Sonate F-Dur für Violine und Klavier
Werkverzeichnisnummer: 1232
1. Allegro vivace
2. Adagio
3. Allegro vivace
Felix Mendelssohn
Violinsonate F-Dur
Es war eine kleine Sensation, als 1953 in einem New Yorker Verlag eine Violinsonate des reifen Felix Mendelssohn erschien. Mehr als hundert Jahre nach dem Tode des Komponisten wurden die Geiger mit einem Werk konfrontiert, von dem sie nicht die leiseste Ahnung gehabt hatten, da es Mendelssohn – wie so viele seiner reifen Werke, darunter die Italienische Sinfonie – nicht zum Druck frei gegeben hatte. Das Manuskript war in Vergessenheit geraten, bis es kein Geringerer als Yehudi Menuhin entdeckte und erstmals herausgab.
Warum Mendelssohn die Sonate ungedruckt ließ, erklärt sich vielleicht aus ihrer durchweg brillanten Faktur. Offenbar war es gerade dieser allzu sehr auf Wirkung abzielende, wenig ver-innerlichte Stil, der vor seinem selbstkritischem Blick keinen Bestand hatte. Jedenfalls handelt es sich um die späteste und reifste seiner drei Violinsonaten.
Die meisten Violinwerke des Komponisten stammen aus seinen frühen Berliner Jahren. Zur Ausbildung der Kinder Mendelssohn – besonders natürlich der musikalisch begabtesten Fanny und Felix – gehörte der Geigenunterricht selbstverständlich hinzu. Carl Wilhelm Henning war Felix’ erster Violinlehrer. Später setzte der geniale Knabe bei seinem Freund Eduard Rietz die Geigenstudien fort. Mit der
f-Moll-Violinsonate Opus 4 legte der Siebzehnjährige 1825 sein Gesellenstück in dem Genre vor – ohne ihr scheinbar noch ein späteres Werk folgen zu lassen. Entsprechend begeistert wurde die wieder entdeckte F-Dur-Sonate von 1838 aufgenommen, zumal sie quasi dem e-Moll-Violinkonzert den Weg bereitete.
Die Geigerin Midori hat dem Werk eine ausführliche Beschreibung angedeihen lassen: “Hört man die F-Dur-Sonate von 1838 zum ersten Mal, erkennt man auf Anhieb Melodien und Passagen, die einem aus anderen Schöpfungen Mendelssohns vertraut sind. Obwohl es in dieser Sonate durchweg einen gewissen Kontrast zwischen dem äußeren Effekt und der Tiefe des Gefühls gibt, passen die drei Sätze gut zusammen, und sie runden sich zu einem einheitlichen Ganzen.
Der erste Satz, Allegro vivace, beginnt gleich mit dem ersten Thema, das vom Klavier vorgestellt wird. Ansteckend fröhlich, ähnelt sein Klang dem eines kleinen Streichorchesters. Das Thema wird vom punktierten Rhythmus beherrscht, den Mendelssohn allerdings subtil unregelmäßig einsetzt. Auch das zweite Thema (eine zarte Geigenmelodie in c-Moll) wird von feinen Verschiebungen im Rhythmus bestimmt. Im weiteren Verlauf wird der Satz zunehmend konzerthaft für beide Instrumente mit schnellen Sechzehntelläufen. Damit soll nicht gesagt werden, die Musik sei hektisch, vielmehr strahlt sie ansteckende Daseinsfreude aus. Melodie und Begleitung sind fast im ganzen Satz streng getrennt. Je näher man aber dem Schluss kommt, desto enger wird die Verzahnung der beiden Instrumente, die mit einem kraftvollen Unisono-Lauf den Satz beschließen.
Der zweite Satz in A-Dur trägt die Überschrift Adagio, womit weniger die Langsamkeit der Noten als vielmehr der ruhige Duktus insgesamt gemeint ist. Die Musik wirkt friedlich wie ein Landschaftsbild – das vollkommene musikalische Gegenstück zu einer Gartenansicht von Corot. Dieser stille Ernst wird von einem Nachmittagsgewitter bedroht, das in der zweiten Hälfte des Satzes aufzieht und die Musik fast improvisatorisch und düster erscheinen lässt – wenn auch nur vorübergehend. Denn im Klavier kehrt die Melodie des Anfangs zurück, die in der Violine von fernen Echos des Sturms begleitet wird. Vielleicht war der Sturm nur ein Traum.
Der letzte Satz, Assai vivace, ist leicht wie eine Feder. Er wird in einem einzigen Schwung gespielt, ohne jemals aggressiv zu werden. Aristokratisch und aufgeklärt im Charakter, endet die Sonate in beredter Brillanz.”