Concerto a quattro c-Moll, RV 119 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Antonio Vivaldi

Concerto a quattro c-Moll, RV 119

Concerto a quattro c-Moll, RV 119 für Streicher und Continuo

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer:

Besetzung

Streicher
Continuo

Satzbezeichnung

Allegro
Largo
Allegro

Erläuterung

Im Venedig der Jahre um 1720 ist Vivaldi eine stadtbekannte Persönlichkeit. Sein Spitzname „Il prete rosso“, „der rothaarige Priester“, ist zwar nur auf einer Karikatur aus Rom überliefert. Dennoch kann man sich leicht vorstellen, wie sehr der agile Musiker mit dem flammend roten Haar und der Hakennase auffallen muss, wenn er – Noten und Geige unter dem Arm – durch die bevölkerten Gassen Venedigs eilt. Er ist ständig unterwegs, vom Opernhaus Sant’Angelo am Canal Grande vorbei am Dogenpalast zur Pietà, von dort zur Kirche San Giovanni in Oleo, wo er seit der Priesterweihe 1703 wenigstens ein Mindestmaß an geistlichen Pflichten zu verrichten hat, und weiter ins Elternhaus. Dort ist er häufig anzutreffen, weil sein Vater Giovanni Battista sein Impresario und wichtigster Kopist ist.

Nur selten verlässt Vivaldi das heimische Stadtviertel San Marco rund um den Markusplatz, regelmäßig aber trifft man ihn im nördlichsten Viertel der Lagunenstadt an, in Cannaregio, sogar noch nördlich vom jüdischen Ghetto. Dort residiert der französische Botschafter, Graf Languet de Gergy, in einem Palazzo unweit der Kirche Madonna dell’Orto. Vivaldi geht bei ihm ein und aus, was venezianischen Patriziern strengstens verboten ist. Um den Kontakt zwischen dem Stadtadel und den europäischen Mächten zu erschweren, hat die Republik Venedig die ausländischen Diplomaten an den Rand der Lagunenstadt verbannt und jeglichen direkten Kontakt mit Patriziern untersagt. So manches mal wird Vivaldi im Auftrag venezianischer Gönner geheime Papiere in den Botschaftspalast geschmuggelt haben, versteckt zwischen Noten oder im Geigenkasten – kein ungefährliches Unterfangen angesichts des perfekt funktionierenden Spitzelwesens in Venedig und der ständig möglichen anonymen Denunziationen.

Das „Palais de France“, die damalige französische Botschaft, gibt es immer noch, heute als Luxushotel der Boscolo-Gruppe. Wie zu Vivaldis Zeit zeigt es auf der Rückseite des kleinen Gartens eine Bootsanlegestelle mit einem atemberaubenden Blick auf die Lagune. Genau an dieser Stelle dirigiert Vivaldi im Oktober 1727 eine Serenata zu Ehren der Zwillingstöchter Ludwigs XV. – auf einer schwimmenden Holzbühne, während das Publikum in Gondeln der Aufführung lauscht. Im winterlichen Venedig sind dergleichen Freiluftkonzerte kaum möglich, wohl aber prachtvolle Aufführungen im Palast selbst. Dabei kommen reine Streicherkonzerte zur Aufführung, wie eine Handschrift in der Pariser Nationalbibliothek beweist. Sie umfasst zwölf Concerti a quattro, also vierstimmige Streicherkonzerte ohne Solisten, die Vivaldi für den französischen Botschafter geschrieben haben muss, denn sie enthalten so manchen Satz im französischen Stil.

Unser Beispiel aus der Pariser Sammlung ist das c-Moll-Konzert, RV 119. Es beginnt mit einer Fuge über ein merkwürdiges Allegro-Thema, enthält im langsamen Mittelsatz punktierte Rhythmen im französischen Stil und als Finale eine besonders italienische, quirlige Giga.

Auch das g-Moll-Concerto, RV 157, könnte für den französischen Botschafter komponiert worden sein, obwohl es nicht in Paris überliefert ist. Es beginnt mit einer Chaconne im geraden Takt, einer in Frankreich besonders populären Form. Das zentrale Adagio zeigt kunstvolle Vorhaltsdissonanzen im strengen Satz, während das Finale als furiose Sturmmusik an das Gewitter-Finale im Sommer aus den Vier Jahreszeiten erinnert. Seine Quattro Stagioni oder Quatre Saisons hat Vivaldi regelmäßig im Botschaftspalast gespielt – das Winterkonzert sicher auch an Weihnachten.