Quartett f-Moll für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 80
Werkverzeichnisnummer: 1231
1. Allegro vivace assai – Presto
2. Allegro assai
3. Adagio
4. Finale. Allegro molto
2018:
Im Mai 1847 starb Fanny Hensel, die musikalisch hochbegabte Schwester Felix Mendelssohns, unter tragischen Umständen im Alter von nur 41 Jahren: Am 14. Mai leitete sie eine Chorprobe zur Ersten Walpurgisnacht ihres Bruders und erlitt einen Schlaganfall. Sie ließ sich ins Nebenzimmer tragen, versicherte ihren Sängern, sie kehre gleich zurück, versuchte aufzustehen und brach dann vollends zusammen. Noch in derselben Nacht starb sie. Der erschütterte Bruder hat diesen Verlust nie verwunden. Am 4. November desselben Jahres folgte Felix ihr ins Grab. Innerhalb von sechs Monaten erloschen zwei Zwillingssterne der Romantik. In die Spannung zwischen diesen beiden tragisch früh Verstorbenen ist das f-Moll-Quartett eingeschlossen, das letzte Streichquartett Felix Mendelssohns.
Die Nachricht vom Tod seiner Schwester traf Felix völlig unvorbereitet und vernichtend: „Bis jetzt kann ich an Arbeit, ja an Musik überhaupt nicht denken, ohne die größte Leere und Wüste im Kopf und im Herzen zu fühlen.“ Um sich abzulenken, zog er sich in die Schweizer Berge zurück, wo er im Kreise der Familie und in der Natur „wieder mehr Haltung“ gewinnen wollte. Im Juli gestand er freilich, dass „eine rechte Grundfarbe noch nicht wieder da“ sei, „nicht einmal eine schwarze, geschweige denn eine hellere“. Er malte und komponierte – ein Streichquartett in der Todestonart f-Moll.
Ein stärkerer Gegensatz ist kaum denkbar als jener zwischen den hellen, friedlichen Aquarellen, die er damals von den Schweizer Bergen malte, und dem düsteren, aufgewühlten f-Moll-Quartett. Es ist eindeutig in „schwarzer Grundfarbe“ gehalten, die sich nur an wenigen Stellen aufhellt, und auch dort nur über unterschwelliger Erregung. Das Werk kann zweifelsfrei als Reaktion auf den Tod der Schwester interpretiert werden. Es ist ein Stück von so rückhaltloser Intensität des Ausdrucks, wie es Mendelssohn nur einmal geschrieben hat. Als er es im September 1847 beendete, hatte er selbst nur noch zwei Monate zu leben.
Der erste Satz, Allegro vivace assai, fesselt von Beginn an durch zwei Elemente: die erregten Tremoli und die imitierenden Einsätze der Stimmen in stets unberechenbaren Intervallen. Während sich der Klang in immer neuen Tremoloflächen und wogenden Akkorden Bahn bricht, wird die Melodik von pathetischen Gesten im punktierten Rhythmus beherrscht. Wie man es sonst nur von Tschaikowsky kennt, hat Mendelssohn hier einmal die klassische Sonatenform völlig der Herrschaft der frei sich entfaltenden, ausdrucksvollen Geste unterworfen, gipfelnd in einer Coda, die alle Fesseln zu sprengen scheint.
Das Allegro assai des zweiten Satzes ist schon dadurch bewundernswert, dass es die Erregung des ersten Satzes zu halten vermag und gleichzeitig auf die Ebene des romantisch-zwielichtigen Charakterstücks hebt. Die punktierten Rhythmen werden zuerst über Synkopen zu einer gewaltigen Klimax aufgebauscht, um dann in einer eleganten Walzergeste zusammenzusacken. Das Trio entwickelt sich in Schubertischer Manier als Quasi-Chaconne über einem gespenstischen Basso ostinato von Bratsche und Cello.
Mit dem Adagio scheint Mendelssohn endlich wieder „Haltung“ gewonnen zu haben, seine eigene Sprache zu sprechen. Auf die harmonisch noch recht fremdartige Einleitung folgt eines jener „Lieder ohne Worte“, wie sie der Komponist häufig als Stilisierung gebrauchte, um auch im pathetischsten Rahmen innig bleiben zu können. Wenn dann allerdings im Mittelteil ein großer Trauergesang aller vier Instrumente anhebt, zollt die Musik unmissverständlich seiner Schwester Fanny ihren Tribut. Hitzige Diskussionen über ihren allzu freien, romantischen Stil hatten Bruder und Schwester Jahre zuvor beinahe entzweit. Es scheint, als habe Mendelssohn in seinem As-Dur-Adagio den eigenen Stil und den Fannys posthum in Einklang bringen wollen.
