Intermezzo d-Moll | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Anton Bruckner

Intermezzo d-Moll

Intermezzo d-Moll für zwei Violinen, Viola und Violoncello

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 432

Satzbezeichnungen

1. Moderato

2. Trio. Langsamer

Erläuterungen

„Ein junger Herkules, der in der Wiege zwei Schlangen erdrosselt, würde vielleicht in ähnlicher Weise Musik machen.“ So hämisch beurteilte der Musikjournalist und spätere Brahms-Biograph Max Kalbeck die Vierte Sinfonie von Anton Bruckner, nachdem sie am 20. Februar 1881 durch die Wiener Philharmoniker unter Hans Richter aus der Taufe gehoben worden war. Mit seinem Bonmot vom „Werk eines Kindes mit Riesenkräften“ stand Kalbeck damals freilich allein auf weiter Flur. Die öffentliche Meinung hatte sich dank dieses einen Konzerts entschieden zugunsten Bruckners gewendet. Die Uraufführung der Vierten gilt als Durchbruch des Komponisten auf dem sinfonischen Terrain der Donaumetropole. Die „Abendpost“ berichtete, das Publikum habe die Sinfonie „mit ungeteiltem Enthusiasmus“ aufgenommen, „der sich in stürmischem, jubelndem Beifall äußerte. Mit einem Worte: Bruckner schlug glänzend durch, er gehört seit dem verflossenen Sonntag zu unseren bedeutendsten Tonschöpfern und ist unser künstlerisches Allgemeingut geworden.“

Auf den Tag genau fünf Jahre zuvor hatten dieselben Philharmoniker bei der Uraufführung der gekürzten Dritten noch „in rohester Weise“ gelacht – auf dem Podium, in Anwesenheit des Publikums, das angesichts der schier endlos langen Sinfonie und der vielen falschen Noten, die das Orchester mit Absicht einstreute, in Scharen die Flucht ergriff. Hatte man Bruckner damals „rohen und ungezügelten Naturalismus“ vorgeworfen, so gelang es nun seiner Vierten, diese Bedenken mit einem Male zu zerstreuen. Dies alleine spricht für die Überzeugungskraft des Werkes, das bei seiner Premiere immerhin schon fast sieben Jahre alt war. Bruckner hatte es unmittelbar nach der Dritten im Januar 1874 begonnen und noch im gleichen Jahr abgeschlossen. Lange Zeit hatten die Philharmoniker nicht nur in Wien, sondern auch in Berlin schlicht abgewunken, wenn er sie ihnen zur Uraufführung angeboten hatte. 1875 hatte er nicht einmal mehr das Geld, von der Partitur eine Abschrift herstellen zu lassen. Zugleich revidierte er fast ununterbrochen, insbesondere die letzten beiden Sätze, und tauschte das Scherzo schließlich gegen eine Neukomposition ein. Erst in der sogenannten 3. Fassung gelangte die Vierte dann 1881 zur Uraufführung und 1889 in den Druck.

Die „Romantische“ hat Bruckner selbst sie genannt. Sie wird diesem Titel durch das Waldesrauschen der Streicher und die Signalrufe der Hörner, die wie von Ferne ans Ohr zu dringen scheinen, gerecht. Der Beginn des ersten Satzes lebt ganz von diesem hochromantischen Naturbild, in das der geheimnisvolle Ruf des Horns hineinschallt. Das erste Thema bleibt durch die „reinen“ Quinten ganz „Naturlaut“ und wechselt nur an einer Stelle geheimnisvoll zur verminderten Sext. Prägend ist der doppelt punktierte Rhythmus, dem sich alsbald der typische „Bruckner-Rhythmus“ aus zwei Vierteln und einer Viertel-Triole beigesellt. Über dem elegisch-dichten Streicherteppich des Seitenthemas erhebt sich ebenfalls ein Naturlaut: ein Vogelruf der Violinen. Umso plakativer wirkt die Schlussgruppe mit ihren Fanfaren der Trompeten und Posaunen. Angeblich stellte sich Bruckner bei diesen Klängen das Bild einer mittelalterlichen Stadt vor. Sie müsste dann zu Beginn aus den Nebelschwaden der Natur allmählich hervortreten, so wie es Heine in dem von Schubert vertonten Gedicht „Die Stadt“ beschrieben und Schinkel gemalt hat. Die eindringliche Wirkung des Satzes beruht jedoch nicht nur auf solcherart suggestiven „Klangbildern“, sondern vor allem auf der klaren Architektur der Themenblöcke und den langen Steigerungen mit ihren Aufschichtungen des Klangs.

Wie Schubert liebte auch Bruckner langsame Sätze in Rondoform, in denen zwei kontrastierende Melodien einander in weit ausgesponnenen Themengruppen feierlich ablösen. Im Andante der Vierten sind es ein quasi-religiöser „gehender“ Gesang der Celli im Kirchenton, fast ein „Benedictus“, und eine „unendliche Melodie“ der Bratschen über gezupften Saiten. Die drei Durchläufe des ersten Themas umschließen die beiden Varianten der Bratschenmelodie. Als Gegenstimmen zum Hauptthema hört man wieder Rufmotive der Hörner und ein wehmütiges Oboensolo.

Zum Welterfolg der „Romantischen“ hat sicher ihr Scherzo entscheidend beigetragen, denn das Hin- und Widerschallen der Hornsignale im Wald ist kaum jemals so suggestiv nachgeahmt worden wie hier. Aus dem Rhythmus und der immer üppigeren Instrumentierung entsteht eine packende Steigerung, die erst im gemütlich vor sich hin schlendernden Trio für einen langen Moment zur Ruhe kommt.

Dass Bruckner am Finale besonders lange gearbeitet hat und sich über seine Wirkung lange unschlüssig war, liegt an seinem schroffen Charakter. Wie eine Klangwand baut sich, nach langer Steigerung, das Hauptthema vor dem Hörer auf – wuchtig, archaisch, kolossal. Ist es hier die Oktav, die das Geschehen bestimmt, so kehrt ganz am Ende des Satzes im vollen Klang der Blechbläser der Quintruf aus dem ersten Satz wieder und schließt den Kreis der Sinfonie.