finales streift durch ihre exzessive Chromatik wiederum Wagner – die Harmonik des Tristan; Ludwig Finscher hörte hier Ähnlichkeiten zu Wagners Faust-Ouvertüre heraus. Daran schließt sich ein Rondo an, dessen Thema Brahms erneut aus seiner Bewunderung für Schubert heraus entwarf. Es ist dem Rondothema aus dessen Grand Duo für Klavier zu vier Händen auffallend ähnlich. Trotz aller thematischen Bezüge freilich erscheint der 30jährige Brahms gerade in diesem Finale als ein völlig selbständiger Meister formaler Zusammenhänge, die mit äußerster Konsequenz entwickelt werden. Eine Stretta im Sechsachtel-Takt führt das Werk zum krönenden Abschluss.