Rondo e-Moll | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Franz Xaver Mozart

Rondo e-Moll

Rondo (Sonate) e-Moll für Flöte und Klavier

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 4180

Satzbezeichnungen

Risoluto

Erläuterungen

Franz Xaver Mozart

„Ein Sohn des großen Meisters und Zeuge der hohen Kunstglorie eines teuren Vaters zu sein, ist ein schönes Glück. Es mit Würde zu sein, ist ein schönes Verdienst.“ So resümierte die Grazer Zeitschrift Der Aufmerksame anno 1820 das Auftreten des damals noch nicht Dreißigjährigen jüngsten Mozartsohnes Franz Xaver. Seit seine Mutter Konstanze für ihn die Laufbahn des Komponisten bestimmt und ihm den Künstlernamen „Wolfgang Amadeus Mozart Sohn“ verliehen hatte, lebte und wirkte Franz Xaver im übermächtigen Schatten des Vaters.

Als Mozart starb, war sein älterer Sohn Carl sieben Jahre alt, der jüngere Franz Xaver gerade erst zur Welt gekommen. Als Person blieb ihm der Vater ein Unbekannter. Dennoch oder gerade deshalb hing er an dessen Erbe mit kindlicher Anhänglichkeit. Als Musiker wurde er stets daran gemessen – ein Anspruch, dem er letztlich nicht gewachsen war, weder als Pianist noch als Komponist. Sein Bruder Carl hatte dies früh geahnt und sich von einer Musikerlaufbahn alsbald auf einen sicheren Beamtenposten im fernen Mailand zurückgezogen. Dies geschah „in der festen Überzeugung, dass Söhne eines Vaters, der sich ausgezeichnet hat, nie dieselbe Bahn betreten sollen, da sie doch niemals den an sie gerichteten Forderungen würden entsprechen können.“

Sein Bruder Franz Xaver bekam diese Lebensweisheit in voller Härte zu spüren. Aus den meisten zeitgenössischen Urteilen über ihn spricht zwar Pietät und Anerkennung, nirgends aber Begeisterung, sondern die mehr oder weniger deutlich ausgesprochene Überzeugung, dass der Sohn an den Vater nicht heranreiche. Ein bissiger Züricher Zeitgenosse schrieb: „Er ist ein kleines, mageres Männchen, jovialisch munter in Gesellschaft, braver, doch nichts weniger als ausgezeichneter Virtuose.“ Ein Wiener Kritiker berichtete weit weniger polemisch, „dass sein Spiel durch eine gewisse Ruhe und Nettigkeit sich auszeichne. Eleganz, Feinheit, Präzision, Ausdruck findet man schön bei ihm vereinigt“. Über seine Musik schrieb die Allgemeine Musikalische Zeitung 1821: „Seine Compositionen sind klar, melodiös, gut durchgeführt und verraten gründliche Einsicht in das innere Wesen der Kunst.“

Für einen durchschnittlichen Tonsetzer des frühen 19. Jahrhunderts wäre solches Lob ausreichend gewesen, nicht aber für den Sohn des großen Mozart. Tatsächlich haben nur wenige seine Kunst unabhängig vom Vater beurteilt, und selbst wenn er einmal aufgrund seiner eigenen Verdienste eine Anstellung angeboten bekam – wie etwa 1821 den Posten des Hofkapellmeisters in Darmstadt -, so schlug er ihn aus, um sich weiterhin auf die rastlose Reise auf den Spuren des Vaters zu begeben.

30 Jahre zuvor, als Konstanze Mozart das Schicksal ihres Jüngsten in die Hand genommen hatte, sah alles noch ganz anders aus. Rasch machte Franz Xaver Fortschritte, nachdem er mit sechs Jahren den Klavierunterricht aufgenommen hatte. Schon 1802 konnte der Zehnjährige sein Opus I im Druck herausbringen: das Klavierquartett g-Moll. Erwartungsgemäß staunte die Öffentlichkeit über den Sohn, der so selbstbewusst in die Fußstapfen des Vaters trat. Freilich wehte dem angehenden Tonkünstler anno 1802 ein anderer Wind entgegen, als ihn der Vater als Kind erlebt hatte. Hatte der im gediegenen Rokoko die regierenden Häuser Europas als Wunderkind in Staunen versetzt, so musste sein Sohn sich an den Größen der beginnenden Virtuosenzeit messen lassen: an Beethoven und Dussek, Hummel und Czerny.

