Streichquartett a-Moll, op. 13 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Felix Mendelssohn-Bartholdy

Streichquartett a-Moll, op. 13

Quartett a-Moll für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 13

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 1229

Satzbezeichnungen

1. Adagio – Allegro vivace

2. Adagio non lento

3. Intermezzo. Allegretto con moto – Allegro di molto

4. Finale. Presto – Adagio non lento

Erläuterungen

MIT ACHTZEHN JAHREN komponierte Felix Mendelssohn sein a-Moll-Streichquartett, op. 13 – neben dem Oktett zweifellos sein bedeutendstes Frühwerk Mendelssohns. Dass es 1827 nach dem Tode Beethovens entstand, verrät uns der junge Komponist durch eine Fülle offener oder versteckter Bezüge zu Themen und Werken Beethovens. Man könnte das a-Moll-Quartett durchaus als Mendelssohns Epitaph für den verehrten Meister verstehen. Experimentieren mit der Form und dem Inhalt lebte der jugendliche Komponist hier im Gedenken an Beethovens späte Quartette hemmungsloser aus als in anderen, mehr klassizistischen Werken.

1830 erinnerte sich Mendelssohn an die Zeit, „als ich meine musikalische Thätigkeit auf meinem eigenen Wege anfing, und als Vater fortwährend in der übelsten Laune war, auf Beethoven und alle Phantasten schalt und mich darum oft betrübte.“ In jener Zeit entstand das a-Moll-Quartett, das Mendelssohn in Paris ganz bewusst als Provokation des Publikums im Stile des späten Beethoven verstand: „Morgen wird mein A-Moll-Quartett öffentlich gespielt. Cherubini sagt von Beethoven’s neuer Musik: Ca me fait éternuer, und so glaube ich, das ganze Publikum wird morgen niesen.“

Auch ohne diesen Beweis wäre der Zusammenhang für jeden, der mit Beethoven vertraut ist, offenkundig. Das Adagio von Mendelssohns Quartett enthält ein chromatisches Thema in Fugenform, das am Ende des Finales noch einmal wiederkehrt. Es stammt aus dem Andante von Beethovens 7. Sinfonie, was schon 1830 einem unbedarften Zuhörer in Paris auffiel, der neben Mendelssohn im Konzert saß: „Im letzten Stücke zupfte mich mein Nachbar und sagte: Il a cela dans une de ses symphonies. – Qui? fragte ich etwas ängstlich. – Beethoven, l’auteur de ce quatuor, sagte er mir wichtig. Es war sauersüß!“ Der Pariser hatte Mendelssohns Quartett schlicht für Beethoven gehalten. Weitere Zitate aus dessen Werken durchziehen das Werk: Die langsame Einleitung, die am Ende des Quartetts wiederkehrt, greift ein Motiv aus der Klaviersonate „Les Adieux“ auf. Am wichtigsten ist aber der Bezug zu Beethovens spätem a-Moll-Quartett op. 132. Nicht nur die Tonart, auch viele formale Besonderheiten stammen von dort: die Idee, die langsame Einleitung durch stürmische Läufe mit dem Hauptthema des ersten Allegro zu verbinden; der punktierte Rhythmus und der polyphone Satz dieses Themas und seine pathetische Klimax in der Coda. Auch der Beginn des Finales ist in beiden Werken identisch: ein Rezitativ der ersten Violine über Tremolo, dann ein kompaktes, leidenschaftlich bewegtes Thema.

Neben dieser „Beethoven-Ebene“ hat Mendelssohns Quartett auch eine versteckte autobiographische Komponente, die auf sein Lied „Frage“ zurückgeht. Dessen Anfang, ursprünglich mit dem Text „Ist es wahr?“ versehen, wird hier gleichsam als Motto dem Quartett vorangestellt. Zu Beginn der Einleitung hat Mendelssohn diesem Lied ohne Worte den imaginären Text „Weißt du noch?“ unterlegt. Er bezeichnet die nostalgische Rückschau, die die Musik dieser Frage auszudrücken scheint. Ganz am Ende des Finales kehrt die langsame Einleitung wieder, was nicht nur das Quartett höchst originell abrundet, sondern auch auf die sehr persönlichen Botschaften des jungen Komponisten in diesem Werk hinweist.