Das Finale (Allegro molto) variiert einen Topos, den beide Geschwister liebten: das Feen- und Elfenstück, das hier einmal nicht schwebend-virtuos, sondern schwer lastend, von Synkopen zerrissen daherkommt und am Ende in hämmernden Triolen zum Affekt des ersten Satzes zurückkehrt.
Felix Mendelssohn, der sich zeitlebens dagegen wehrte, den Gefühlsgehalt von Musik mit Worten zu umschreiben, schuf mit dem f-Moll-Streichquartett das Musterbeispiel eines romantischen Bekenntniswerkes von so rückhaltlosem Ausdruck, daß es schwer fällt, nicht in die von ihm verachteten gefühlshaften Beschreibungen zu verfallen. Das Werk kann biographisch zweifelsfrei als Reaktion auf den völlig überraschenden Tod seiner geliebten Schwester Fanny im Mai 1847 bezeichnet werden. Der nervlich bereits schwer belastete Komponist verlor die Fassung: „Bis jetzt kann ich an Arbeit, ja an Musik überhaupt nicht denken, ohne die größte Leere und Wüste im Kopf und im Herzen zu fühlen.“ Um sich abzulenken, zog er sich in die Schweizer Berge zurück, wo er im Kreise der Familie und in der Natur „wieder mehr Haltung“ gewinnen wollte. Im Juli gestand er freilich, daß „eine rechte Grundfarbe noch nicht wieder da“ sei, „nicht einmal eine schwarze, geschweige denn eine hellere.“ Im schärfsten Kontrast zu den friedlichen Aquarellen, die er in dieser Zeit von der Schweizer Bergwelt malte, steht die „schwarze Grundfarbe“ des f-Moll-Quartetts, die sich nur an wenigen Stellen – und auch dort nur über unterschwelliger Erregung – aufhellt. Als Mendelssohn das Quartett im September 1847 beendete, hatte er nur noch zwei Monate zu leben. So ist es nicht nur eine Art „Requiem auf Fanny“, sondern auch sein eigenes geworden.
Das Allegro vivace assai fesselt von Beginn an durch zwei Elemente: die Tremoli und die imitierenden Einsätze der Stimmen in stets unberechenbaren Intervallen. Während sich der Klang in immer neuen Tremoloflächen und wogenden Akkorden Bahn bricht, wird die Melodik von pathetischen Gesten im punktierten Rhythmus beherrscht. Wie man es sonst nur von Tschaikowsky kennt, hat Mendelssohn hier einmal die klassische Sonatenform völlig der Herrschaft der frei sich entfaltenden, ausdrucksvollen Geste unterworfen, gipfelnd in einer Coda, die alle Fesseln zu sprengen scheint. – Das Scherzo ist schon dadurch bewundernswert, daß es die Erregung des ersten Satzes zu halten vermag und gleichzeitig auf die Ebene des romantisch-zwielichtigen Charakterstücks hebt. Die Punktierungen des Allegro vivace werden erst über Synkopen zu einer gewaltigen Klimax aufgebauscht, um dann in einer eleganten Walzergeste zusammenzusacken. Das Trio entwickelt sich in Schubertscher Manier als Quasi-Chaconne über einem unheimlichen Basso ostinato von Bratsche und Cello. – Mit dem Adagio scheint Mendelssohn endlich wieder „Haltung“ gewonnen zu haben, seine eigene Sprache zu sprechen. Der harmonisch fremden Eröffnung folgt eines jener „Lieder ohne Worte“, wie sie der Komponist als Stilisierung gebrauchte, um auch im pathetischsten Rahmen innig bleiben zu können. Wenn dann allerdings im Mittelteil ein großer Trauergesang aller vier Instrumente anhebt, zollt die Musik doch wieder der Ästhetik Fannys ihren Tribut. Hitzige Diskussionen über ihren allzu freien, romantischen Stil hatten Bruder und Schwester Jahre zuvor beinahe entzweit. Es scheint, als habe Mendelssohn in seinem As-Dur-Adagio den eigenen Stil und den Fannys posthum zur Synthese bringen wollen. – Das Finale variiert einen Topos, den beide Geschwister liebten: das Feen- und Elfenstück, das hier einmal nicht schwebend-virtuos, sondern schwer lastend, von Synkopen zerrissen daher kommt und am Ende in hämmernden Triolen zum Affekt des ersten Satzes zurückkehrt.
