Concerto grosso A-Dur, op. 6,11 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Georg Friedrich Händel

Concerto grosso A-Dur, op. 6,11

Concerto grosso A-Dur, op. 6,11

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 749

Satzbezeichnungen

1. Andante larghetto e staccato

2. Allegro

3. Largo e staccato

4. Allegro

5. Andante

Erläuterungen

Als die Londoner Erstaufführung des „Messiah“ bevorstand, kam es in den
Zeitungen zu einer überraschenden Diskussion: Der Bischof von London erhob
Einspruch gegen die Aufführung eines solchen Oratoriums im Theater: „Die
Annahme, dass viele Menschen, die nicht in die Kirche gehen, durch eine
solche Aufführung zum Beten gebracht würden, ist falsch. Denn ich glaube
einfach nicht, dass Menschen, die es nicht für nötig finden, in die Kirche
zu gehen, beim Anhören einer religiösen Aufführung im Theater Demut
empfinden können… Wie wird dies auf spätere Zeiten wirken, wenn sie in der
Geschichte Englands lesen, dass wir auf einer solchen Höhe von
Pietätlosigkeit angelangt waren, auf der selbst die heiligsten Dinge zu
öffentlichen Vergnügungen missbraucht wurden? Was würde ein Moslem darüber
denken, der doch seinen Koran mit so viel Sorgfalt und Ehrfurcht hütet?“ Die
„späteren Zeiten“ gaben Händel Recht. Sein „Messiah“ zählt zu den
unverrückbaren Denkmälern christlicher Kultur in einer profanisierten Welt.
Er ist nicht nur eine monumentale Darstellung der Heilsgeschichte in Worten
der Heiligen Schrift und in Musik, sondern auch eine Mahnung an unser
christliches Gewissen, die nie schweigen wird, solange sie erklingt – ob in
Konzertsälen oder in der Kirche.

Eine kurze Aufführungsgeschichte

„The Musick sounds delightfully in this charming room.“ – „Die Musik klingt
wunderbar in diesem zauberhaften Raum.“ Händels erste Reaktion auf die neu
erbaute Konzerthalle von Dublin, die „New Musick-Hall in Fishamble Street“,
besiegelte das Schicksal seines „Messias“. Kurz entschlossen brachte der
Komponist 1742 sein neues „Sacred Oratorio“ nicht in London, sondern in der
irischen Metropole zur Uraufführung.

Wie immer war dabei auch der Geschäftsmann Händel im Spiel: Auf die erste
Ankündigung einer händelschen Oratorienaufführung in ihrem neuen Konzertsaal
hatten die Dubliner so begeistert reagiert, dass alle 600 Tickets im
Vorverkauf über die Theke gingen und man sich die Abendkasse sparen konnte
(Händel: „so that I needed not sell one single Ticket at the Door“). Die
hervorragende Qualität der irischen Orchestermusiker („really excellent“)
und der irischen Chorsänger („they do exceeding well“) taten ein Übriges, um
den Meister in beste Arbeitslaune zu versetzen: „which puts me in such
Spirits (and my Health being so good) that I exert myself on my Organ with
more than usual Success.“

Aus der ersten, probeweisen Oratorienaufführung mit den gefeierten
Orgeleinlagen des Meisters wurde gleich eine ganze Händel-Saison. Die Iren
durften nacheinander die Oratorien „L’Allegro“, „Esther“ und „Saul“, die
Caecilienode, „Acis und Galathea“ sowie die als „Serenade“ angekündigte Oper
„Imeneo“ erleben.