Im ersten Satz ist es die kompromisslos expressive Entfaltung der Themen, die fasziniert. Auf die fragende Einleitung folgen die von Beethovens op. 132 inspirierten Sechzehntelwellen, aus denen das Hauptthema hervorgeht. Sie werden in der Durchführung mit diesem verschränkt und zu einem gewaltigen Höhepunkt gesteigert, auf dem die Erregung plötzlich abebbt. Durch herrliche Vorhalte gesteigert erscheint das Hauptthema in hoher Lage in der 1. Violine. Romantische Sehnsucht und „Sturm und Drang“ liegen wie hier im gesamten Quartett nahe beieinander.

Dies gilt insbesondere vom zweiten Satz, einem der originellsten der gesamten Romantik. Er beginnt lyrisch, mit einem Lied ohne Worte. Darauf folgt, zunächst ruhig und in Bachscher Strenge, die erwähnte Fuge über das Thema aus dem langsamen Satz der Siebten von Beethoven. Die Fuge wird nach und nach von gewagtester Chromatik durchsetzt und in der Bewegung so rasant gesteigert, dass die Streicher förmlich in Seufzerketten ausbrechen. Am Höhepunkt sackt die Erregung in einem Rezitativ der ersten Violine zusammen, worauf das lyrische Liedthema wieder erscheint und mit dem Fugenthema kunstvoll verwoben wird.

Das Intermezzo ist ein nordisch wirkendes Volkslied über ein harfenartiges Pizzicato, dem ein wiederum an Beethoven erinnerndes, fugiertes Trio gegenübersteht.

Das Finale wird von Gegensätzen bestimmt: vom melodramatischen Duktus des Rezitativs, das von elfenhaften Motiven durchsetzt wird, und vom Appassionato des Hauptthemas. Das zweite Thema ist eine Art Geschwindmarsch, dessen Bewegungsdrang aber von Rezitativen immer wieder gehemmt wird. Am Beginn der Durchführung erscheint das Fugenthema aus dem zweiten Satz wieder. Es wird in der Folge in den Gestus der Rezitative eingegliedert, worauf die Bewegung in einem Violinsolo (Quasi una fantasia) zum Stillstand kommt. Damit ist der Boden für die Reprise der langsamen Einleitung bereitet, die das Werk im Tonfall eines stillen Gebets beschließt.

2007:
Felix Mendelssohn
Quartett a-Moll, op. 13

Das a-Moll-Quartett, op. 13, ist neben dem Oktett, op. 20, das bedeutendste Frühwerk Felix Mendelssohns. Der 18-Jährige komponierte es 1827, unmittelbar nachdem in Berlin die Nachricht vom Tode Ludwig van Beethovens eingetroffen war, den der junge Komponist abgöttisch verehrte. Eine Fülle offener oder versteckter Zitate Beethovenscher Themen deutet darauf hin, dass er sein Quartett als Hommage an den verehrten Meister verstand. Schon die Tonart weist darauf hin: Beethovens spätes a-Moll-Quartett Opus 132 war hier das unmittelbare Vorbild, und es verleitete den jungen Meister dazu, in seinem eigenen a-Moll-Quartett
romantisches Experimentieren hemmungsloser auszuleben als in vielen späteren Werken; denn der späte Beethoven, auf den er sich hier bezog, galt den Zeitgenossen – darunter auch Mendelssohns eigenem Vater – als unverständlich, bizarr, „chinesisch“.

Noch 1830 erinnerte sich Mendelssohn an die Zeit, „als ich meine musikalische Thätigkeit auf meinem eigenen Wege anfing, und als Vater fortwährend in der übelsten Laune war, auf Beethoven und alle Phantasten schalt und mich darum oft betrübte.“ Auch in Paris traf er auf dieses Ressentiment: „Morgen wird mein A-Moll-Quartett öffentlich gespielt. Cherubini sagt von Beethoven’s neuer Musik: Ça me fait éternuer (Das macht mich niesen), und so glaube ich, das ganze Publikum wird morgen niesen.“ Das Zitat beweist, dass Mendelssohn sein a-Moll-Quartett in der Tradition des späten Beethoven sah.