Nach der ersten Talentprobe nahmen ihn immerhin die einstigen Konkurrenten des Vaters unter ihre Fittiche, allen voran Hofkapellmeister Antonio Salieri. Zu ihm gesellten sich im Triumvirat der Lehrer der berühmte Wiener Organist Johann Georg Albrechtsberger und der Pianist Johann Nepomuk Hummel, seines Zeichens der Meisterschüler des Vaters. Nach einigen Studienjahren stellte Salieri 1807 dem damals Fünfzehnjährigen ein wohlwollendes Zeugnis aus (im Original Italienisch): „Ich versichere, dass der junge Herr Wolfgang Amadé Mozart, schon jetzt ein versierter Pianist, ein wahres Talent zur Musik hat. Um sich in der Kunst, aus der er einen Beruf macht, zu vervollkommnen, studiert er augenblicklich bei mir, nachdem er die Regeln des Kontrapunkts bei Herrn Albrechtsberger, Kapellmeister am Stephansdom, studiert hat. Ich prognostiziere ihm einen nicht geringeren Erfolg als jener seines berühmten Vaters.“ Ein Brief seiner Mutter Konstanze aus dem gleichen Jahr lässt freilich ahnen, dass es um den Fleiß des angehenden Maestro nicht zum besten bestellt war. Sie sorgte sich, „jetzt, wo er die 3 großen Meister hat, ob er denn auch fleißig ist und Nutzen von ihnen suchen wird“, ob er „fleißig componirt und ob er auch brav sich im Instrumentiren übt.“

Tatsächlich ließen die Früchte des Fleißes noch längere Zeit auf sich warten. In eher zäher Folge entstanden ab 1808 größere Kompositionen. Bis 1820 waren es immerhin eine Sinfonie, zwei Klavierkonzerte, zwei Violinsonaten, je eine Cello- und Klaviersonate, rund ein Dutzend Lieder, Variationen und Polonaisen für sein Instrument. Genug für einen durchschnittlichen Komponisten, aber zu wenig für einen Sohn Mozarts. Man vergleiche damit nur, was der sechs Jahre jüngere Franz Schubert im gleichen Zeitraum komponiert hat. Zwar erschienen die Werke Franz Xavers bei renommierten Verlagen, fanden ihre Käufer und ihre wohlwollenden Rezensenten. Doch einen „Durchbruch“ im eigentlichen Sinne hat er als Komponist nie erlebt.

Auf seiner großen Kunstreise von 1820/21 lernte ihn das Publikum in Deutschland, der Schweiz, in Österreich und Italien als gediegenen Komponisten und Pianisten kennen, letzteres aber vorwiegend in Werken seines Vaters, die er stets aufs Programm setzte. Hätte er das großzügige Angebot aus Darmstadt angenommen, wir besäßen von ihm ein viel breiteres, für regelmäßige Aufführungen bestimmtes Schaffen. Stattdessen versiegte die Quelle seiner Inspiration im Laufe der 1820er Jahre. Die letzten beiden Jahrzehnte seines Lebens verbrachte Franz Xaver im demütigen Dienst am Vater, als geachteter, aber bescheidener Tonkünstler am Rande der aufgehenden Romantik.

Wir hören von ihm zwei Werke: das allererste, sein Klavierquartett g-Moll, und eines der letzten, das schöne Rondo e-Moll. Dazwischen liegt die gesamte Ausdrucksspanne, die sich Franz Xaver Mozart in seinem Komponistenleben erschlossen hat.

Rondo e-Moll

Als 1962 die Erstausgabe dieses einsätzigen Flötenwerks von Franz Xaver Mozart erschien, wurde es vom Herausgeber als „Rondo“ bezeichnet. Der Titel passt jedoch weder zur Form noch zum Charakter des Stückes. Das nur handschriftlich überlieferte Werk aus den 1820er Jahren wurde vom Komponisten „Sonate“ genannt, und tatsächlich handelt es sich um den Kopfsatz einer unvollendet gebliebenen Flötensonate: ein ausgedehntes e-Moll-Allegro mit einer knappen resoluten Einleitung vor dem Schubertisch-lyrischen Hauptthema. Dessen ruhig ausschwingende Moll-Dreiklänge sind ebenso wie das verspielte Seitenthema ganz für den Klang der Flöte erfunden. Virtuose Läufe dienen als Überleitungen, die knappe Durchführung moduliert bis nach g-Moll, die Coda greift kurz auf das Hauptthema zurück.

Die kompakte Form und der lyrische Duktus dieses Sonatensatzes bestätigen, was Musikkritiker von Franz Xaver schrieben: dass er kein Meister der großen Formen sei. „Sein Talent wird ihn wohl mehr Glück in den Gattungen finden lassen, wo es zunächst auf anmuthige, schmeichelnde Melodien ankömmt.“ Er steht darin hörbar Franz Schubert nahe, wofür es eine einfache Erklärung gibt: die beiden hatten einen gemeinsamen Lehrer, Antonio Salieri, der zu den Wegbereitern der Wiener Romantik gehörte.