Höhepunkt der Stagione war die Uraufführung des „Messiah“ am Donnerstag, 13.
April 1742, um 12 Uhr mittags in Fishamble Street. Die Zeitungen ließen in
den Vorankündigungen die Konzertbesucher um besondere Zugeständnisse bitten:
die Damen sollten auf ihre Reifröcke, die Herren auf ihre Degen verzichten,
damit statt der 600 dieses Mal 700 Personen im Saal Platz fänden. Der Zweck
heiligte die Mittel: Die Einnahmen sollten zu gleichen Teilen der „Society
for Relieving Prisoners“, der „Charitable Infirmary“ und dem „Mercer’s
Hospital“ zugute kommen. Damit war der weitere Weg des „Messiah“ im
öffentlichen Konzertleben vorgezeichnet, denn auch in London wurde das Werk
meist zu wohltätigen Zwecken aufgeführt. In Händels letzten Lebensjahren
stellte er es dem „Foundling Hospital“, dem Londoner Heim für ausgesetzte
Kinder, zur Verfügung. Als freilich das Hospital beim Parlament ein
exklusives Aufführungsrecht durchsetzen wollte, wehrte sich Händel vehement.
Die Wohltätigkeit seines „Messiah“ blieb sein ganz persönliches Werk – sein
Beitrag zum sozialen System des aufgeklärten England.

Die Reaktionen auf die Uraufführung in Dublin waren überschwenglich. Sofort
begriff man, dass Händel hier selbst für seine Verhältnisse ein
außerordentliches Werk geschaffen hatte, dessen Besonderheiten in langen
Abhandlungen in den Zeitungen diskutiert wurden. Nach einer weiteren
Aufführung Ende Mai, für die Händel in den Dubliner Zeitungen eine Art
Klimatisierung ankündigen ließ, um die Besucher trotz anhaltender Hitze in
den Konzertsaal zu locken, nahm er die Partitur mit nach London, um sie im
Rahmen seiner nächsten Oratoriensaison dort erstaufzuführen. Der geplante
Ort der Aufführung, das Theatre Royal in Covent-Garden, löste dann die
erwähnten Diskussionen über die Unheiligkeit eines solchen Vorhabens aus.
Sie zwangen Händel dazu, vorläufig auf den Titel „Messiah“ zu verzichten,
und die Erstaufführung am 23. März 1743 unter dem neutralen Titel „Ein
geistliches Oratorium“ anzukündigen.

Trotz guten Besuchs und einer gelungenen Aufführung war „Messiah“ in London
kein durchschlagender Erfolg wie in Dublin. Verglichen mit der Sensation,
die in den gleichen Wochen des Frühjahrs 1743 fünf Aufführungen des „Samson“
auslösten, ging das „Sacred Oratorio“ eher unter. Für den Geschmack der
Londoner war das Stück in der Tat zu geistlich. Händel hatte schon 1741
geahnt, dass man die Londoner „mit einem Werk von lebhafterem Zuschnitt
unterhalten müsse“ („being anxious to please the Town with something of a
gayer turn“, wie Charles Jennens Händels Befürchtungen umschrieb). Erst als
er „Messiah“ auch in London mit wohltätigen Zwecken verband und an
geistlichen Plätzen aufführen ließ (besonders in der Kapelle des Foundling
Hospital), begann sich das Stück durchzusetzen. Zum Inbegriff händelscher
Kunst wurde es erst nach seinem Tod, unter den Vorzeichen des gewandelten
Zeitgeschmacks der Klassik. Die Monumentalaufführungen zu Händels (falsch
berechnetem) „hundertstem Geburtstag“ 1784 legten den Grundstein für die
fast kultische Beziehung der Briten zu „ihrem“ „Messiah“. Den Brauch, beim
„Hallelujah“ aufzustehen, soll freilich bereits König Georg II. zu Händels
Lebzeiten eingeführt haben.

