Trio für Violine, Viola und Violoncello
Werkverzeichnisnummer: 1083
1. Allegro
2. Lento
3. Molto Vivace
Der aus Mähren stammende Gideon Klein hatte gerade sein Klavierstudium in Prag glänzend abgeschlossen und ein Kompositionsstudium bei Alois Hába begonnen, als mit der Annexion Böhmens und Mährens durch Deutschland 1939 auch die tschechischen Universitäten geschlossen wurden. Der kaum 20jährige war gezwungen, sein Studium aufzugeben und heimlich zu komponieren. 1941 in Theresienstadt interniert, hat er bis wenige Tage vor seinem Abtransport nach Auschwitz komponiert. Sein Theresienstädter Ouevre konnte durch einen glücklichen Fund 1990 um seine bis dahin verschollenen, früheren Werke ergänzt werden.
Das Streichtrio beendete Klein am 7. 10. 1944, neun Tage vor seinem Abtransport nach Auschwitz. Die Partitur, die er vor seiner Fahrt in den Tod einer Freundin anvertraut hatte, gelangte nach dem Krieg in die Hände seiner Familie und wurde schließlich im Jahre 1993 ediert. Das Stück ist denkbar weit von jeder Larmoyanz entfernt. Kraftvoll und selbstbewußt greift es auf mährische Volkslieder zurück, die es in einfacher und geradliniger Weise verarbeitet. Klein scheint es in dem Bewußtsein geschrieben zu haben, daß die etnischen Wurzeln seiner Musik dem Holocaust und der arischen Hybris zum Trotz Bestand haben würden. Der erste Satz verarbeitet zwei Volksmelodien über einem fast unausgesetzten Ostinato. In erstaunlicher Weise werden hier die „patterns“ heutiger Minimal music vorweggenommen. Der Mittelsatz besteht, wie sein Titel besagt, aus Variationen über ein mährisches Volkslied. Etwas Schlichteres und Ergreifenderes kann man sich schwerlich vorstellen. Klein hat bereits das Thema so zwingend harmonisiert, daß die volkstümlich schlichte Klage in persönliches Bekenntnis überzugehen scheint. Die insgesamt acht Variationen schreiten von sparsamer Linienführung über scherzando- und feroce-Abschnitte bis zur expressiven Klage fort, die in einem Adagio mesto con sordino und im abschließenden Grave gipfelt. Das Finale, ein Perpetuum mobile, das mit einer mährischen Weise über Off-Beat-Pizzicati beginnt, verbindet die rohe Schönheit Bartóks mit dem rhythmischen Raffinement Strawinskys zu einem Satz von geradezu überschäumendem Humor.
2003:
GIDEON KLEIN
Streichtrio
Ein kleines Musterstädtchen, das Kaiser Joseph II. 1780 mitten in Böhmen errichten ließ und nach seiner Mutter Maria Theresia benannte, erlangte im 20. Jahrhundert traurige Berühmtheit: Theresienstadt. Die Nazis machten aus der Stadt, die in josephinischer Zeit für die liberale Behandlung der Juden bekannt war, das Symbol des schieren Gegenteils: das größte jüdische Ghetto Tschechiens. 70.000 Juden aus allen Teilen des Landes wurden auf einem Raum zusammengepfercht, der für 4000 Einwohner gedacht war. Tausende von Musikern waren unter den Häftlingen. „Es gab so viele hervorragende Geiger und Pianisten, das viele von ihnen keine einzige Gelegenheit hatten, ihre Kunst zu präsentieren“, erinnerte sich der Überlebende Josef Bor. Die anderen aber, die in der „Freizeitgestaltung“ der Häftlinge unablässig musizierten und komponierten, waren Kämpfer gegen die Unmenschlichkeit.
Mitten in der Ohmacht des Lagers schrieb auch Gideon Klein seine Werke als Manifest für die Macht der Musik. Sie erklangen neben Musik von Beethoven und Mozart, gespielt von Häftlingen für Häftlinge und durchtränkt von tschechischer Nationalmusik.
Das Streichtrio von Klein beschwört klingend den existenziellen Kampf im Lager herauf, wie ihn der Zeitzeuge Lubomír Peduzzi beschrieb: „Die Kunst in Theresienstadt führte ohne überflüssige Arabesken vor, was den Leuten in dieser durch Emiedrigung und Gewalt monströs deformierten Welt so sehr fehlte, nämlich das menschliche Antlitz, das eines freien Menschen würdig gewesen wäre. Hoch über dem ästhetischen Genuss stand hier ein moralisches Ideal, das eine unschätzbare Unterstützung im Ertragen der tagtäglichen Demütigungen war. Gleichzeitig versinnbildlichte Kunst den Traum der Menschen von einem künftigen Leben in Freiheit, das alle zu erreichen hofften… Kunst wurde hier zu einer wirksamen Waffe der Unterdrückten gegen die Unterdrücker, sie wurde zu einer Art Arznei, die das Überleben ermöglichte.“
Der aus Mähren stammende Gideon Klein hatte gerade sein Klavierstudium in Prag glänzend abgeschlossen und ein Kompositionsstudium bei Alois Hába begonnen, als mit der Annexion Böhmens und Mährens durch Deutschland 1939 auch die tschechischen Universitäten geschlossen wurden. Der kaum 20jährige war gezwungen, sein Studium aufzugeben und heimlich zu komponieren. 1941 in Theresienstadt interniert, hat er bis wenige Tage vor seinem Abtransport nach Auschwitz komponiert. Sein Theresienstädter Ouevre konnte durch einen glücklichen Fund 1990 um seine bis dahin verschollenen, früheren Werke ergänzt werden.
Das Streichtrio beendete Klein am 7. 10. 1944, neun Tage vor seinem Abtransport nach Auschwitz. Die Partitur, die er vor seiner Fahrt in den Tod einer Freundin anvertraut hatte, gelangte nach dem Krieg in die Hände seiner Familie und wurde schließlich im Jahre 1993 ediert. Das Stück ist denkbar weit von jeder Larmoyanz entfernt. Kraftvoll und selbstbewußt greift es auf mährische Volkslieder zurück, die es in einfacher und geradliniger Weise verarbeitet. Klein scheint es in dem Bewusstsein geschrieben zu haben, dass die etnischen Wurzeln seiner Musik dem Holocaust und der arischen Hybris zum Trotz Bestand haben würden. Der erste Satz verarbeitet zwei Volksmelodien über einem fast unausgesetzten Ostinato. In erstaunlicher Weise werden hier die patterns heutiger Minimal music vorweggenommen. Der Mittelsatz besteht, wie sein Titel besagt, aus Variationen über ein mährisches Volkslied. Etwas Schlichteres und Ergreifenderes kann man sich schwerlich vorstellen. Klein hat bereits das Thema so zwingend harmonisiert, dass die volkstümlich schlichte Klage in persönliches Bekenntnis überzugehen scheint. Die insgesamt acht Variationen schreiten von sparsamer Linienführung über scherzando- und feroce-Abschnitte bis zur expressiven Klage fort, die in einem Adagio mesto con sordino und im abschließenden Grave gipfelt. Das Finale, ein Perpetuum mobile, das mit einer mährischen Weise über Off-Beat-Pizzicati beginnt, verbindet die rohe Schönheit Bartóks mit dem rhythmischen Raffinement Strawinskys zu einem Satz von geradezu überschäumendem Humor.