Divertimento Nr. 1, KV Anh. 229 (439 b) | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Wolfgang Amadeus Mozart

Divertimento Nr. 1, KV Anh. 229 (439 b)

Divertimento Nr. 1 für drei Bassetthörner (zwei Klarinetten und Fagott oder drei Klarinetten), KV Anh. 229 (439 b)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1336

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Menuetto. Allegretto

3. Adagio

4. Menuetto

5. Rondo. Allegro

Erläuterungen

Der berühmte Fußtritt, mit dem Mozart 1781 aus den Diensten des Erzbischofs von Salzburg unsanft entfernt wurde, setzte auch einen Schlussstrich unter seine Divertimento-Produktion. Divertimenti waren im 18. Jahrhundert eine Angelegenheit von Hofmusikern. Vorzugsweise für kleine Bläser-Streicher-Besetzungen geschrieben, wurden sie an den süddeutschen, österreichischen und norditalienischen Höfen entweder vom Fürsten selbst oder von den mächtigen Familien seines Hofs bestellt. Auch Mozart schrieb die meisten seiner Divertimenti in Salzburger Diensten für die Reichen und Mächtigen der Stadt. In Wien, in der Atmosphäre der josephinischen Aufklärung, wandte er sich anspruchsvolleren Formen der Kammermusik zu, wie etwa dem Streichquartett oder Streichquintett. Nur noch selten begegnet der Ausdruck „Divertimento“ in seinen Wiener Werken, und selbst dann bei ausgesprochen kunstvollen Werken (Streichtrio). Wenn Mozart in Wien unterhaltende Kammermusik schrieb, ließ er meistens den Titel einfach weg und trug diese Stücke dann auch nicht in sein eigenhändiges Werkverzeichnis ein. Dies ist bei der Werkgruppe KV 439b der Fall.
Dabei handelt es sich um 25 Einzelstücke für drei Bassetthörner, tiefe Klarinetten in F, auf deren Spiel sich Mozarts Hausfreund Anton Stadler, der kaiserliche Soloklarinettist, spezialisiert hatte. Wohl für gesellige Abende im Freundeskreis hat Mozart die 25 kurzen Stücke komponiert, die man frei zu mehrsätzigen Werken kombinieren kann. Heute werden sie meist zu fünf Divertimenti in der traditionellen fünfsätzigen Form Allegro-Menuett-Adagio-Menuett-Rondo zusammengestellt, man kennt die gleiche Musik aber auch in Bearbeitungen für den Klavierunterricht unter dem Namen „Wiener Sonatinen“.

Klaus Thunemann und seine Mitstreiter spielen aus diesen fünf sogenannten „Divertimenti“ Nr. 1 und 2 als Rahmen des Programms. Ihre Bearbeitung für Oboe, Klarinette und Fagott kann sich auf die ältesten erhaltenen Quellen dieser Stücke, Drucke aus dem frühen 19. Jahrhundert, berufen. Das Spiel auf dem Bassetthorn kam bald nach Mozarts Tod aus der Mode. Um die Stücke besser verkaufen zu können, bearbeiteten die Verleger die Unterstimme für Fagott, die Oberstimmen für Klarinetten in B. Eine der letzteren wird in unserer Fassung durch Oboe ersetzt.

Beide „Divertimenti“ beginnen mit Allegrosätzen, denen man trotz der Miniaturform den Zug zum ausgereiften Sonatenallegro anmerkt. Zwanglose Unterhaltung bedeutete im 18. Jahrhundert noch nicht Formlosigkeit; und so zeigt sich hier gerade in der scheinbar anspruchslosen Erfüllung der Formkonvention höchste Kunst, die auf engstem Raum komprimiert ist – ganz abgesehen vom herrlichen dreistimmigen Bläsersatz, wie ihn nur Mozart beherrschte. Zu seinen großen Bläserserenaden verhalten sich diese Werke wie Zeichnungen zum ausgeführten Gemälde.

Menuette umrahmen die langsamen Sätze. Als stilisierte Tanzsätze sind sie ganz besonders auf „Unterhaltung“ eingestimmt und spielen mit den verschiedenen Varianten des Menuetts: dem zeremoniösen höfischen Menuett, dem „Menuetto galante“ und dem zum Walzer tendierenden schnellen Menuett. Hinter den langsamen Sätzen verbergen sich wahre Perlen mozartscher Kammermusik, ein Experimentierfeld, in dem sich die Bläser-effekte seiner großen Wiener Klavierkonzerte ankündigen. Knappe Rondosätze beschließen die beiden Werke tänzerisch gut gelaunt.