Konzeption und Ausführung des Werkes

Weniger als ein heißer Sommermonat des Jahres 1741 genügte Händel, um seine
berühmteste Partitur zu vollenden: „angefangen den 22. August 1741…Fine
dell’Oratorio Septemb. 12. 1741“ steht kaum glaublich in der Partitur. Es
war für Händels Verhältnisse keine besonders kurze Entstehungszeit, und doch
stutzte zumindest der Librettist des Werkes, Charles Jennens, wie man ein so
heiliges Sujet in so großer Eile abhandeln konnte. Er hatte gehofft, Händel
werde „sein ganzes Genie und seine ganze Kunst daran wenden, damit die
Komposition alle seine früheren Kompositionen übertreffe, wie das Thema alle
anderen Themen übertrifft.“ Stattdessen vertonte Händel den Text „in großer
Eile, obwohl er versprach, sich dafür ein Jahr Zeit zu nehmen und es zum
besten seiner Werke zu machen. Nie wieder gebe ich ihm geistliche Worte in
die Hand, damit er sie so missbraucht.“ Einer von Jennens‘ Freunden nannte
Händel daraufhin einen „Juden“, worauf der eitle Jennens antwortete: „Selbst
ein Jude hätte den Propheten mehr Respekt gezollt als Händel.“ Hätte Jennens
geahnt, dass sich hinter manchen Chören des „Messiah“ umtextierte
italienische Kammerduette verbargen, die urspünglich weltlich-amourösen
Inhalts waren (etwa hinter „For unto us a child is born“), er hätte wohl mit
dem Komponisten gebrochen.

So kam es nur zu einer zähen, aber ergebnislosen Auseinandersetzung zwischen
Librettist und Tonsetzer über die angeblich schwachen Stellen des Werkes,
die der verbohrte Händel einfach nicht verbessern wollte. Tatsächlich
enthalten die späteren Aufführungsversionen des „Messiah“ einiges an
Änderungen, die meist bestimmten Sängern zuliebe vorgenommen wurden. So
wurde etwa die ursprünglich für Bass geschriebene Arie „But who may abide
the day of his coming“ erst durch den Kastraten Gaetano Guadagni (Glucks
Wiener Orfeo) zum Bravourstück für Mezzosopran. Die Pifa vor der
Verkündigung an die Hirten hat Händel teils in dreiteiliger langer, teils in
einteiliger kurzer Form aufgeführt, ebenso die Bassarie „Why do the Nations
so furiously rage together“. Bei all diesen Varianten handelt es sich jedoch
um kosmetische Retouchen, nicht um die von Jennens verlangten
grundsätzlichen Revisionen. Händel blieb bei der einmal gefundenen
Konzeption des „Messiah“ – was er geschrieben hatte, das hatte er
geschrieben!

Bei allen Zwistigkeiten waren sich der polternde Musiktyrann Händel und der
arrogante Stahlwarenfabrikant Jennens unterschwellig doch bewusst, für eine
gemeinsame Sache zu kämpfen: für die Verteidigung der christlichen Lehre mit
den Mitteln der Kunst in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft. Es
ist dieses Anliegen seiner Schöpfer, was den „Messias“ gerade in unserer
Gesellschaft wieder aufwühlend und packend macht, nachdem er im 19. und
frühen 20. Jahrhundert vor allem als Bestätigung einer fest gegründeten,
bürgerlich-religiösen Gesellschaft zelebriert wurde.

Charles Jennens empfand jene Aufgabe als seine Sendung. Von der
Unterstützung einer Gesellschaft „zur Verbreitung des Evangeliums in fremden
Ländern“ bis hin zur Aufstellung einer Statue des „Christlichen Glaubens“
war er von dem Auftrag beseelt, die christliche Region zu verteidigen. Im
Text des „Messiah“ gipfelte diese persönliche Berufung, was seine gekränkte
Haltung angesichts von Händels scheinbar nur routiniertem Umgang mit dem
Text verständlich macht. Doch auch Händel wollte die Menschen durch seine
Musik zum „Messiah“ läutern und sie auf einen besseren, den christlichen Weg
führen. Die Hoffnung auf Bekehrung und Verkündigung einte die beiden so
gegensätzlichen Geister.

Der Text

„Der Sieg, der die Welt eroberte, ist unser Glaube“, steht auf jener Statue
zu lesen, die Jennens als Darstellung des Christian Faith in Auftrag gab.
Genau dies ist der Inhalt des „Messias“. Im Textbuch unterteilte Jennens den
Ablauf der Ereignisse, die in Worten der Heiligen Schrift mehr angedeutet
denn berichtet werden, in drei Teile: „Die Prophezeiung des Messias und ihre
Erfüllung“ – „Von der Passion zum Triumph“ – „Die Rolle des Messias im Leben
nach dem Tode“. Jeder der drei Teile ist noch einmal in vier bis sieben
Kapitel untergliedert, denen Jennens belehrende Überschriften gab. Geschickt
hat er dabei in die allgemeinen Aussagen und Weissagungen aus dem Alten
Testament jeweils ein Kapitel aus dem Neuen Testament eingeflochten:

Teil I: Die Prophezeiung des Messias und ihre Erfüllung
Auf die die drei Prophezeiungen der messianischen Sendung, der Welterlösung,
des Weltgerichts und der Menschwerdung, folgt die Darstellung des
Weihnachtsgeschehens.