2001:
Im Mai 1847 starb Fanny Hensel, die musikalisch hochbegabte Schwester Felix Mendelssohns. Nach einer von ihr geleiteten Probe im Elternhaus in Berlin war sie zusammengebrochen, im Alter von nur 41 Jahren. Ihren Bruder Felix traf die Nachricht vernichtend: „Bis jetzt kann ich an Arbeit, ja an Musik überhaupt nicht denken, ohne die größte Leere und Wüste im Kopf und im Herzen zu fühlen.“
Um sich abzulenken, zog er sich in die Schweizer Berge zurück, wo er im Kreise der Familie und in der Natur „wieder mehr Haltung“ gewinnen wollte. Im Juli gestand er freilich, dass „eine rechte Grundfarbe noch nicht wieder da“ sei, „nicht einmal eine schwarze, geschweige denn eine hellere.“
In diametralem Kontrast zu den friedlichen Aquarellen, die er damals von den Schweizer Bergen malte, steht die „schwarze Grundfarbe“ seines f-Moll-Quartetts, die sich nur an wenigen Stellen, und auch dort nur über unterschwelliger Erregung aufhellt. Das Werk kann zweifelsfrei als Reaktion auf den Tod der Schwester interpretiert werden. Es ist ein Stück von so rückhaltloser Intensität des Ausdrucks, wie es Mendelssohn nur einmal geschrieben hat. Als er es im September 1847 beendete, hatte er selbst nur noch zwei Monate zu leben.
Das Allegro vivace assai fesselt von Beginn an durch zwei Elemente: die Tremoli und die imitierenden Einsätze der Stimmen in stets unberechenbaren Intervallen. Während sich der Klang in immer neuen Tremoloflächen und wogenden Akkorden Bahn bricht, wird die Melodik von pathetischen Gesten im punktierten Rhythmus beherrscht. Wie man es sonst nur von Tschaikowsky kennt, hat Mendelssohn hier einmal die klassische Sonatenform völlig der Herrschaft der frei sich entfaltenden, ausdrucksvollen Geste unterworfen, gipfelnd in einer Coda, die alle Fesseln zu sprengen scheint.
Das Scherzo ist schon dadurch bewundernswert, dass es die Erregung des ersten Satzes zu halten vermag und gleichzeitig auf die Ebene des romantisch-zwielichtigen Charakterstücks hebt. Die punktierten Rhythmen des Allegro vivace werden zuerst über Synkopen zu einer gewaltigen Klimax aufgebauscht, um dann in einer eleganten Walzergeste zusammenzusacken. Das Trio entwickelt sich in schubertischer Manier als Quasi-Chaconne über einem gespenstischen Basso ostinato von Bratsche und Cello.
Mit dem Adagio scheint Mendelssohn endlich wieder „Haltung“ gewonnen zu haben, seine eigene Sprache zu sprechen. Auf die harmonisch noch recht fremdartige Einleitung des Satzes folgt eines jener Lieder ohne Worte, wie sie der Komponist häufig als Stilisierung gebrauchte, um auch im pathetischsten Rahmen innig bleiben zu können. Wenn dann allerdings im Mittelteil ein großer Trauergesang aller vier Instrumente anhebt, zollt die Musik unmissverständlich der Komponistin Fanny ihren Tribut. Hitzige Diskussionen über ihren allzu freien, romantischen Stil hatten Bruder und Schwester Jahre zuvor beinahe entzweit. Es scheint, als habe Mendelssohn in seinem As-Dur-Adagio den eigenen Stil und den Fannys posthum in Einklang bringen wollen.
Das Finale variiert einen Topos, den beide Geschwister liebten: das Feen- und Elfenstück, das hier einmal nicht schwebend-virtuos, sondern schwer lastend, von Synkopen zerrissen daherkommt und am Ende in hämmernden Triolen zum Affekt des ersten Satzes zurückkehrt.