Fantaisie für Harfe und Violine op. 124 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Camille Saint-Saens

Fantaisie für Harfe und Violine op. 124

Fantaisie für Harfe und Violine op. 124

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 4221

Satzbezeichnungen

Poco allegretto – Più Allegro -
Largamente – Poco più mosso

Erläuterungen

Camille Saint-Saëns
Fantaisie, op. 124

In einer liebevollen Karikatur hat Gabriel Fauré seinen Lehrer Camille Saint-Saëns an der Harfe dargestellt. Der elegante Grandseigneur des Klaviers, der weltberühmte Repräsentant der französischen Symphonik und der Grande Opéra gehörte zu den Komponisten, die der Harfe besonders zugetan waren. Während Fauré diesen Zug seines Lehrers mit der Zeichenfeder festhielt, nahm ihn der englische Dichter und Musikkritiker George Bernard Shaw mit gewohnt spitzer Feder aufs Korn. Sein Aphorismus zu Saint-Saëns lautete: „Ein Meister der französischen Musik – wohlgemerkt nicht: ein französischer Meister der Musik.“ Was Shaw damit meinte, war das typisch nationale, gleichsam nach dem Parfüm des Salons duftende Fluidum, das die Werke aus der romantischen Periode von Saint-Saëns umweht.

Auch im deutschsprachigen Raum gilt Saint-Saëns bis heute, bedingt durch seinen notorischen Karneval der Tiere, die „Orgelsinfonie“ und die Oper Samson et Dalila als parfümierter Spätromantiker, ein Klischee, das weder der Breite noch dem Gewicht seines Schaffens gerecht wird. So verweisen seine nach 1900 geschriebenen Alterswerke auf den geläuterten Stil seines Schülers Fauré und den Impressionismus. In diese Stilphase gehört auch die 1907 für die Schwestern Eissler komponierte Fantasie für Violine und Harfe, op. 124. Sie zeugt vom Einfluss des viel jüngeren Debussy auf den alten Saint-Saëns.

Stilistisch gehört die Caprice zur gehobenen Salonmusik, in der virtuose Variationen über Volksthemen zu den beliebtesten Gattungen gehörten. Der anspruchsvolle Klavierpart jedoch wie auch die Qualität des Ganzen heben sich vorteilhaft von vergleichbaren Stücken ab.
Der glänzende Pianist Saint-Saens galt im Paris jener Jahre als Papst einer eigenen, der deutschen Romantik nacheifernden Richtung, der die Anhänger von César Franck gegenüberstanden. Die Pariser nannten seine Kammermusik deshalb „germanique“, was jedoch auf die Bläserwerke weniger zutrifft. In ihnen manifestiert sich ein typisch französischer Klassizismus, der mitunter schon auf die französischen Komponisten unseres Jahrhunderts (Groupe des six) vorausweist.

09., 10. + 11.10.1998:

Zu den Vorreitern moderner Bläserkammermusik in Frankreich gehörte die 1870 in Paris gegründete Société des instruments à vent, in der sich die besten Bläservirtuosen der Epoche für die Wiederbelebung der seit 1840 brachliegenden Kunst der Bläserkammermusik einsetzten. Für die Solisten dieser Gesellschaft schrieb Camille Saint-Saëns 1887 seine Caprice über dänische und russiche Themen in der Besetzung Flöte, Oboe und Klarinette mit Klavier. Das Werk kam im April 1887 mit den drei führenden Musikern der Bläsergesellschaft – dem Flötisten Taffanel, dem Oboisten Gillet und dem Klarinettisten Turban – sowie dem Komponisten am Klavier zur Uraufführung, allerdings nicht in Paris, sondern in St. Petersburg. Dort residierte als Zarin eine dänische Prinzessin, der Saint-Saëns seine Caprice widmete. Daraus erklärt sich die Verbindung dänischer und russischer Volksweisen in einem Stück.
Die Caprice zeugt vom Interesse des späten 19. Jahrhunderts an der „Nationalmusik“, d. h. der auf Volksmelodien beruhenden Musik der „Nation“. Die Franzosen verfügten damals noch nicht über eine solche nationale Schule, wohl aber Rußland und Dänemark. Auch von daher mußte es Saint-Saëns reizvoll erscheinen, Volksthemen dieser beiden Länder auf französische Weise zu paraphrasieren. Er tat dies in einer mehr als nur gefälligen Art. Der anspruchsvolle Klavierpart wie auch die Qualität des Bläsersatzes heben sich vorteilhaft von vergleichbaren Fantasien über Volksmelodien ab. Sie weisen auf die französische Bläserkammermusik unseres Jahrhunderts (Groupe des six) voraus.

1999:
Paradoxerweise war es gerade der verlorene Krieg gegen Preußen 1870/71, der für die Renaissance der französischen Bläsermusik am Ende des vorigen Jahrhunderts die Grundlagen schuf. In der Gründung diverser Societés manifestierte sich damals der Wille, die Stunde Null französischer Kultur zu überwinden. Aus diesem Grunde rief auch der Flötist Paul Taffanel 1878 die Société des instruments à vent ins Leben, die sich der Wiederbelebung der Bläser-Kammermusik verschrieb. Für die drei führenden Musiker dieser Gesellschaft – Taffanel an der Flöte, den Oboisten Gillet und den Klarinettisten Turban – sowie sich selbst am Klavier schrieb Camille Saint-Saëns 1887 seine Caprice über dänische und russische Themen. Die vier brachten das Werk im April 1887 in St. Petersburg zur Uraufführung. Daß dort eine Zarin aus Dänemark regierte, erklärt die Verbindung dänischer und russischer Volksweisen in einem einzigen Stück. Stilistisch gehört es zur gehobenen Salonmusik, wobei Saint-Saëns deren Untiefen weit hinter sich ließ. In seinen Bläserwerken kündigt sich vielmehr bereits der frische Wind der Groupe des six und anderer französischer Bläseroasen unseres Jahrhunderts an.