“Dialoge” für Flöte, Klarinette, Violoncello und Klavier
Werkverzeichnisnummer: 1178
1. Andante sostenuto e rubato – Allegretto –
2. Leggiero – allegro agitato –
3. Andante rubato – Allegro calmato –
4. Meno mosso – Allegro con fuoco – Andante espr.
1996
Mägi: Dialoge (1976)
Ester Mägi ist die prominenteste Komponistin des Baltikums. Sie wurde 1922 in eine kulturell interessierte Arbeiterfamilie hineingeboren, mußte eine Pianistenkarrire früh wegen einer Erkrankung der Hände aufgeben, studierte daraufhin Komposition am Tallinner und Moskauer Konservatorium. Im gesamten Baltikum als Komponistin hoch geschätzt, wurde sie in den 80er Jahren auch international bekannt, als estnische Orchster auf Tourneen ihrBukoolfka für Orchester (1983) als “Visitenkarte” spielten und estnische Solisten ihre Kammermusik und Lieder zunehmend auch im Ausland vortrugen (nachdem die das Recht erhalten hatten, Verträge auch ohne Vermittlung der sowjetischen Künstleragentur Goskonzert zu schließen!). So wurden etwa Cantus und Processus für Violoncello und Gitarre (1987/88) für die Villa Musica-Dozenten Martin Ostertag und Boris Björn Bagger geschrieben.
“So unauffälig und kontinuierlich wie sich Ester Mägis stilistische Entwicklung vollzog, wuchs auch ihre Bedeutung für die estnische Musik. Ihre Ausdrucksweise ist introvertiert und subtil, aber nicht arm an Aktivität. Wie Veljo Tormis stützt sich auch Ester Mägi oft auf musikalisches Material, das der estnischen Folklore entstammt. Anders als Tormis gebraucht sie aber kaum vollständige Volksweisen; sie verwendet sie freier, indem sie versucht, nur ihren Charakter, gleichsam ihr inneres Wesen aufzubewahren… Im Unterschied zu den meisten in den frühen 50er Jahren in Estland geschriebenen Stücken zeichnen sich Ester Mägis Kompositionen durch die Ökonomie ihrer Mittel und eine präzise Formgestaltung aus, davon zeugt z. B. ihr Klaviertrio (1950), das bis heute im Repertoire der Interpreten geblieben ist. Die Erneuerungswelle in der estnischen Musik beeinflußte auch Mägis Stil. Seit den 60er Jahren integrierte sie Chromatik und weite, expressive Sprünge in die melodische Linie, kurze Motive wurden zu thematischen Einheiten; sie legte mehr Gewicht auf die Ausdruckskraft des Rhythmus…” (Merike Vaitmaa)
Dialoogid [Dialoge] für Flöte, Klarinette, Violoncello und Klavier (1976) ist ein Beispiel für diese expressive Stilperiode. Das Werk folgt einem einfachen Bauplan: jede der drei Oberstimmen erhält ein, teilweise vom Klavier begleitetes Solo; dann spielen die drei Oberstimmen ohne Klavier zusammen, schließlich alle vier Instrumente gemeinsam. Das Werk beginnt mit einem langen, im Tempo freien Klarinettensolo, das sich von der Tiefe bis in die höchste Lage des Instruments, von langen Noten bis zu aufgeregter Virtuosität entwickelt. Das Klavier tritt hinzu und begleitet die Klarinette in vertrackten tänzerischen Rhythmen. Den zweiten Abschnitt eröffnet die Flöte mit einem leggiero-Solo im 3/8-Takt. Von kurzen Einwürfen der Klarinette abgesehen, handelt sich um eine virtuose Mini-Sonatine für Flöte (bis in die schwierige 3. Oktave des Instruments). Als letzter Protagonist tritt das Cello mit einem Andante rubato in Doppelgriffen auf, das in eine Solokadenz und schließlich in eine vom Klavier begleitete Kantilene übergeht. Über Pizzicato-Baß des Cellos beginnt danach der vierte Abschnitt, das Trio für Flöte, Klarinette und Cello, das schließlich in die Apotheose für alle vier Instrumente im Fortissimo mündet. Das Werk verklingt jedoch verhalten, in einem Andante espressivo.