Divertimento B-Dur, KV Anh. 229 (439 b) | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Wolfgang Amadeus Mozart

Divertimento B-Dur, KV Anh. 229 (439 b)

Divertimento B-Dur für Oboe, Klarinette und Fagott, KV Anh. 229 (439 b)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1327

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Menuetto

3. Adagio

4. Menuetto

5. Rondo. Allegro assai

Erläuterungen

Mozart liebte die Blasinstrumente. Oboe, Klarinette, Horn und Fagott, etwas weniger vielleicht die Flöte entzündeten seine Fantasie und sein unübertreffliches Gespür für sprechende Melodien und sinnliche Klänge. Dies zeigt sich selbst auf einem scheinbaren Nebengleis seines -uvres wie den Bläserstücken KV 439b.

Es handelt sich dabei um eine Sammlung von 25 Einzelstücken für drei tiefe Klarinetten in F, sogenannte Bassetthörner, die Mozarts Freund Anton Stadler im Trio mit seinem Bruder und einem weiteren Wiener Klarinettisten spielte. Das Bassetthorn, um 1770 in Augsburg erfunden, war ein Modeinstrument der Klassik. Mozart verwendete es in mehreren großen Werken (Gran Partita, Die Entführung aus dem Serail, La Clemenza di Tito, Requiem), aber auch in intimer Kammermusik zum Hausgebrauch für seinen Freund Stadler.

Wegen der Seltenheit des Instruments fanden diese Triostücke schon Anfang des 19. Jahrhunderts kaum noch Interpreten. Deshalb bearbeiteten sie die Verleger für andere Besetzungen. Auch in der heutigen Aufführungspraxis werden sie meist mit zwei Klarinetten und Fagott oder mit Oboe, Klarinette und Fagott gespielt. Die Herausgeber verteilten die 25 Stücke auf fünf Divertimenti, deren jedes die traditionellen fünf Sätze eines Wiener Divertimento umfasst: Allegro, erstes Menuett, Adagio, zweites Menuett und Rondo. Man kennt die gleiche Musik auch in Klavierbearbeitungen unter dem (nicht Mozartischen) Namen Wiener Sonatinen.

Der Charme der fünf Divertimenti liegt in ihrer kompakten Form und in ihrem lichten, sozusagen schwerelosen Satz begründet. Man hat es mit Wiener Klassik en miniature zu tun: Die gesamte Rhetorik der großen Sinfonien und Klavierkonzerte Mozarts ist in nuce vorhanden, doch verkleinert auf die Perspektive eines Guckkastens.

Gleich das erste Allegro unseres Divertimento erinnert an den Anfang bekannter Sinfoniesätze Mozarts und eröffnet doch ein um vieles kompakteres Stück, sozusagen Mozarts Kleinste Nachtmusik. Wenige Striche mit dem musikalischen Zeichenstift genügen, um die gleiche erwartungsvolle Spannung wie zu Beginn einer Sinfonie zu erzeugen. In den Konturen des zweiten Themas klingt der ganze chromatische Reichtum seiner Melodik an, in der knappen Schlussgruppe seine Kunst des Schließens und Überleitens. Alles scheint so charakteristisch wie in den Sinfonien und Konzerten und ist doch viel knapper ausgeführt.

Die übrigen Sätze halten dieses Niveau genauester musikalischer Zeichnung: Wie Mozart im ersten Menuett Wiener Charme mit italienischer Zartheit der Melodik vereint, ist ein Meisterstück musikalischer Charakterisierungskunst.

Im Adagio singt die Oboe wie die Gräfin im Figaro; im zweiten Menuett tanzen die drei Bläser einen höfischen Tanz, während im Trio unversehens der empfindsame Mozart zum Vorschein kommt. Das Rondothema hätte ein weniger großer Komponist für eine viel größere Sinfonie aufgespart. Mozart machte daraus ein Capriccio von haydneskem Witz, in dem sich kunstvolle Stimmführung, motivische Pointe und harmonische Überraschung die Waage halten.