Teil II: Von der Passion zum Triumph
Hier stehen die Ereignisse des Neuen Testaments am Anfang: Passion, Tod,
Auferstehung und Himmelfahrt. Darauf folgen Aussagen, die sich auf die
Ausbreitung der christlichen Lehre zur Weltreligion beziehen: Pfingsten,
Verfolgung und Ablehnung durch die Heiden, schließlich der Sieg und der
ewige Triumph des Christentums (Hallelujah).

Teil III: Die Rolle des Messias im Leben nach dem Tode
Die Arie „I know that my redeemer liveth“ eröffnet den Schlussteil mit der
persönlichsten Aussage des Werkes: der Überzeugung, dass Christus lebt und
jeder Mensch durch ihn auferstehen werde. Aussagen über die Auferstehung
aller Toten und die Fürsprache des Heilands beim jüngsten Gericht bereiten
den grandiosen Schluss vor: die Vision der Anbetung des Lammes durch die
Erlösten im Himmel.

Händels Musik

Zu Händels Musik genügt es, einen Zeitungsartikel aus dem Dublin Journal zu
zitieren, der unter dem Eindruck der Uraufführung verfasst wurde: „Es
scheint eine Art von Musik zu sein, die sich von jeder anderen
unterscheidet. Denn obwohl die Komposition meisterhaft und überaus kunstvoll
ist, ist die Harmonie doch so groß und offen, dass sie allen gefällt, die
Ohren haben zu hören, ob sie nun Kenner sind oder keine… Es gibt keinen
Dialog, keine schnelle Wechselrede, die doch oft so schwach daherkommt.
Stattdessen wird in diesem Stück die Aufmerksamkeit vom Anfang bis zum Ende
gefesselt, indem die Rezitative nur aus Sentenzen bestehen, was ihnen einen
ungemeinen Nachdruck verleiht.“

Was der irische Bischof Edward Synge in diesem Artikel nur andeutete, ist
die Großartigkeit der Chöre, in denen Händel mehr Gebrauch von strengen
Fugen und kontrapunktischen Kunstgriffen machte als sonst in seinen
Oratorien. Das malerische Element fehlt fast völlig, wie es etwa in den
Chören von „Israel in Ägypten“ oder „Saul“ so deutlich hervortritt. Alles
konzentriert sich auf die Größe der wechselnden Affekte, besonders im
zweiten Teil mit seinen einander fast verdrängenden chorischen Bildern „von
der Passion zum Triumph“.

Die Arien hat Händel so schlicht gehalten wie in keinem anderen seiner
Werke, von den „Chandos Anthems“ abgesehen. Außer einigen später
hinzugefügten Bravourstellen für Starsolisten wie den Kastraten Guadagni ist
die Haltung der Arien schlicht, fast liedhaft und auch in der Form knapp.
Pro Teil gibt es nur eine große Arie in Da-Capo-Form: „For who may abide“ im
ersten Teil, „He was despised“ im zweiten, „The trumpet shall sound“ im
dritten Teil. Wie Händels Solisten in der Dubliner Uraufführung trotz oder
gerade wegen der Schlichtheit dieser Musik reüssierten, ist den Berichten
der Zeitzeugen zu entnehmen. Besonders Susanna Cibber, Händels treue
Mezzosopranistin, weckte heilige Gefühle, in die auch sanfte Erotik
hineinspielen durfte:
„Ihr Aussehen lehrt die Streicher klingen,
und ihre Lippen künden jene Leidenschaft,
von der sie singen.“
Sicher hätte der Bischof von London protestiert, wäre er dabei gewesen.