Auch ohne diesen Beweis wäre der Zusammenhang für jeden, der mit Beethovens Werken vertraut ist, offenkundig. Das Adagio von Mendelssohns Quartett enthält ein chromatisches Thema in Fugenform, das am Ende des Finales noch einmal erscheint. Es stammt aus dem Andante von Beethovens 7. Sinfonie, was schon 1830 einem unbedarften Zuhörer in Paris auffiel, der neben Mendelssohn im Konzert saß: „Im letzten Stücke zupfte mich mein Nachbar und sagte: Il a cela dans une de ses symphonies.(Er hat das in einer seiner Sinfonien) – Qui? (Wer?) fragte ich etwas ängstlich. – Beethoven, l’auteur de ce quatuor (Beethoven, der Autor dieses Streichquartetts), sagte er mir wichtig. Es war sauersüß!“ Mendelssohn genoss es, gerade in diesem Stück mit Beethoven
verwechselt zu werden.

Die langsame Einleitung, die am Ende des Quartetts wiederkehrt, greift ein Motiv aus Beethovens Klaviersonate Les Adieux auf. Zugleich handelt es sich um ein Selbstzitat Mendelssohns aus seinem Lied „Frage“. Der Anfang dieses Liedes, ursprünglich mit dem Text „Ist es wahr?“ versehen, wird hier zur Frage „Weißt du noch?“ umgedeutet. Diese Frage, die von den Streichern am Anfang gestellt wird, wird erst ganz am Ende des Quartetts beantwortet.

Das folgende Allegro geht in vielen Zügen auf Beethovens Opus 132 zurück. Daher stammt die Idee, die langsame Einleitung durch stürmische Läufe mit dem Hauptthema zu verbinden, aber auch der punktierte Rhythmus und der polyphone Satz dieses Themas sowie seine pathetische Klimax in der Coda. Überhaupt fasziniert an diesem Satz die kompromisslos expressive Entfaltung der Themen. Auf die „fragende“ Einleitung folgen erst die Beethovenschen Sechzehntelwellen, dann das Hauptthema. Die Wellenmotive werden in der Durchführung mit dem Thema verschränkt und zu einem gewaltigen Höhepunkt gesteigert, worauf die Erregung plötzlich abebbt. Durch herrliche Vorhalte gesteigert erscheint das Hauptthema in hoher Lage in der 1. Violine. Romantische Sehnsucht und „Sturm und Drang“ liegen im gesamten Quartett nahe beieinander.

Dies gilt insbesondere vom langsamen Satz, einem der originellsten der Romantik. Er beginnt lyrisch schlicht, mit einem „Lied ohne Worte“. Darauf folgt, zunächst ruhig und in Bachscher Strenge, die erwähnte Fuge über das Beethovensche Thema. Sie wird in der Folge von „Tristan“-Chromatik durchsetzt und in der Bewegung so rasant gesteigert, dass sie förmlich in Seufzerketten übergeht. Am Höhepunkt dieser Entwicklung sackt die Erregung in einem Rezitativ der ersten Violine plötzlich zusammen, worauf das lyrische Liedthema wieder erscheint und mit dem Fugenthema kunstvoll verwoben wird.

Das Intermezzo klingt wie ein nordisches Volkslied, eine Art Ballade über harfenartigem Pizzicato, der ein wiederum an Beethoven erinnerndes, fugiertes Trio gegenübersteht.

Das Finale wird von Gegensätzen bestimmt. Es beginnt im Duktus eines instrumentalen Rezitativs. Die erste Violine spielt über Tremoloschauern ihren imaginären „Sprechgesang“, der von elfenhaften Motiven unterbrochen wird. Ihm folgt das eigentliche Hauptthema im Appassionato-Ton. Die Nähe zum Finale von Beethovens Opus 132 liegt hier wieder auf der Hand. Das zweite Thema ist eine Art Geschwindmarsch, dessen Bewegungsdrang aber von Rezitativen gehemmt wird. Am Beginn der Durchführung erscheint das Fugenthema aus dem 2. Satz wieder. Es wird in der Folge in den Gestus der Rezitative eingegliedert, worauf die Bewegung in einem Violinsolo (Quasi una fantasia) zum Stillstand kommt. Damit ist der Boden für die Reprise der langsamen Einleitung bereitet, die das Werk quasi religioso beschließt.