Andante F-Dur für Bläserquintett („für eine Walze in eine kleine Orgel“), KV 616
Werkverzeichnisnummer: 1318
Wohl gab es im Wien der Klassik grandiose Bläser, wie etwa Mozarts Hausfreund Anton Stadler, den Soloklarinettisten der Hofoper, oder die in den „Harmoniemusiken“ des Kaisers und der Fürsten organisierten Solisten wie etwa die Triebensees. Ein Bläserquintett im eigentlichen Sinne ist jedoch damals noch nicht geschrieben worden, da es in Wien noch nicht üblich war, in Bläserensembles die Flöte miteinzubeziehen. Unser Bläserquintett-Andante von Mozart ist also eine Bearbeitung.
Im Winter 1790/91 schrieb Mozart für das Wachsfiguren- und Kuriositätenkabinett des Grafen Deym alias Monsieur Müller mehrere Stücke für sogenannte Orgelwalzen, darunter die heute meist auf der Orgel gespielten f-Moll-Werke KV 594 und KV 608 sowie das Andante F-Dur, KV 616. Mithilfe einer Stiftwalze, auf die das Musikstück aufgeschlagen bzw. -gepresst wurde, setzte man einen Automatismus in Gang, der ohne Zutun eines Musikers ein Orgelstück erklingen ließ. Dass solches die technikbegeisterten Bürger der Aufklärungszeit in Staunen versetzte, versteht sich von selbst, auch, dass das Deymsche Kabinett an sich großen Zulauf hatte. Es mag deshalb nicht verwundern, dass sich ausgerechnet von diesen Mozartstücken Beschreibungen erhalten haben, die zeigen, wie tief diese Musik die Wiener beeindruckte.
In diesen Zeitungsmeldungen und Augenzeugenberichten ist freilich mehr von den f-Moll-Fantasien die Rede, die in einem Katafalk für Feldmarschall Laudon erklangen, als von dem kleinen F-Dur-Andante unseres Konzerts. Wurden jene für ein durchaus mächtiges automatisches Orgelwerk komponiert, so schrieb Mozart das Andante „für eine Walze in eine kleine Orgel“; leider wissen wir nicht, für welchen Automaten des Deymschen Kabinetts. Einem Brief vom Oktober 1790 kann man entnehmen, wie „mühselig“ die Arbeit an einem solchen Stück war, da die Pfeifen des Orgelwerks allzu „kindisch“ klängen, wie Mozart befand. Nichtsdestotrotz ist dieses Stück ein zauberhaftes Intermezzo im Umkreis der Zauberflöte, das sich ideal für den Vortrag durch ein Bläserquintett eignet. Die hohen Bläserstimmen suggerieren wie den Klang einer „kleinen Orgel“, und die Zuhörer müssen sich dazu nur in die Kuriositäten eines Wachsfigurenkabinetts der Mozartzeit versetzen.
2005
W.A.MOZART
Andante
Dass Mozart Musik für Wachsfiguren geschrieben hat, dürfte zu den wenig bekannten Seiten seiner Biographie gehören. Um nichts anderes handelt es sich bei seinen späten Stücken für Orgelwalzen, die im Wiener Wachsfigurenkabinett in Musikautomaten, sog. „Flötenuhren“, eingebaut waren. Mozarts Stücke wurden mit Metallstiften unterschiedlicher Länge und Abstände auf eine Walze aufgeschlagen. Das Abtasten der Walze betätigte ein Orgelwerk mit mehr oder weniger großen Pfeifen, die dann genau in der von der Walze vorgeschriebenen Zeitdauer erklangen. Die „Flöten“ einer „Flötenuhr“ waren also nichts anderes als Orgelpfeifen, die ominöse Uhr hatte lediglich die Aufgabe, das regelmäßige Abspielen der Walze in Gang zu setzen. Die Stücke KV 608 und 616 sind in diesem Sinne mechanische Musik. In unserem Konzert werden sie von einer echten Flöte ohne Uhr, von den drei anderen Holzblasinstrumenten Oboe, Klarinette und Fagott sowie von einem Horn vorgetragen – live, also von Menschenhand betätigt und nicht von einem Musikautomaten.
Je nach Größe und Charakter der jeweiligen Flötenuhr unterscheiden sich die musikalische Ansprüche der Mozartstücke in diesem Genre. Manches schrieb er für kleine Spieluhren, wie man sie auch heute noch kennt. Das liebliche Andante KV 616 etwa ist für eine solche „kleine Orgel in eine Uhr“ komponiert worden: eine porzellanhafte Miniatur, deren sanfte F-Dur-Melodie nicht von Ungefähr an Papageno und die Zauberflöte erinnert: das Stück ist zur selben Zeit wie die Oper 1791 entstanden.