Klavierquartett h-Moll, op. 3 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Felix Mendelssohn-Bartholdy

Klavierquartett h-Moll, op. 3

Quartett h-Moll für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, op. 3

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1258

Satzbezeichnungen

1. Allegro molto

2. Andante

3. Scherzo: Allegro molto

4. Finale: Allegro vivace

Erläuterungen

Die ersten im Druck erschienenen Kompositionen des jungen Felix Mendelssohn waren seine drei Klavierquartette, Opera 1 bis 3. Der Komponist, der das Publizieren als ernsthafte Angelegenheit betrachtete, befand die Stücke offenbar für würdig, veröffentlicht zu werden, während er andere Frühwerke wie das 1. Streichquintett und das Oktett (Opera 18 und 20) erst wesentlich später herausgab. Das Klavierquartett h-Moll, op. 3, komponierte der gerade 15jährige im Januar 1825, ein halbes Jahr vor dem Oktett. Es spielte in Mendelssohns Biographie eine bedeutsame Rolle, denn er nahm es noch im selben Jahr auf eine Reise nach Paris und Weimar mit, wo es ein anerkennendes Urteil von Luigi Cherubini und die Bewunderung des alten Goethe hervorrief. Letzterem ist das Werk gewidmet.

“Das eröffnende Thema des 1. Satzes kehrt versteckt in Scherzo und Finale wieder, was den strukturellen Zusammenhalt verbessert; die Fülle einprägsamer Themen verrät gewachsenes Vertrauen in die Behandlung des melodischen Materials. In der Tat könnte man das inspirierte Allegro molto als Mendelssohns erstes wirkliches Meisterwerk ansehen.Wenn Mozart, Weber, Hummel und Beethoven als die anregenden Kräfte hinter vielen frühen Mendelssohn-Stücken stehen, so könnte die chromatisch angereicherte, eingängige Lyrik des Andante dem Einfluß Louis Spohrs zugeschrieben werden. Das Scherzo ist eine atemberaubende tour de force quecksilberner Sechzehntelläufe, die in ihrem Halbdunkel deutlich die Sommernachtstraum-Ouvertüre von 1826 vorwegnehmen.” (Julian Haylock).

Im Klavierpart dieses Scherzos wie auch im Thema des Finales kündigen sich außerdem Mendelssohns spätere Klavierkonzerte an – sein frühes Quartett ist bei aller kammermusikalischen Dichte auch ein Virtuosenstück für den Pianisten bzw. die Pianistin.

1998:

Felix Mendelssohn schrieb seine frühen Klavierquartette nicht für einen befreundeten Pianisten, wie Schubert, sondern für sich selbst. Als Klavierschüler Ludwig Bergers gab er bereits mit neun Jahren in einer “Akademie” von Dussek sein Konzertdebüt. Das Spiel des 12jährigen versetzte den alten Goethe in Verzückung, denn der Knabe spielte – so der Augenzeuge Ludwig Rellstab – “mit einer Sicherheit, Rundung und Klarheit in den Passagen, wie ich sie nie wieder gehört”. Innerhalb der elitären Ausbildung, die die Kinder Mendelssohn genossen, war jedoch ebenso das Violinspiel berücksichtigt. Als Geiger war Felix zunächst Schüler von Carl Wilhelm Henning in Hamburg, später von Eduard Rietz in Berlin. Die genialen Klangeffekte seiner frühen Streicherkammermusik (Oktett, Quartette op. 12 und 13) verdanken wir dieser gründlichen Ausbildung, und sie erklärt auch, warum Mendelssohn als Komponist ausgerechnet mit Quartetten für Klavier und Streichtrio debütierte.

Diese drei Werke – seine Opera 1 bis 3 – hängen freilich auch mit dem Prestige der Klavierkammermusik um 1800 zusammen: Beethovens Opus 1 waren drei Klaviertrios gewesen, zwei Klavierquartette bildeten die Krone von Mozarts Kammermusik, und die großen Pianisten seiner Zeit – Hummel und Weber – hatten sich mit ähnlichen Werken hervorgetan. So lag es für Felix nahe, die Gattung des Klavierquartetts im Spannungsfeld der Vorbilder zu erproben. Die Wirkung war die gewünschte: Der Knabe trat mit Nachdruck als reifer Komponist in Erscheinung. “Er vereint zwei seltsame Naturen in sich: die eines wilden, fröhlichen Knaben und die eines schon reifen Künstlers, der mit Bedacht Fugen, Opern, Quatuors schreibt und gründlich das seine gelernt hat.” Dieser Eindruck Adele Schopenhauers geht nicht zufällig auf die “Quatuors”, die frühen Klavierquartette, zurück. Sie entstanden im Laufe der Jahre 1822 bis 1825 und verraten exemplarisch, von Werk zu Werk, die zunehmende Meisterschaft des Komponisten.

Das h-Moll-Quartett, op. 3, komponiert 1824/25, ist das reifste der drei Werke. Es zeigt bereits unverwechselbare Eigenarten des Komponisten Mendelssohn, so etwa die souveräne Handhabung der Sonatenform im Kopfsatz oder den Rückgriff auf dessen Hauptthema im Finale. Während Mendelssohn den langsamen Satz in späteren Jahren “viel zu süß” fand, war er sich der Bedeutung des Scherzos sehr wohl bewußt. Es zeigt zum ersten Mal jenen unverwechselbaren Feen- oder Hexenzauber, wie ihn auch die späteren Scherzi des Komponisten immer wieder beschwören. Am schönsten hat diesen Effekt Goethe beschrieben, dem das h-Moll-Quartett gewidmet wurde: “Dieses ewige Wirbeln und Drehen führte mir die Hexentänze des Blocksbergs vor Augen, und ich fand also doch eine Anschauung, die ich der wunderlichen Musik supponiren konnte.” Der leicht maliziöse Unterton dieser Äußerung bestätigt, daß der Dichterfürst den Meisterschüler seines Freundes Carl Zelter zwar als Pianisten bewunderte, der “wunderlichen”, romantischen Musik des jungen Mendelssohn jedoch einigermaßen ratlos gegenüberstand.